Foto_Sabine_Hauswirth
WIEN / Akzent:
BIOGRAFIE: EIN SPIEL von Max Frisch
Eine Produktion des Wald4tler Hoftheaters
Wien-Premiere: 9. November 2022
Das Wald4tler Hoftheater hat einen guten Ruf und für die Wiener einen Nachteil: Es ist sehr weit „draußen“. Jeder Besuch ist mit einer Nachtfahrt oder einer Übernachtung verbunden. So ist man froh, wenn man sich den Aufwand sparen kann, weil eine Produktion in Wien gastiert. Gezeigt wird „Biografie: Ein Spiel“ von Max Frisch im Akzent, logistisch keine allzu schwere Übung – ein paar rote Sofas, fünf Darsteller und ein Stück, das seit 1984 (damals legte Frisch die nun überall gespielte Zweitfassung des Werks vor, das schon 1967 in Zürich uraufgeführt wurde) eigentlich kaum von seinem Reiz verloren hat.
Wenn man etwas anders machen könnte… Wenn man eine zweite Chance bekäme… Mit dem Wissen, wie es gelaufen ist, alles würde man besser, klüger, nachhaltiger anstellen. Wirklich? Max Frisch bezweifelt es, aber immerhin lässt er es den Verhaltensforscher (ausgerechnet!) Hannes Kürmann versuchen. In einer gänzlich irrealen Form, die einfach möglich wird, weil das Theater sie behauptet. Ein Spielleiter überwacht die Möglichkeit des Probanden, sein Verhalten in spielerischen Variationen zu ändern. (Heute würde man das eine „Familienaufstellung“ nennen, damals vor 40 und mehr Jahren gab es den Begriff noch nicht.)
Kürmann will vor allem eines: Er will nicht noch einmal Antoinette Stein heiraten, die ihn einst in einer tiefen Nacht vor sieben Jahren verführt hat. Also darf er es nicht so weit kommen lassen, wenn er die Szene noch einmal spielt. Und noch einmal. Und noch einmal. Kurz gesagt – er schafft es nicht. Auch andere Szenen seines Lebens kann er nur in Verhaltensdetails, aber nicht grundlegend ändern…
Max Frisch selbst nannte das Stück eine „Komödie“, obwohl es eigentlich bitter-traurig ist, Bilanz-Ziehen ohne Erlösung. Aber Regisseur Hakon Hirzenberger glaubte an den Humor – immerhin hat der Spielleiter (Alexander Braunshör) zwei Assistenten, die alle Rollen spielen, und da dürfen Lisa Lena Tritscher und Thomas Frank (im Ensemble der unglückseligen Anna Badora am Volkstheater war er einer der besten) ganz schön loslegen und blödeln. Vielleicht manchmal eine Spur zu sehr.
Auch das zentrale Paar nimmt sich nicht ganz ernst: Manuel Witting in komischer Verzweiflung angesichts des unlösbaren Rätsels Frau und Runa Schymanski als die Sphinx, die weiß, was sie will und es auch durchsetzt. Das tief gestörte Verhältnis des Autors zu Frauen wird als Nebeneffekt des Abends kenntlich.
Fazit: Männer können nicht aus ihrer Haut heraus – Frauen schon? Jedenfalls bekommt man reichlich zum Nachdenken mit auf den Weg. Die Wiener Premiere, bei der sich auch das Leading Team verbeugte, erntete im gut gefüllten Akzent stürmischen Beifall.
Renate Wagner