Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIEN / Albertina: DIE FRÜHE RADIERUNG. VON DÜRER BIS BRUEGEL

12.02.2020 | Ausstellungen, KRITIKEN


Fotos: Wesemann

WIEN / Albertina / Tietze Galleries:
DIE FRÜHE RADIERUNG.
VON DÜRER BIS BRUEGEL
Vom 12. Februar 2020 bis zum 10. Mai 2020

Zurück zu den Wurzeln

Man erinnert sich: Bevor Klaus Albrecht Schröder 1999 die Albertina übernahm, galt das Haus „nur“ (immerhin!) als die „größte graphische Sammlung der Welt“. Schröder machte daraus ein Museum mit Beständen aller Kunstgattungen, das sich auch in Ausstellungen keine thematischen Grenzen setzte (und nun auch noch als „Albertina modern“ permanent in das Künstlerhaus expandieren wird). Dennoch ist ein nostalgischer Blick in die Vergangenheit so schön, wie er nur sein kann – ins 16. Jahrhundert, in die Welt der frühen Radierung.

Von Renate Wagner

Schröder und Hollein, die Österreich-Connection    Wenn Max Hollein, Sohn des großen Hans Hollein, in der Museumswelt eine gloriose Karriere gemacht hat (seine Leistungen in Frankfurt gelten zurecht als spektakulär), dann ist es keine Wunder, wenn der Österreicher am Ende im Metropolitan Museum in New York gelandet ist, also an der absoluten Spitze. Dort besitzt er – neben unglaublichen Schätzen aus aller Welt – auch (laut Wikipedia) mit „einem Bestand von etwa 15.000 Zeichnungen und 1,5 Millionen Drucken“ immerhin „eines der größten Kupferstichkabinette der Welt“. Aber man weiß auch: Will man eine Sonderausstellung zu einem bestimmten Thema machen, wie es die Anfänge der Radierung ist, dann wendet man sich an den europäischen Fachmann, die Albertina. Das Ergebnis: eine Ausstellung, die von Oktober 2019 bis Jänner 2020 in New York zu sehen war (dort als „The Renaissance of Etching“ – Wien verkauft auch den englischen Katalog des Metropolitan Museums) und jetzt in der Albertina angekommen ist – an die hundert Werke. „Rund 80 Prozent davon aus der eigenen Sammlung“, wie Direktor Klaus Albrecht Schröder bei der Presseführung sagte. (Bei einem Bestand von 950.000 allein an Radierungen, konnte man aus dem Vollen schöpfen…)

Die Radierung     Es mag verwundern, in der Ausstellung einen Helm (genauer: eine vergoldete, mit reichen Mustern ziselierte Sturmhaube) und ein Rosstirn (einen silbrigen Schutz für einen Pferdekopf, gleichfalls mit Ornamenten und hier auch mit einem Bild geschmückt) zu sehen (Die Hofjagd- und Rüstkammer des Kunsthistorischen Museums hat geliehen). Denn die Kunst, mit der man im 15. Jahrhundert in Augsburg Waffen und Rüstungen nicht nur herstellte, sondern auch dekorierte, gilt als Basis für die Erfindung der Radierung. Jene Säuren, die man für die Ätzung einsetzte, kamen auch bei den erst Eisen-, später Kupferplatten zum Tragen, wo Künstler mittels Griffeln in eine Wachsschicht zeichneten. Die durch chemische Nachbereitung gewonnenen Linien ließen sich im Druck einsetzen.

Druck bedeutet Vervielfältigung   Mitte des 15. Jahrhunderts war der Buchdruck erfunden worden, der nicht nur nach Text, sondern auch Bildern verlangt. Bis zur Erfindung der Radierung als dem am einfachsten zu handhabenden Medium erfüllten Holzschnitt und Kupferstich (beide höchst aufwendig) diese Aufgabe. Die Radierung allerdings erst machte den Bilddruck zum „Massenmedium“, bis zu tausend Abzüge konnten ohne großen Qualitätsverlust hergestellt werden. Außerdem wandten sich die Künstler dieser neuen Form mit besonderer Experimentierfreude zu und erreichten künstlerisch unglaubliche Differenzierung, abgesehen vom Reichtum der inhaltlichen Möglichkeiten: Die Ausstellung zeigt nun, wie schnell Künstler in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts zur Meisterschaft fanden.

