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WIEN / Akademietheater: MANHATTAN PROJECT

Hörspiel im Hamsterrad

08.11.2024 | KRITIKEN, Theater

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Fotos: Tommy Hetzel

WIEN / Akademietheater des Burgtheaters: 
MANHATTAN PROJECT von Stefano Massini
Uraufführung
Premiere: 7. November 2024 

Hörspiel im Hamsterrad

Es war die erste Premiere, die Neo-Direktor Stefan Bachmann für nun „sein“ Burgtheater inszenierte, eine Uraufführung zudem, und mit der Atombomben-Thematik eine zwar nicht ganz neue, aber doch immer wieder interessante Problematik aufwerfend. Man durfte gespannt sein. Allerdings schleppte man sich nach drei lähmenden Stunden frustriert und erkenntnisfrei aus dem Akademietheater. Hier ist nun rein gar nichts geglückt.

Das mag in erster Linie an dem Stück liegen. Der italienische Autor Stefano Massini dürfte in seiner Heimat sehr bekannt sein, bis zu uns ist er noch nicht gelangt (Stefan Bachmann hat 2015 sein Stück über den „Lehman Brothers“-Crash inszeniert. ) Seine Ideen über die Vorgeschichte der Atombombe, die dann über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurde, sind schlechterdings unzureichend. Ein geschwollener Text, der sich  literarische wichtig macht, aber jede faktische Kraft vermissen lässt und weder Menschen noch die Situation einfängt. Aus solcher Leblosigkeit lassen  sich keine theatralischen Funken schlagen, das  wäre bestenfalls für ein Hörspiel gut.

Im ersten Teil geht es um ungarische Juden, die auf der Flucht vor den Nazis in New York gelandet sind, Physiker und andere Naturwissenschaftler, die man hierzulande nicht kennt und die überhaupt kein Profil gewinnen. Wenn sie auf das Thema Atomphysik kommen, haben wohl nur die für Physik Begabten im Publikum eine minimale Chance, hier mitzukommen. Aber tatsächlich geht es dem Autor vor allem um die Entwurzelung in der Emigration – das Motiv des Koffers, der nicht ausgepackt wird, weil man hofft, ja doch bald in die Heimat zurück zu kehren, wird bis zur totalen Ermüdung ausgeschlachtet.

Im zweiten Teil tritt dann Robert Oppenheimer ins Zentrum des Geschehens, kein Emigrant, sondern der in den USA geborene Sohn eines deutschen Einwanderers, über den schon  Heinar Kipphardt 1964 ein Theaterstück geschrieben hat, der aber vermutlich  erst im Vorjahr durch den „Oppenheimer“-Film von Christopher Nolan einer breiten Öffentlichkeit ein Begriff wurde. Ihn engagierten die Amerikaner, um das „Manhattan Project“ (wo sie die von Otto Hahn und Lise Meitner erarbeitet Atomspaltung benützten) zum Bau einer Atombombe zu realisieren. Nun, wie im ersten Teil verzettelt sich das Stück in Nebensächlichkeiten – man erlebt vor allem, dass Robert offenbar schon als Kind von Rabbinern mit dem Talmud und den „Propheten“ regelrecht gequält wurde und dass sie ihm wie es scheint lebenslang (bis zur psychischen Beeinträchtigung) nicht aus dem Kopf gegangen sind. Wie er den Bau der Bombe organisierte (was im Film gut herauskam), erschöpft sich hier in ein paar Anweisungen, wie man eine Milliarde Dollar auf Locations, Menschen und Material verwenden sollte…

Und was kommt bei all dem heraus? Dass ein Prophet am Ende sinnend erklärt, was nach der Bombe übrig geblieben ist: „Asche, Asche…“ Dazu braucht man kein Stück. Vor allem nicht das mühselige und schwere Bedeutungstheater, das Stefan Bachmann daraus macht (man kann nur hoffen, dass er diesen Weg nicht weiter geht).

Man hat ja an seiner Kölner Inszenierung des „Johann Holtrop“ nach Rainald Goetz gesehen, wie versessen Bachmann auf „Stil“ ist, nur dass dieser Abend wenigstens noch etwas Temperament und Witz hatte, was dem „Manhattan Project“ total abgeht. Die Idee, in die sich der Regisseur sinnlos verliebt hat, ist das riesige Hamsterrad, das er sich von Olaf Altmann auf die leere Bühne stellen ließ und das in vier Abteilungen zerfällt – und während sich das Rad langsam bewegt, müssen die Darsteller turnend Verrenkungen aller Art vollziehen, um hier nicht herunter zu fallen. Das mag als Symbol einer permanenten Unsicherheit und als Schaueffekt gerade einmal zehn Minuten funktionieren, dann herrscht nur noch die uninteressante Öde des ewig Gleichen.

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Und da sehr viel im Halbdunkel spielt, bekommt eine Schar junger Männer, die sicherlich allesamt sehr begabt sind, keine Gelegenheit, sich zu profilieren. Auch Max Simonischek nicht, der nun auf der Bühne, der sein Vater so lange angehört hat, Ensemblemitglied sein will, um, wie er im APA-Interview sagte, die wenig herausfordernden Fernsehangebote hinter sich zu lassen. Nun, eine besondere Herausforderung ist das, was er hier als Oppenheimer zu spielen hat, auch nicht.

Im übrigen erlebt man noch, weil man es im Programm liest, Markus Meyer (der einzige Darsteller, den man sonst noch kennt) als Edward Teller (der einzige Physiker, dessen Namen man sonst noch kennt). Bei Michael Wächter, Thiemo Strutzenberger, Felix Rech, Justus Maier und Jonas Hackmann, die quasi als Kollektiv versinken,  muss man darauf warten, dass sie nicht nur Stil, sondern auch einmal Menschen spielen dürfen.

Dennoch ist anzunehmen, dass der reiche Beifall den aufopfernden Leistungen der Darsteller galt, denn weder Autor noch Regisseur haben sich hier mit Ruhm bekleckert.

Renate Wagner  

 

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