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WIEN / Albertina: CLAUDE MONET

19.09.2018 | Ausstellungen, KRITIKEN

WIEN / Albertina / Propter Homines Halle:
CLAUDE MONET
Die Welt im Fluss
Vom 21. September 2018 bis zum 6. Jänner 2019

Von der Impression zur Abstraktion

Die Albertina ist blau geworden: Auf blauen Läufern führt der Weg in den ersten Stock, in die Propter Homines Halle, zur ersten umfassenden Claude Monet-Ausstellung, die es seit 20 Jahren in Österreich gibt: Hundert Ölgemälde in jenen aufwendigen Goldrahmen, die die Impressionisten selbst nicht wollten und nicht verhindern konnten. In den Räumen selbst sind die Böden gleichfalls mit blauen Teppichen ausgelegt, runde Sitzinseln steigern die Eleganz, pastellfarbene Wände bringen Monets Farbenpracht zur ultimativen Geltung. Die Albertina erwartet dank der immensen Popularität des Künstlers einen Zuschauerrekord.

Von Heiner Wesemann

Die Albertina und der Impressionismus Klaus Albrecht Schröder, der Kunsthistoriker, der sich selbst einen passionierten Historiker nennt, liebt die Aufarbeitung von Themen. Der Französische Impressionismus steht schon länger (mit entsprechendem wissenschaftlichem Background bearbeitet) am Programm des Hauses: 2009 zeigte man „Impressionismus. Wie das Licht auf die Leinwand kam“ über Vorläufer und die Entwicklung zu diesem Stil hin, dessen Name auf Spottbezeichnungen beruhte (diese Bilder seien nichts als „Impression“, hieß es verächtlich). 2012 hat man dann Pastelle, Aquarelle und Zeichnungen des Impressionismus gezeigt (in der internationalen Beachtung ein besonderer Erfolg). Und nun ist man bei Claude Monet, dem Großmeister, angelangt.

Claude Monet Geboren 1840 in Paris, aufgewachsen in Le Havre, dauerte es bis zu seinem 50. Lebensjahr, bis Monet wirklich berühmt war, danach allerdings mutierte er schon zu Lebzeiten zu einer Ikone der französischen Kunst. In seiner Frühzeit von Eugene Boudin gefördert, hatte er oft Schwierigkeiten mit der konventionellen Welt der Pariser „Salons“. Mit seiner Lebensgefährtin Camille Doncieux (Mutter seiner Kinder, verstorben 1879) wechselte er aufgrund finanzieller Schwierigkeiten oft den Wohnort. Vor dem Deutsch-Französischen Krieg 1870 flüchtete er mit seiner Familie nach England, wo der Kunsthändler Paul Durand-Ruel für ihn wichtig wurde. Nach der Rückkehr lebte er längere Zeit in Argenteuil, später in Vetheuil. Mitte der siebziger Jahre gaben seine ungewöhnlichen Paris-Bilder dem Impressionismus den Namen. Von da an stieg seine Anerkennung sukzessiv. Sein unruhiges Vazieren fand 1890 ein Ende, als er in Giverny ein Haus mit Garten herum erwarb, wo er bis zu seinem Lebensende lebte (von Reisen, immer wieder auch nach England, abgesehen). Er starb 1926 im Alter von 86 Jahren. Giverny hat er dem französischen Staat vermacht, und bis heute verströmen das Haus (als Museum in seinem ursprünglichen Zustand erhalten) und vor allem der Garten mit Blumen, japanischer Brücke und Seerosenteich ungeachtet der unvorstellbaren Touristen-Massen ihren Zauber.

Die Erkenntnisse der Chronologie Berühmtheit heftet sich an spektakuläre Einzelheiten. Monet, das ist der Seerosenteich, der Heuschober, die Fassade der Kathedrale von Rouen, das Londoner Parlament und im übrigen die Natur, lichtdurchflutet, farbengetränkt. Ziel von Großausstellungen ist es, den Blick zu weiten. Wobei die Wiener Zusammenstellung (Kurator: Dr. Heinz Widauer) schon im ersten Saal „zur Sache“ kommt. Ein Frühwerk, eine Straße von Honfleur (1866) zeigt Monet noch bei der obligaten Städteansicht, aber der „Quai du Louvre“, mehr noch der „Boulevard des Capucines“ in Paris spotteten nicht nur jeder konventionellen Betrachtungsweise, sondern warfen wirklich nur den „Blick des Augenblicks“ auf eine Szene, achtete nicht auf Details, sondern einzig auf Stimmung.

