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WIEN / Akademietheater: ENDSPIEL

05.09.2016 | KRITIKEN, Theater

Endspiel_003   Anfang
Fotos Copyright: Bernd Uhlig

WIEN / Akademietheater des Burgtheaters:
ENDSPIEL von Samuel Beckett
Koproduktion mit den Salzburger Festspielen

Premiere in Wien: 4. September 2016

Von den Theaterstücken des irischen Nobelpreisträgers Samuel Beckett (1906-1989) haben im Grunde nur drei im Theaterbetrieb überlebt: Sein Klassiker „Warten auf Godot“ (1952), die Geschichte von Winnie im Sandhaufen „Glückliche Tage“ (1961) und das dazwischen liegende „Endspiel“ (1957).

1967 von Beckett selbst in Berlin geradezu legendär inszeniert, hat das Stück eine lange Interpretations- und Rezeptionsgeschichte: Welcher Regisseur, welche Darsteller haben den Dialog zwischen Hamm und Clov auf welche Weise gesehen, warum und mit welchem Ergebnis? Die beiden gelten, dem Titel des Werks gemäß, als eine Art „letzter Menschen“, und man kann Clownerie oder nihilistische Tragödie daraus machen, kann sich in einer Art überhöhtem Realismus versuchen oder in Stilisierung verschiedenster Form.

In Wien erinnert man sich immer an die letzte Aufführung – George Tabori hat 1998 mit Gert Voss und Ignaz Kirchner dieses „Endspiel“ als „Fin de Partie“ nicht spielen lassen, sondern „geprobt“, befragt, nicht inszeniert, sondern hin- und hergedreht: Ein unvergessliches Meisterstück, das viel von der Schwere des Werks vermeiden konnte.

Denn dieses „Endspiel“ ist ein Stück der Qual, soll es auch sein, reflektiert (schwer oder leicht, wie man es nimmt) die ganze Trostlosigkeit der menschlichen Existenz. Und damit müssen die Interpreten und auch die Zuseher leben.

Die jüngste Aufführung des Burgtheaters hatte schon bei den Salzburger Festspielen Premiere, erntete eine Menge Erfolg und kam nun ins Akademietheater. Altmeister Dieter Dorn, der einst das Münchner Theaterleben zum Leuchten brachte, hatte eine Wiener Spitzenbesetzung, um die Tragödie von Hamm und Clevs und Hamms Eltern in den Mülltonnen (eine legendäre Konstellation) auf die Bühne zu bringen. Sein legendärer Mitarbeiter Jürgen Rose stattet aus, was nicht viel braucht: ein Raum, ein Stuhl, zwei Mülltonnen, ein paar Accessoires (wie eine Leiter). So spult sich die Tragödie der Menschheit – wie sie in Becketts Augen erschien – in zweieinviertel pausenlosen Stunden ab. Eher hart als leicht genommen, böse nuanciert, manchmal auch schleppend.

Das Endspiel impliziert, dass wir es mit den letzten Menschen zu tun haben. Die beiden Alten sind weitgehend „entsorgt“, sterben in ihren Mülltonnen. Hamm ist blind und bewegungslos in seinem Stuhl, aber er hat die Macht, weil er über die materiellen Güter verfügt. Clov ist der hilflos Abhängige, der sich von Hamm tyrannisieren lässt. Im Grunde begibt sich am Ende aller Tage für die letzten Menschen immer das Gleiche, immer das Gleiche…

Endspiel_138 er und er

Ein Machtspiel zwischen zwei abstrakten Figuren, denen man Leben einhauchen muss: Nicholas Ofczarek mit geifernd-aggressiver Bosheit und Michael Maertens als der Unterdrückte mit den listigen Augen tun es mit dem Potential der Burg-Superstars. Besonders berührend, wie Joachim Bissmeier und Barbara Petritsch gelegentlich ihre Köpfe aus den Mülltonnen heben und letzte Funken von abgestorbenem Leben aufblitzen lassen.

Endspiel_015 Mülltonne

Dass der Abend dennoch lange und ermüdend wird, liegt an Beckett – sein Text ist equilibristische Literatur, der man mit psychologischem Theater nicht beikommt. Absurd. Böse, Quälend. Man leidet an der Sinnlosigkeit der menschlichen Existenz und müsste ein Masochist sein, wenn man da nicht oft müde und resigniert in seinem Theatersessel hängt. Das können keine noch so großen Schauspieler versüßen.

Renate Wagner

 

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