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WIEN / Albertina: BASQUIAT

08.09.2022 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / Albertina / Pfeilerhalle (im Untergeschoß):
BASQUIAT
Die Retrospektive
Vom 9. September 2022 bis 8. Jänner 2023

Angst, Schmerz und Horror

34 Jahre nach seinem Tod zählt Jean-Michel Basquiat (1960-1988) im Kunsthandel zu den teuersten Namen der „vorigen Moderne“. Die Nachwelt ist von ihm genau so fasziniert wie einst die Mitwelt – von einer schillernden Persönlichkeit, einem ungewöhnlichen Leben und einer Kunst, die den Betrachter geradezu anspringt. Die Albertina zeigt nun eine große Retrospektive von Basquiats Werken, die den einst umstrittenen Künstler neu zur Diskussion stellt und ihn heute, in einer Zeit erhöhter Sensibilität zum Thema Rassismus, aktueller scheinen lässt als je.

Von Renate Wagner

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Jean-Michel Basquiat      Er war nicht der „Wilde“, als den man ihn medial gerne verkauft hätte, im Gegenteil. Jean-Michel Basquiat, geboren am 22. Dezember 1960 in Brooklyn, New York, als Sohn eines eingewanderten Hawaianers und einer aus Puerto Rico stammenden Mutter, afrikanische Wurzeln inklusive, lebte in einer kulturaffinen Umgebung. Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder erklärte bei der Pressekonferenz, dass der gebildete Junge in den USA seiner Zeit Schwarze zwar als Sportstars und große Namen in der Jazz-Musik erlebte, nicht aber in der bildenden Kunst. Hoch begabt als Zeichner und dies geradezu manisch betreibend, beschloß er, der erste schwarze Künstler und überdies reich und berühmt zu werden. Beides ist ihm gelungen.

Er begann damit, die Wände von New Yorks Straßen meist mit Texten zu bemalen, die auffielen, und machte dann rasend schnell seinen Weg in die Kunstszene, die in den achtziger Jahren geradezu brodelte und dauernd nach neuen Gesichtern verlangte. Julian Schnabel, der 1996 einen biographischen Film über den einstigen Künstlerkollegen drehte, zeigt darin auf, wie schnell Basquiat zur Sensation wurde – auch „gemacht“ von einer Clique von Galeristen und Kunsthändlern, die das große Geschäft witterten, indem sie den Zeichner ins Malen peitschten und ihm ein Werk nach dem anderen abverlangten – viele schon verkauft, bevor er sie noch begonnen hatte. Eine wichtige Episode in Basquiats Leben waren auch Jahre, die er im engsten Kreis um Andy Warhol verbrachte. Ob der frühe Tod des 27jährigen an 12. August 1988 durch eine Überdosis Heroin ein Unfall oder Selbstmord war, wird sich nie einwandfrei feststellen lassen.

Die Einschätzung   Dass Jean-Michel Basquiat „schwarz“ war, hat ihn natürlich immer wieder allen Demütigungen des Rassismus ausgesetzt, aber es war auch seine  Stärke. Es gab ihm damals einen einzigartigen Status, auf den die Medien (und der Kunsthandel und das Publikum) geradezu ansprangen, und es gab ihm seine Themenwelt, die er unikat ausführte. Was er selbst an Diskriminierung erlebte, es wurde ihm zu Zeichnungen und Gemälden zu Zeugnissen seines Schmerzes und seiner Verletzungen, seiner Wut und seine Zwangsvorstellungen von vehement anklagender Wirkung.

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Was die Einschätzung seines Werkes und seiner Person betrifft, so blieb sie zwiespältig. Konservative New Yorker Kritiker seiner Zeit (natürlich alles hässliche, alte weiße Männer) erklärten sein Schaffen für „Trash“, mit dem sie sich gar nicht auseinander setzen wollten, und ihn selbst als künstlich hochgehyptes Phänomen. Basquiat-Kenner Dieter Buchhart, der zusammen mit Antonia Hoerschelmann die Albertina-Ausstellung kuratierte, verstieg sich bei der Pressekonferenz hingegen zu der Aussage, Basquiat zähle heute zu den wichtigsten Künstlern der gesamten Kunstgeschichte. Da muss jeder Besucher der Ausstellung seinen eigenen Weg zum eigenen Urteil, zur Gewichtung des Werks, finden. Es wird erleichtert durch die Fülle des Gebotenen – zwar „nur“ rund 50 Werke, aber meist großformatige Malereien, dazu Zeichnungen, und die Möglichkeit, das Gebotene von vielen verschiedenen Seiten her zu betrachten.

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Die ganze Welt als Inspiration     Was an Basquiats Bildern vordringlich auffällt, ist das Persönliche, als erzählte er immer von sich selbst, und dabei vordringlich von Ängsten und Bedrohungen. Es gibt keinen Lichtblick in seiner Welt von „Skulls“, vielfach Totenköpfe, wie sie die karibische Tradition kennt, und seinen schaurigen Szenen, die man sich im Detail selbst aufschlüsseln muss. Aus seinen „Graffiti“-Zeiten hat er die Schrift als wichtiges Element mitgebracht, dazu kommt eine Grundhaltung der Naivität wie aus der Kinderzeichnung (aber eher noch der Art brut verwandt, wie wir sie ja auch bei uns kennen). Inspirationen aus Alltagsszenen oder der Kunst verarbeiten sich – wenn er dem Betrachter nicht Horror-Köpfe entgegen schickt – in verwirrender Fülle. „Wo bin ich?“ hat er auf Deutsch einem Bild als Motto gegeben. Tatsächlich – man muss sich zurecht finden.

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Selbstbildnis    Die Albertina hat die Werke von überall her zusammen getragen, auch von privaten Sammlern. Nicht gänzlich chronologisch gehängt, spürt man doch von farblich helleren Anfängen eine zunehmende Verdüsterung des Weltbilds und des Werks. Basquiats „Selbstbildnis“ von 1983 zählt zurecht zu seinen berühmtesten Werken – denn dass der schwarze Mann überhaupt kein Gesicht hat, nur weiße Augen, die daraus hervorsehen, und die wegstehenden Dreadlocks, die ihn kennzeichnen, mag als Antwort auf all die bedrohlichen Gesichter gelten, mit denen er sich sonst konfrontierte sah und die er auf die Leinwand gebannt hat.

WIEN / Albertina / Pfeilerhalle (im Untergeschoß):
BASQUIAT
Die Retrospektive
Vom 9. September 2022 bis 8. Jänner 2023
Täglich von 10 bis 18 Uhr,
Mittwoch und Freitag bis 20 Uhr

Die Ausstellung bietet auch einen exzellenten viertelstündigen biographischen Film über Basquiat

 

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