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WIEN / Akademietheater: EGAL / ELLEN BABIĆ

Themen von heute

16.02.2025 | KRITIKEN, Theater

WIEN / Akademietheater des Burgtheaters: 
EGAL /
ELLEN BABIĆ
von Marius von Mayenburg
Premiere: 15. Februar 2025 

Themen von heute

Das Burgtheater nimmt im Akademietheater zwei Einakter von Marius von Mayenburg in den Spielplan auf. „Egal“ (knappe eineinhalb Stunden) und „Ellen Babić“ (eindreiviertel Stunden)  kamen (bei doppeltem Eintrittspreis) als Doppelpack zur Premiere, werden aber in der Folge als Einzelabende gespielt. Mit zwei bzw. drei Darstelllern in einer unaufwendigen Szenerie  (Bühne: Lisa Däßler, Kostüme: Esther Geremus) lässt sich mit solchen Abenden sparen, wenn man sie dank der Besetzung voll bekommt.

Beide Male heutige Problematik – wie kommt ein Ehepaar mit Kindern mit dem alten, aber immer virulenten Problem zurecht, dass bei der fordernden beruflichen Karriere des einen die Familienlast auf dem anderen liegt und für das gemeinsame Leben weder Zeit noch Platz ist. Im anderen Stück geht es nicht so sehr um sexuelle Übergriffe, sondern wie man in der heutigen Zeit mit solchen Vorwürfen Leben und Karrieren zerstören kann. Sehr viel Heiterkeit im ersten Stück, Bedrückendes mit weit weniger Unterhaltungswert  im zweiten, aber sehr viel Applaus nach beiden Werken, den am  Ende auch der Autor entgegennehmen konnte (von dem man jahrzehntelang nichts in Wien gehört hat und der nun mit „Nachtland“ auch in den Josefstädter Kammerspielen präsent ist).

 

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Fotos: (c)Monika Rittershaus

WIEN / Akademietheater des Burgtheaters: 
EGAL

von Marius von Mayenburg
Deutschsprachige Erstaufführung
Premiere: 15. Februar 2025 

Wie man ein Thema verjuxt

Die Ausgangssituation mag sich in den „besseren“ Kreisen schon finden: Die Ehefrau arbeitet in einem Konzern, muss allerdings ultimative Leistung erbringen, um sich dort zu behaupten, und natürlich auch mit ihrem Chef, der sie ausbeutet, immer wieder auf Geschäftsreise gehen. Der intellektuelle Gatte sitzt nicht nur in seiner Eigenschaft als Übersetzer daheim, hat für die Kinder zu sorgen (erst recht, wenn sie krank werden) und fragt sich natürlich verbittert, was seine Frau mit ihrem Chef auf Reisen wohl so treibt. Wenn sie nun heimkommt, gar mit einem „Geschenk“ (eine Champagnerflasche, wie sich später herausstellt), lässt der Zank nicht auf sich warten. Zwei Leute am Rande des Nervenzusammenbruchs werfen sich gegenseitig vor, was ihnen an Argumenten nur einfällt – und dass jeder von ihnen sich nur für sich selbst und nicht für den anderen interessiert, thematisieren sie zwar, leugnen es aber jeweils für sich…

Wenn dann ein Smartphone klingelt – dann kippt die Geschichte. Dann ist plötzlich er es, der von einer Geschäftsreise heimkommt, sie war zuhause mit Übersetzung und Kindern, und am Dialog zeigt sich, dass die Probleme nicht geschlechtsspezifisch, sondern rollenspezifisch sind, und dass Unzufriedenheit und  Vorwürfe dieselben bleiben (so „gleichberechtigt“ ist man inzwischen).

Innerhalb der kurzen Spieldauer werden die Rollen noch und noch mal getauscht, und am Ende ist klar, dass die beiden nur eine (vermutlich minimale) Chance haben, wenn sie auf die Geschäftsanrufe einmal nicht antworten, sondern sich nebeneinander schweigend auf den Boden setzen…

Das Burgtheater selbst versichert, wie „irrwitzig komisch“ dieses Stück sei, und das mag auch stimmen. Doch was Thomas Jonigk (übrigens auch Schriftsteller-Kollege von Mayenburg) hier als Inszenierung anbietet, ist die totale Slapstick-Klamotte, wo die Protagonisten am Boden kriechen, auf Sesseln balancieren, durch die eine Tür hinein rasen und am anderen Ende der Bühne wieselschnell wieder erscheinen – da ist die Form so erdrückend „lustig“ gemeint, dass man die Substanz der Geschichte eigentlich verschleudert.

