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WIEN / Akademietheater: RICHARD III.

Endspiel im Horrorkeller

26.11.2025 | KRITIKEN, Theater

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(Fotos: c) Tommy Hetzel.

WIEN / Akademietheater des Burgtheaters: 
RICHARD III. von William Shakespeare
In der Übersetzung von Thomas Brasch
Bühnenfassung von Thomas Jonigk
Premiere: 21. November 2025,
besucht wurde die zweite Vorstellung am 25. November 2025 

Endspiel im Horrorkeller  

Also, um das einmal klar zu stellen: An sich ist „Richard III.“ ein Königsdrama von William Shakespeare. Eine historische Haupt- und Staatsaktion, angesiedelte in der englischen Geschichte rund um die berühmten „Rosenkriege“. An Richard von Gloucester, der als Richard III. der denkbar schlechteste König wurde, kann man alle Variationen von hemmungsloser, skrupelloser  Machtgier bis schrankenlosem, zynischem Machtmißbrauch durchspielen, aber auch das Verhalten der Menschen, die sich einer absoluten Macht gegenüber sehen und entweder davon profitieren oder, sich duckend, hier einfach nur überleben wollen.

Dass es auch ein Psychodrama um Psychoterror ist, hat der Film mit Ian McKellen (1995) klar gemacht, der die Handlung in ein faschistisches Terrorregime versetzte, während vierzig Jahre davor die geniale Version von Laurence Olivier einfach die sadistische Lust am Bösen ausspielte.

Es gibt viele Möglichkeiten, sich mit diesem Stück auseinander zu setzen, und vielleicht ist auch die Fassung, die Thomas Jonigk nach der Übersetzung von Thomas Brasch für Regisseur Wolfgang Menardi schuf, eine „zeitgemäße“ solche. Schon das Bühnenbild des Regisseurs versetzt das Geschehen in eine irreale, klaustrophobische Welt, eine Art gekachelter Horrorkeller, wo Richard von fünf Damen in Unterwäsche umgeben ist, die sich gelegentlich ein ironisch historisierendes Kostüm überstülpen (Kostüme: Katrin Aschendorf).

Selbst wenn jede von ihnen  mehrere Rollen spielt, ist klar – wenn man ein Stück mit 50 Figuren dermaßen eindampft, wird für ein Publikum, das die Geschichte  nicht  wirklich gut kennt, manche Verständnislücke aufklaffen. Aber um die Handlung scheint es Dramaturgie und Regie  nicht wirklich zu gehen, sondern weit eher um eine gewissermaßen absurde Endzeitstimmung, in der das Böse geschieht und sich am Ende selbst vernichtet.

Wollte man das Geschehen fasslich erzählen, wäre man optisch und akustisch dem Publikum gegenüber nicht deramaßen rücksichtslos. Auf der zugerümpelten Bühne, die nie einen erkennbaren Schauplatz ergibt, wenn sie sich auch dauernd verwandelt, herrscht meist Zwielicht, abgesehen von Lichteffekten, die ebenso zum ausufernden (und zugegeben gut gemachten) „Stil“ des Abends zählen wie die Sprache, die teils geflüstert, teil in Mezzavoce gemurmelt, teils aus dem Mikro skandiert oder auch gebrüllt wird, wobei die fünf Damen sich gelegentlich auch als ein gackerndes, schnatterndes Frauenquintett gerieren. Wo es auf den Sinn nicht ankommt, kann man bekanntlich alles machen. Auch Chaos erzeugen und sich mit dem Stil spielen.

Nur ganz, ganz selten entschließt sich der Regisseur, eine Szene wirklich und gewissermaßen ehrlich auszuarbeiten wie jene, in der Buckingham Richard dem Volk als König quasi  „verkauft“, um bald darauf zu merken, dass er selbst zweifellos das nächste Opfer des Monsters sein wird… Hätte man davon mehr gesehen, wäre man vielleicht gelegentlich dem Stück begegnet, aber es wurden ja auch absichtsvoll alle „großen“ Theaterszenen (vom „Winter meines Mißvergnügens“ bis „Ein Pferd“) geradezu absichtsvoll weggespielt.

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Nicholas Ofczarek ist Richard (und wenigstens verliert er die Figur nicht ganz wie einst den Danton in der unseligen Inszenierung). Mit einem Umfang, mit dem er sich auf einen Sumo-Ringer zuarbeitet, hält er stolz seinen nackten Bauch ins Publikum und grinst gelegentlich unter fettigem Haar: Hässlichkeit als Konzept für den Bösewicht. Der im übrigen zwischen Geflüster und Gebrüll immer gleich widerlich  ist. Was psychologisch in ihm vorgeht, wüsste man allerdings nicht zu sagen.

Bei den Damen sind Dörte Lyssewski in den Szenen von Buckingham und Sarah Viktoria Frick als Königin, deren Kinder Richard ermorden lässt, am überzeugendsten, während Katharina Lorenz die Lady Anne am Weg verliert, man begreift die Figur hier gar nicht. Sylvie Rohrer lässt am ehesten als mörderischer Tyrrell aufhorchen, Dorothee Hartinger als andere Königin, aber alle haben, wie gesagt, dauernd verkleidet so viel zu spielen, dass man sie oft gar nicht wahrnimmt (hat auch mit dem dauernden Zwielicht zu tun).

Richard III. war gewiß ein besonders grauenvoller Mensch. „Richard III.“ in dieser Aufführung des Akademietheaters ist ein besonders grauenvoller Theaterabend. Ist man solcherart Shakespeare für unsere Zeit gerecht geworden? Bei der ausverkauften zweiten Vorstellung blieben nach der Pause einige Sitze frei.

Renate Wagner

 

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