 

Die Deutschen haben es erfunden?   Die in Wien von Christof Metzger kuratierte Ausstellung, die sich im ersten Raum vor allem der Technik der Radierung widmet (mit Druckplatten und Chemikalien und dem Pferdeharnisch) zeigt schon im zweiten Raum die Arbeiten jenes Mannes, der 1495 als Erster eine geätzte Metallplatte auf Papier druckte: Daniel Hopfer. Und er wusste auch eine Menge mit seinem Genre anzufangen. Von ihm stammt jene ausdrucksvolle Graphik „Tod und Teufel überraschen zwei Frauen“ (aus New York), die quasi zum Signet der Ausstellung gewählt wurde und schon als Paradebeispiel der Ausdrucksmöglichkeiten gelten kann. Aber er wusste auch, was sich hundertfach drucken (und verkaufen) ließ, etwa ein Bildnis des jungen Karl V. oder eine schöne Madonna mit Kind… Bei den Deutschen waren es dann Albrecht Dürer, der schnell auch diese neue Technik übernahm, und Albrecht Altdorfer, der bemerkenswerte Landschaften schuf.

Die Radierung erobert Europa       Vielleicht war es der Aufenthalt des hoch geschätzten Albrecht Dürer in ihrem Land, der die Niederländer dazu brachte, sich mit der Radierung auseinander zu setzen. Die Ausstellung zeigt außerdem Beispiele der Italiener (mit Parmigianino als Meister), der Franzosen (ungemein originell die Körperstudien von Juste de Juste), der Niederländer (Lucas van Leyden, der auch Kaiser Maximilian porträtierte), wobei durchaus stilistische Unterschiede festzustellen sind. Es gibt Meisterwerke, die wirken nicht wie ein Druck, sondern (dazu musste wahrscheinlich auch der Drucker ein Künstler sein!) wie eine feine Bleistiftzeichnung…

Der Reichtum der Themen     Es ist alles da in dieser Ausstellung – Dokumente der damaligen Gegenwart, etwa das Porträt eines Berber-Königs, der im Tunis-Feldzug von Karl V. eine Rolle spielte, bis zu Eislauf-Freuden, wie sie damals in der Stadt Mecheln gepflogen wurden (Pieter van der Borcht, 1559). Die Themen reichen von Allegorien über die Illustration von „Sprichwörtern“ (damals sehr beliebt), von biblischen Helden bis zur Geschichte des Neuen Testaments. Landschaften, römische Ruinen (damit befriedigte man eine starke Nachfrage), und eine Darstellung eines „Fußturniers“ (Hans Lautensack, 1561) zeigt, wie weit die Gebäude der Wiener Hofburg damals gediehen waenr… Das Bild einer „Spanierin“ (Jan Cornelius Vermeyen, 1545), macht klar, wie die damalige Kleidung dieser Damen (samt der offenbar besonderen Plateau-Schuhen) aussah… Und Pieter Bruegels „Hasenjagd“ passt zu seinen Genregemälden im Wiener Kunsthistorischen Museum…

Kunst- und Kulturgeschichte trugen zur Blüte der Radierung bei, künstlerische Ambitionen und praktische Gesichtspunkte (man erstellte ja auch Landkarten und die gefragten Städteporträts) vermischten sich, um diese spezielle Kunst der Graphik in ihren Möglichkeiten auszuschreiten.

WIEN / Albertina / Tietze Galleries:
DIE FRÜHE RADIERUNG.
VON DÜRER BIS BRUEGEL
Bis zum 10. Mai 2020,
täglich von 10 bis 18 Uhr, Mittwoch und Freitag bis 21 Uhr

 

Diese Seite drucken