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Auch, indem den Darstellern ein scheinbar „realistischer“ Sprechstil aufgezwungen wird, der gelegentlich Geschwindigkeitsrekorde brechen soll und dabei die Verständlichkeit des Textes (und eigentlich auch der Aussage) opfert.

Gut, man hat Caroline Peters, die zweifellos alle Vorstellungen dieses Stücks füllen wird, weil die Wiener wissen, dass der oft so mißbrauchte Ausdruck der „Ausnahmeschauspielerin“ auf sie zutrifft wie sonst auf kaum jemanden. Sie kann uns virtuos-augenzwinkernd alles vorspielen, was sie will. Ein richtiger Mensch war ja wohl vom Autor so wenig gemeint wie vom Regisseur, also nimmt man ihr Virtuosenstück dankbar und vergnügt an.

Ihr Partner Michael Wächter wirkt zwar, wenn man das so sagen darf, eher wie ihr Sohn als wie ihr Ehemann, aber er ist ein perfekter Sparring-Partner auf Augenhöhe, der die verrückte Geschichte nur so durchpeitscht.

Das Publikum lachte viel, so weit es den Text verstand, und bejubelte die Schauspieler. Wie auch nicht.

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WIEN / Akademietheater des Burgtheaters: 
ELLEN BABIĆ
von Marius von Mayenburg
Österreichische Erstaufführung
Premiere: 15. Februar 2025 

Ein bißchen viel „Theater“

In dem Einakter „ Ellen Babić“ wollte Autor  Marius von Mayenburg viel, wahrscheinlich zu viel. Ein #metoo Fall, von dem man letztlich nicht erfährt, ob er stattgefunden hat. Eine Erpressungsgeschichte, die Krimi-Spannung erzeugen soll (was stellenweise auch gelingt), weil der Autor nicht und nicht sagt, worum es eigentlich geht. Und schließlich eine so trickreiche Retourkutsche einer klugen Frau gegen einen eher dummen Mann, wie sie in ihrer Konstruiertheit nur im Samstag-Abend-Krimi vorkommen mag. Ein bißchen viel, und alles so künstlich serviert, dass die echte Problematik, die in dem Stück steckt, kaum zum Vorschein kommt.

Vielleicht ist der interessanteste Aspekt jener, der lesbischen Beziehung zwischen Astrid und Klara, die seit über zehn Jahren zusammen leben. Begonnen hat es laut Strafgesetzbuch kriminell, denn Astrid war Klaras Lehrerin und diese noch nicht volljährig, als die Beziehung begann. Wie auch möglicherweise heute noch gleichgeschlechtliche Paare zu Narrativen greifen, um ihre Beziehung nach außen hin teils zu beschönigen, nach innen über Zweifel hinaus bestehen zu lassen, das erscheint wie der interessanteste Aspekt des Stücks. Dann taucht der Schuldirektor Wolfram auf, berichtet von der Schülerin Ellen Babić, deren Vater sich mit vagen Anklagen gegen die Lehrerin an die Schule gewandt hat. Und der Direktor, von dem man merkt, dass er Astrid geradezu genüßlich unter Druck setzt, spinnt nun aus, was geschehen würde, wenn man…. Wie gesagt, Astrid  ist stark und gescheit und weiß sich zu wehren. Was in der Sache mit Ellen Babić wirklich gelaufen ist – was Genaues erfährt man nicht. Zuzutrauen wäre es ihr …

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Und der großartigen, souveränen Dörte Lyssewski als Astrid traut man tatsächlich  alles zu, jeden Trick (wenn sie, die überzeugte Lesbe, ihr Höschen fallen lässt und Wolfram einen Beischlaf anbietet…) und auch jede Lüge. Und ebenso vielleicht die Lust nach einer jungen Schülerin, wenn sie auf einer Klassenfahrt das halb betrunkene Mädchen zu sich ins Zimmer genommen hat – um auf sie aufzupassen…

Maresi Riegner steigt so aggressiv in die Rolle der jungen Geliebten ein, muss dann „falsche“ Elogen über ihre Beziehung halten und bleibt schließlich eindrucksvoll in der Ungewissheit zurück.

Ja, und Jörg Ratjen ist a priori der Stinkefinger, schäbig, mit herabgezogenen Mundwinkeln und dem schrägen Blick, von dem kommt nichts Gutes, aber er bekommt auch nicht das, was er mit seiner Erpressung wohl erhofft hat.

Wie die Geschichte weitergeht oder gar ausgeht, darüber will man gar nicht spekulieren, dazu ist sie eigentlich zu schäbig.

Hier hatte das Publikum entschieden weniger zu lachen, zeigte sich aber ebenfalls beeindruckt.

Renate Wagner

 

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