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WIEN / Albertina: BOSCH BRUEGEL RUBENS REMBRANDT

17.03.2013 | Allgemein, Ausstellungen

WIEN / Albertina:
BOSCH BRUEGEL RUBENS REMBRANDT
Meisterwerke der Albertina
Vom 14. März 2013 bis zum 30. Juni 2013

Das Große im Kleinen

Natürlich sind Gemälde spektakulärer – größer, bunter, schneller wirkend und den Blick des Betrachters einfangend. Und in der Ära von Klaus Albrecht Schröder (dessen Vertrag kürzlich bis 2019 verlängert wurde) hat man genügend Großausstellungen mit großartigen Bildern gesehen. Zu seinem privaten Jubiläum allerdings – zehn Jahre Direktion, beachtliche hundert Ausstellungen in diesem Zeitraum – erinnert er sich an jene „Albertina“, die er einst übernommen hat: die größte Graphische Sammlung der Welt. Ihr huldigt man nun mit Meisterblättern niederländischer Künstler. Und wendet den Blick vom spektakulären „Großen“ hinüber zum unspektakulären, aber umso kostbareren „Kleinen“…

Von Heiner Wesemann

Herzog Albert Albert von Sachsen-Teschen hätte als ein jüngerer Sohn der großen sächsischen Wettiner Familie keine besonderen Aussichten im Leben gehabt. Doch er verliebte sich in eine Tochter Maria Theresias, und da diese der Liebling der Mutter war, durfte sie diese dynastisch wertlose Ehe eingehen. Sie wurde die einzige von vielen Töchtern, die in ihrem Leben glücklich war, und Albert hat seine Jahre (1780 bis 1792) als Generalgouverneur des österreichischen Teils der Niederlande genützt, um seiner Liebe zur Kunst zu frönen: Damals begann er, Graphiken aller Art (Zeichnungen, Kupferstiche, Holzschnitte) zu sammeln. In seinem Palais, das heute noch als „Albertina“ seine Schätze beinhaltet, hat er Zeichnungen und Druckgraphik zusammengetragen, insgesamt weit über eine Million Blätter, davon viele von den größten Namen der Kunstgeschichte. Wenn die gegenwärtige Jubiläumsausstellung 170 Werke zeigt, dann handelt es sich – in Verbeugung vor dem Gründer – ausschließlich um solche, die der Gründer selbst erworben hat.


Jacob de Gheyn II., Baumreiche Landschaft mit Lanzenträger und bellendem Hund

Gang durch die Jahrhunderte Die Wände der Basteihalle sind in intensivem Rot, Blau und Grün gehalten, und die zarten Werke, die man locker gehängt oder in Vitrinen dargeboten findet, vertragen das sehr gut. Die Wandtexte machen den Besuch der Ausstellung zum kunstgeschichtlichen Nachhilfeunterricht: Kein Laie kann auch nur annähernd so viel wissen, wie Kurator Christof Metzger hier kundtut. Man erfährt die Entwicklungen vom frühen 15. Jahrhundert, wo die Zeichenkunst ihre Eigenständigkeit entfaltete, bis Ende des 17. Jahrhunderts, wo sie mit Rembrandt einen singulären künstlerischen Höhepunkt erreicht hat. All dies im Zusammenhang mit der historischen Entwicklung, dem religiösen Hintergrund (der protestantische Norden, der katholische Süden), die territorialen Zusammenhänge (ob es um den Einfluß der Italiener geht oder um jenen des Hofes von Kaiser Rudolf II.) Ob Jan van Eyck oder Dirk Bouts, ob Jan Gossaert, Marten van Heemskerck oder Hendrick Goltzius, ob Anton van Dyck oder Jacob Jordaens, Aelbert Cuyp oder Roeland Savery, wer nennt die Namen – auch jenseits der vier großen Namen, mit denen der Titel lockt, wird die Qualität und Vielfalt der Zeichenkunst präsentiert. In Bibelszene oder Mythologie, in Porträt oder Landschaft, Tierbild oder Blumenstillleben, höfische oder bäuerliche Szenen oder „Sittenbild“, Städteansicht oder Seestück, Karikatur oder Allegorie…


Hieronymus Bosch, Der Baummensch

Die vier Großen: Hieronymus Bosch (ca. 1450-1516) Bis heute wirkt Bosch inhaltlich als modernster unter seinen Zeitgenossen (und Nachfolgern), ein Künstler, der nicht nur satirisch auf seine Umwelt einging, sondern tiefenpsychologisch Ängste hervorholte und abbildete („Der Baummensch“ stellt hier zweifellos einen Höhepunkt dar). In seinen Zeichnungen werden Alpträume lebendig, abgesehen von der technischen Meisterschaft, die etwa ein Blatt mit 31 Musterfiguren von Bettlern in jeder Haltung verrät.


