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WIEN / Akademietheater: DIE VERWANDLUNG

20.01.2024 | KRITIKEN, Theater

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Fotos: Marcella_Ruiz_Cruz

WIEN / Akademietheater des Burgtheaters:
DIE VERWANDLUNG nach Franz Kafka
Premiere: 20. Jänner 2024 

Prosa bebildern, das ist auf unseren Theatern längst weit verbreiteter Alltag. Ununterbrochen werden Romane und Erzählungen dramatisiert auf die Bühne gebracht. Der Leser, der sich auf Franz Kafkas wohl berühmteste Erzählung, „Die Verwandlung“, einlässt, wird mit sich und dem Autor ausmachen, wie er sich den zum „ungeheueren Ungeziefer“ gewordenen Gregor Samsa vorstellt und was ihm Kafka in dieser kryptischen Geschichte sagen wollte.

Regisseurin Lucia Bihler, die dieses Werk nun auf die Bühne des Akademietheaters bringt, hat sich jedenfalls vorgenommen, wie sie im APA-Interview sagte,  „die Fragen, die diese Metapher aufwirft, nicht zu beantworten zu wollen“.

Was tut sie also? Zuerst eine kurze Rahmenhandlung – die schwarz gekleideten Familienmitglieder des Gregor Samsa (zu denen sich auch, ein möglicher dramaturgischer Sprung, Franz Kafka selbst gesellt), singen anfangs im Chor und im Kanon den berühmten ersten Satz der Erzählung. „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.“

Möglicherweise ist mancher über diesen ersten Satz nicht hinaus gekommen, und die Hoffnung, etwas Konkretes über den Inhalt der Geschichte zu erfahren, wird schwer enttäuscht. (Man erinnert sich an den klassischen amerikanischen Witz: „Have you read Anna Karenina?“ „No, but I know the movie.“)

Gewiß, der Text ist viel zu lang, ihn ganz zu realisieren, aber Kafka begibt sich darin oft genug in Samsas Innenleben – wie er reagiert, als er seine Insektenexistenz begreifen muss, wie er das Verhalten seiner Familie wahr nimmt, wie er gewissermaßen selbst gewählt stirbt, um sie nicht länger zu belasten, das wird hier überhaupt nicht verbalisiert.

Dafür gibt es Bilder, bunte Bilder von Pia Maria Mackert, Gregors Zimmer in Kitschfarben. Dieses Zimmer ändert sich jeweils in Detail, sieht aber immer aus, als hätte David Hockney es gemalt. Eine künstliche Welt, in der man sich schwer zurecht findet. Darin findet man nun, in einem grell-orangenfarbenen Jackett (Kostüme: Victoria Behr) Gregor Samsa schon als Käfer:

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Es ist sicher die beste Idee des Abends, ihn von der Schauspielerin / Tänzerin / Choreographin Paulina Alpen darstellen zu lassen, denn das Innenleben der Figur nach dem Konzept der Regisseurin nicht verbalisiert wird (außer als Schlußpointe, wo Samsa selbst wieder den Eröffnungssatz spricht – dabei sollte er da ja eigentlich tot sein), ist die Körpersprachlichkeit des Insekts der beste Effekt des Abends.

Lucia Bihler hat die anderen Figuren der Geschichte (der Prokurist, die Untermieter, die Bedienerin) gestrichen und konzentriert sich ganz auf die Familie, und um die geht es ja auch – Vater, Mutter, Schwester. Solange Gregor allein sie alle ernährt und noch deren Schulden bezahlt hat, war er ein geschätztes (wenn auch ausgebeutetes) Mitglied der Familie. Als er als Käfer / Insekt / Ungeziefer unbrauchbar geworden ist, wird er nur noch zur Last. Die „Menschen“ der Familie verwandeln sich mit Pappköpfen und künstlich wirkenden Kleidern zu Puppen, spielen schrittweise die Ausgrenzung des Unnötigen in einigen Szenen vor, die allerdings ziemlich gleichförmig sind.

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Es gibt Effekte, die wirken, ohne tiefgreifenden Sinn zu machen – plötzlich ist das Zimmer winzig, Gregor also vergleichsweise riesengroß, dann schrumpft er zu einer (künstlichen) Puppe, mit der die Erwachsenen umgehen. Aber das sind alles nur Bilder, die grausame Psychologie die hinter allem steckt, kommt kaum heraus.

Vor allem, weil der Abend einen Kardinalfehler hat – er kümmert sich (bis auf ein paar Brocken, mal von den einen, mal von dem anderen Schauspieler wiedergegeben) viel zu wenig um Kafkas Text. Große Literatur, zusammen geschmolzen auf eine Beinahe-Pantomime.

Die Familie selbst ist von betulicher Bürgerlichkeit, zeigt aber nach und nach ihre Härte – Stefanie Dvorak als die Tochter, Dorothee Hartinger als die Mutter, Philipp Hauß aus Vater.

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Eine überzeugende, schmale, dunkle Kafka-gleiche Figur stellt Jonas Hackmann auf die Bühne, er sollte nur an der Präzision seiner Sprache arbeiten.

Wer sich die Mühe gemacht hat, die Geschichte vor dem Besuch der Aufführung noch einmal zu lesen, wird ehrlich sagen müssen, dass nicht einmal ein minimaler Bruchteil dessen, was Kafka geschrieben hat, hier vermittelt wird. Der Dichter erzeugt bei der Lektüre immer wieder Gänsehaut. Der pausenlose, eineinhalbstündige „bunte Abend“ im Akademietheater erzeugt hingegen wenig mehr als Langweile.

Renate Wagner

 

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