<Fotos: Marcella-Ruiz-Cruz
WIEN / Akademietheater des Burgtheaters :
HILDENSAGA. EIN KÖNIGINNENDRAMA von Ferdinand Schmalz
Premiere: 15. Dezember 2023,
besucht wurde die Voraufführung
Das „Nibelungenlied“ hat schon viele Künstler, darunter große Kaliber, dazu verführt, sich damit auseinander zu setzen. Am genialsten natürlich Richard Wagner mit seinem Verschnitt der Geschichte mit der nordischen Edda-Götterwelt im „Ring“.
Wenn nun die Nibelungenfestspiele in Worms für 2022 ein neues Stück ausgerechnet bei Ferdinand Schmalz bestellt haben, werden die Verantwortlichen schon gewusst haben, was sie tun. Vielleicht wollten sie diese Mischung aus heillosem Geblödel, von seltsamen Frauen und einem ziellosen WischiWaschi, das völlig offen lässt, was eigentlich erzählt werden sollte. Aber da das derzeitige Burgtheater eine Vorliebe für belanglose neue Stücke hat, passte auch die „Hildensaga. Ein Königinnen Drama“ in den Spielplan des Akademietheaters.
Die „Hilden“ sind keine Helden und schon gar keine Heldinnen, sondern die Brünnhilde und die Kriemhilde, die einander bekanntlich nicht grün waren. So beginnt das Stück von Ferdinand Schmalz mit der bekannten Szene (bei Wagner haben wir sie in „Lohengrin“), wo die Damen einander um den Vortritt und Vorrang angiften und sich böse Dinge sagen.
Nun hat Schmalz nicht nur beim Nibelungenlied Anleihe genommen, sondern auch bei Richard Wagner, von dem er Wotan und die Nornen kühn ins Spiel bringt. Die Nornen, die recht albern plappernde Geschöpfe sind (in dieser Aufführung ganz in Orange herumstaksend), beschließen nun, die Sache müsse doch einmal anders ausgehen. Und spulen die Geschichte zurück.
Mit dem Effekt, dass man zuerst genau das sieht, was man kennt – Siegfried kommt zu der in dicke Felle vermummte Brünhild (er erst gewandet wie ein Astronaut, bevor er sich bis auf einen goldenen Body auszieht und als schlanker, junger, doofer blonder Jüngling erscheint). Die beiden haben ein Verhältnis, aber Siegfried war ja bekanntlich auch nicht der Verlässlichste. Schon kommt er mit Gunther zur Brautwerbung an – und Vater Wotan darf als Conferencier fungieren, wenn es darum geht, Brünhild im Zweikampf zu besiegen. Wie wir alle wissen, besitzt Drachentöter Siegfried auch die Tarnkappe, also gelingt es. Pause. Dieser Akt begibt sich, weil er schließlich am Isenstein in Island spielt, ganz im Schnee (ist der noch von der einstigen unsäglichen „Borkman“-Inszenierung übrig?), und die Darsteller versinken im Zottel-Look, es ist ja kalt.
Der zweite, längere Teil des knapp dreistündigen Abends, der eine halbe Stunde Pause benötigt, um den Kunstschnee wegzuräumen und die Bühne zu trocknen, damit niemand sich den Hals bricht, spielt dann in Worms. Wotan erscheint nun als Magd verkleidet, die den Böden putzt, um erzählen zu können, dass Gunthers Hochzeitsnacht mit Brünhild nicht eben gut ausgefallen ist – dafür sieht man ihn auch an die gefängnisgleiche Gitterwand dieses Bühnenbilds „genagelt“. Bei der zweiten Hochzeitsnacht, muss dann wieder Siegfried helfen, und die ganz besondere Idee von Autor Schmalz besteht nun darin, dass nicht nur die gedemütigte Brünhild einen ziemlich vagen, aber wütenden Monolog auf die Hofgesellschaft loslässt, die dabei zusieht, wie mit ihr umgegangen wird.
Die Schmalz’sche Idee von Frauensolidarität besteht nämlich darin, dass Brünhild und Kriemhild, die Siegfrieds Extravaganzen auch nicht so recht mag, sich jetzt zur Ermordung des Helden zusammen tun. Hagen, der bis dahin noch nie aufgefallen ist (während Gernot und Giselher als wahre Dodeln herumschwanken dürfen), wird zum Mord angestachelt – und kaum hat er ihn (in Brünhilds Auftrag) erledigt, fordert die Dame schon Rache und seinen Kopf. Also eine wirklich gute Meinung von Frauen hat Ferdinand Schmalz wohl nicht, und als großes Emanzipationsdrama darf man die Geschichte der beiden „Hilden“ auch nicht begreifen, denn die Ladies sind vor allem einfach fies…
Dass der Abend mehr noch, als vom in keiner Weise bemerkenswerten Text vorgegeben, wie eine Blödel-Komödie wirkt (vor allem im „Schnee“-Akt), geht auf das Konto der Regie von Jan Bosse, der keine Gelegenheit für sinnlosen Jokus ausließ (im ersten Teil schweben Brünhild und Siegfried die längste Zeit an Seilen hängend auf der Bühne mauerauf, mauerab). Nicht nur, dass die meisten Herrschaften ohnedies als Idioten hingestellt werden, es hat auch keinerlei Nutzeffekt für die Handlung, so es eine gibt, und für die Geschichte, so eine beabsichtigt war.
In dem seltsamen, nicht eben inspiriert wirkenden Bühnenbild (Stéphane Laimé) und teils reizlosen, teils ganz auf „germanische Dodel“ getrimmten Kostümen (Kathrin Plath), hat sich Arno Kraehahn für die Musik immer bei verfremdetem Wagner bedient.
Neu lernte man an diesem Abend Julia Windischbauer kennen, eine hübsche junge Frau, an der nichts, aber auch schon gar nichts an eine „Brünnhilde“ gemahnt. Vielleicht hätte sie mit Katharina Lorenz die Rollen tauschen sollen, die auch absolut nicht das ist, was man sich als Kriemhild vorstellt. Zwei brave Damen ohne Saft, Kraft und Farbe. Die großen, überlebensgroßen intriganten Weiber der Saga waren beide wahrlich nicht, da kam nichts zum Funkeln – und dabei müssten doch zwei tolle Hilden, wenn schon nichts anderes, das Stück rechtfertigen.
Als die drei Nornen fallen Zeynep Buyraç, Elisa Plüss und Nina Siewert durch Mangel an Exaktheit (vor allem sprachlich) auf.
Oliver Nägele als Wotan ist ein abgewrackter Götterväter (dem die Tochter am Ende noch das zweite Auge ausschlägt, was eine wirklich sympathische familiäre Geste ist). Nach seinem Auftritt als „Dienstmädchen“ (Charleys Tante lässt grüßen) vergisst ihn das Stück bis zu seinem Schlußauftritt, was schade ist, weil man mit ihm die wohl stärkste Herrenpersönlichkeit auf der Bühne hat.
Nils Strunk ist als Siegfried so lachhaft, wie er wohl gemeint war, Dietmar König als Gunther desgleichen, und die wilden Germanen sehen hier aus wie Rainer Galke, Tim Werths und Gunther Eckes.
Was der Abend gebracht haben soll, weiß man am Ende nicht, denn der Unterhaltungseffekt bewegt sich auf so tiefem Niveau, dass man ihn eigentlich verschmähen muss. Schade, dass die beiden Hilden, die doch immerhin Damen von Rang und Format waren, hier dermaßen unter ihrem Rang verkauft werden.
Renate Wagner