Pieter Bruegel d. Ä., Die großen Fische fressen die kleinen

Die vier Großen: Pieter Bruegel der Ältere (ca. 1525-1569) Ganz in die Nähe von Bosch findet sich Bruegel nicht nur gerückt, weil man den beiden gemeinsam einen Raum zugewiesen hat. Ein Blatt wie „Die großen Fische fressen die kleinen“ ist grotesk genug, um dieselbe Weltsicht wie Bosch zu offenbaren, ohne allerdings im Extrem so weit zu gehen, und Beispiele seiner „Bauern“-Motive weisen in andere Geisteswelten. Bruegels „Sieben Todsünden“ stellen einen Schwerpunkt besonderer Art dar, da die Albertina hier den belgischen Künstler Antoine Roegiers zu einer „Intervention“ einlud, die überaus gelungen ausgefallen ist – er hat die Figuren der Vorlage nachgezeichnet und in einem Animationsfilm „verlebendigt“: Man kann viel Zeit damit verbringen, sich anzusehen, wie Bruegels Charaktere plötzlich zu tanzen scheinen. Darüber hinaus hat Roegiers die Vorlage von sieben Blättern noch zu einem Großbild, „Landschaft der Sieben Todsünden“ genannt, zusammen gefasst. Es mag modernistisch anmuten, wenn aktuelle Ausstellungen alter Werke meinen, nicht ohne die „Kommentare von heute“ auskommen zu können. Doch entscheidend ist einzig, ob der Umgang mit der Vergangenheit gelingt.


Peter Paul Rubens, Nikolaus Rubens mit Korallenschnur

Die vier Großen: Peter Paul Rubens (1577–1640) Neben dem „Hasen“ von Dürer ist der Kopf von Rubens’ kleinem Sohn Nikolaus (mit einer Korallenkette um den Hals) eines der berühmtesten Blätter der Albertina, immer wieder abgebildet, wenn es gilt, die „Höhepunkte“ der Sammlung darzustellen. Darüber hinaus hat Herzog Albert auch andere Porträtskizzen von Rubens gekauft, Nikolaus etwas älter mit roter Filmkappe, die Tochter Clara Serena, die Schwägerin Susanna Fourment, die so zweifelnd in die Welt sieht, oder Gattin Helene Fourment als Halbfigur in prachtvollem Gewand. Aber auch Federzeichnungen etwa zu Bibelthemen, die die Bewegtheit seiner großen Gemälde widerspiegeln, zeigen den Zauber Rubensscher Zeichenkunst – ebenso wie an sich so trivial scheinende Themata wie Pferd und Ochse…


Rembrandt Harmensz. van Rijn, Ein Elefant

Die vier Großen: Rembrandt (1606-1669) Er ist, wie jeder große Künstler, unverwechselbar, sein Strich, seine „Lichtregie“ sind unerreicht, ob er einen Quacksalber zeichnete oder einen Elefanten (auch dieser zählt zu den berühmtesten Werken des Hauses). Viele der Federzeichnungen bestechen auch durch die Kunst des Weglassens, wenn Rembrandt instinktiv wusste, dass ein paar Striche weniger mehr sind…

Versenken ins Detail Es ist eine Ausstellung, die Besucher, die vordergründige Reize suchen, langweilig erscheinen mag. Wer sich auf die Suche nach Details begibt, wird sich allerdings nicht sattsehen können. Vieles ist von kunstvoller Aufwendigkeit, anderes von raffinierter Einfachheit. Der Einfallsreichtum der Künstler kennt keine Grenzen.

Albertina, Basteihalle.
Bis 30.Juni 2013, täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch bis 21 Uhr
Der umfangreiche Katalog im Hatje Cantz Verlag bildet jedes einzelne Werk ab.


 

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