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WIEN / Albertina: DIE WIENER BOHÈME

Grundsätzlich gut gelaunt

27.07.2025 | Ausstellungen, KRITIKEN

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Albertina / Tietze Galerie:
DIE WIENER BOHEME –
Werke der Hagengesellschaft
Vom 25. Juli 2025 bis 12. Oktober 2025,

Grundsätzlich gut gelaunt

Jeder kennt die „Secession“, und auch der an sich weniger prominente „Hagenbund“ wurde in den letzten Jahren in einigen Ausstellungen aufgearbeitet. Aber der Beitrag der „Hagengesellschaft“ zum künstlerischen Schaffen des Jahrhundertwende-Wiens ist wenig (oder fast gar nicht) bekannt. Immerhin waren die Künstler, die sich ab 1880 lose zusammen gefunden hatten (eigentlich nicht mehr als Kaffeehaus-Stammtische) klug genug, der Albertina (die gab es damals schon) 1905 gut 800 ihrer Werke, vor allem Graphiken, zu schenken. Ein guter Anlass nun für den gegenwärtigen Direktor Ralph Gleis, aus eigenen Beständen zu schöpfen, wissenschaftliche Aufarbeitung zu leisten – und (mit jetzt 140 Werken) noch eine Ausstellung unter dem Anreiz-Titel „Die Wiener Boheme“ zu präsentieren.

Von Renate Wagner

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Im Kaffeehaus    Nein, Namensgeber war nicht Hagen von Tronje, mit dem Nibelungenlied hatten die Herrschaften, die um 1880 jung waren, sich als Künstler verstanden, aber vom akademischen Betrieb nichts wissen wollten, wohl wenig am Hut. Man traf sich in Gastwirtschaften und Kaffeehäusern, und es wird übereinstimmend angenommen, dass der kunstsinnige und großzügige Gastwirt Joseph Haagen Namensgeber war, wenn er die jungen Leute in seinem Etablissement „Zum blauen Freihaus“ in der  Gumpendorfer Straße 9 bewirtete. Man traf sich auch an anderen Orten, etwa im „Sperl“ gleich daneben (Gumpendorfer Straße 11-13), auf der Wienzeile im „Zum goldenen Kegel“, man blieb jedenfalls im Krätzl. Und man zeichnete offenbar ununterbrochen – mir Vorliebe die Kollegen am Tisch. Was auf weiße Kaffeehaustische hingeworfen und nachts von den Kellnern wieder abgewischt wurde, ging verloren. Wer den Künstlern Papier zur Verfügung gestellt hat, ist nicht bekannt, aber bald türmten sich die Werke, SO dass man ganze Mappen damit anlegt. Und dann hatte das Geschaffene, auch wenn manches nur ganz zart mit Bleistift hingehaucht scheint, Bestand.

Die Mitglieder, die offiziell keine waren    Im Gegensatz zur Secession, die sich später organisierte (der fast parallel entstandene „Hagenbund“ sah die Verbindung lockerer), gab es für die Hagengesellschaft keine Statuten und Mitgliederverzeichnisse. Die jungen Künstler signierten ihre Werke oft nicht einmal, so dass der Albertina Direktor von 1905 höchste Mühe mit der Zuschreibung der ihm übergebenen Blätter hatte. Da mehrere „Mitglieder“ zur Secession wechselten, andere zum „Hagenbund“, die Hagengesellschaft aber locker zerfiel, als die übrigen Beteiligten in die Jahre kamen, hat sie in der Kunstgeschichte, so weit überhaupt wahr genommen, nur den Charakter einer Vorläuferorganisation bekommen.

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Jenseits von Stil und Zwang   Was die Hagengesellschafter auszeichnet, war ihre fröhliche Bindungslosigkeit. Sie mussten nicht „im Stil“ arbeiten, weder in dem klassisch-akademischen, noch in dem von der Secession so meisterlich vorgegebenen. Sie konnten zeichnen und aquarellieren, was und  wie  sie wollten, und das meiste zeigt gute Laune – die Porträts der Kollegen, die zahlreichen Karikaturen (etwa das Ironisieren der „heiligen Kunst“), die Grotesken und Alltagstypen, die Phantasien, die hier ausgelebt wurden. Die Ausstellung bietet vieles davon, aber wenn man die Künstlernamen sieht, so kennt man die meisten nicht. Selten, dass Darsteller und Dargestellter auch in der Nachwelt so berühmt sind wie Alfred Roller, der mit seinem bekannten Strich mit Tinte auf Papier  den Kollegen Josef Engelhart als zigarettenrauchender Dandy zeichnete…

Die Wiener Boheme     Es war Ludwig Hevesi (1843-1910), der Kunstkritik-Papst seiner Zeit, der die Gruppe als „Wiener Boheme“ bezeichnete. Albertina Direktor Josef Meder hatte den Künstlern noch im Jahr der Schenkung eine erste Ausstellung gewidmet. Für den heutigen Besucher der aktuellen  Ausstellung offenbaren sich viele Talente – aber keine sensationellen Entdeckungen, niemand aus der allerersten Reihe, den man übersehen hätte. Es gibt eben mehr (auch gute, sehr gute) Künstler, als der Kunstmarkt  und die Aufmerksamkeit des Publikums wahrnehmen kann. Darum ist diese Albertina-Ausstellung auch als Akt der Gerechtigkeit so wichtig. Zumindest im Anhang des Katalogs hat man versucht, alle, die an der Hagengesellschaft beteiligt waren, auch aufzuführen und zu identifizieren.

Albertina / Tietze Galerie:
Die Wiener Bohème –
Werke der Hagengesellschaft
Vom 25. Juli 2025 bis 12. Oktober 2025,
täglich 10 bis 18 Uhr,
Mittwoch und Freitag 10 bis 21 Uhr,

 

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