Die Welt im Fluss „Die Welt im Fluss“ ist ein doppelsinniger Untertitel für die Ausstellung, denn das Wasser spielt eine übergroße Rolle in der gewählten Auswahl der Bilder, wobei Schiffe, Segelboote und sein eigenes „Atelierboot“ ihm zum zusätzlichen Sujet zu Wellen und Spiegelungen wurde. Auch der Meeresstrand mit seinen oft abenteuerlichen Formationen faszinierte ihn. Zahlreich sind – die Natur war sein Thema – die Ortschaften, Stadtansichten, Landschaften, Bäume, Blumen, wie sie dann in seiner Zeit in Vetheuil entstanden.

Einiges an Ikonen und Vergleichen Es gibt Sujets, die sind „Monet pur“, und die Ausstellung hat einige Pappeln zu bieten, nur zweimal die Fassade der Kathedrale von Rouen, nur einen Getreideschober (und nicht den besten). Was man durch Vergleich erreichen kann, zeigt sich an drei nebeneinander gehängten Ansichten des Londoner Parlaments, das Monet – wie so vieles – unermüdlich in immer anderen Lichtstimmungen gemalt hat. Das dritte der Gemälde wäre ohne die beiden anderen daneben als „Sujet“ nicht mehr zu erkennen, so sehr verschwimmt dem Künstler bei seinem Lichtspielen die Leinwand bis ins Abstrakte.

An Menschen nur am Rande interessiert Wenn am Beginn der Ausstellung zwei Porträts stehen, von Monet und seiner Gattin, so stammen diese nicht von dem Künstler selbst, sondern von Auguste Renoir, der die beiden gemalt hat. Ganz klar wird bei den hundert Bildern dieser Ausstellung, dass sich Monet nur ganz am Rande für Menschen interessierte. Ein Kopf seines kleinen Sohnes und ein Bildnis des Fischers Poly sind die einzigen klassischen Porträts hier (das Belvedere hat den „Koch“ nicht geliehen, wohl aber die „Allee in Giverny“), im übrigen sieht man schon immer wieder die Gattin, aber im Grunde sind Menschen für ihn nur Staffage: Wenn er Frau und Kleinkind im Garten malt, fragt man sich, ob die Blumen im Hintergrund ihm nicht wichtiger waren. Und wenn die Gattin mit rotem Kopftuch ins Bild kommt, steht sie im Hintergrund, hinter einer Glastüre. Das passt zu seiner „ahistorischen“ Haltung, die Klaus Albrecht Schröder festhielt: Monet, ein Mann, der weder sein Leben noch seine Zeit malte, sondern die Natur, und der seine Kunst den Farben und dem Licht und damit letztendlich der Form widmete.

Wenn die Welt diffus verrinnt Monet hatte in seinen letzten Lebensjahrzehnten mit einem Augenleiden zu kämpfen. Dass er nicht mehr klar sah, hat er genial in seinen Bildern umgesetzt. Den Reichtum seines Gartens in Giverny zu malen, wurde er nicht müde, in allen Variationen – und vieles in diesem Spätwerk verschimmert dermaßen in die Abstraktion, dass der Impressionismus sich schon in eine Moderne transzendierte, die weit über die einstige, damals „empörende“ Modernität des Impressionismus hinausging. So ist die Monet-Ausstellung in ihrer chronologischen Entwicklung auch ein Spaziergang durch die Kunstgeschichte.

Albertina: „Claude Monet. Die Welt im Fluss“.
Vom 21. September 2018 bis zum 6. Jänner 2019
Achtung: verlängerte Öffnungszeiten, ab 9 Uhr früh,
täglich bis 18 Uhr, Mittwoch und Freitag bis 21 Uhr

 

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