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WIEN / Akademietheater: DIE VEGETARIERIN

Somnambul nach Absurdistan

09.05.2025 | KRITIKEN, Theater

aka vegetarierin henkel yun © liebentritt 160
Fotos: © Christoph Liebentritt

WIEN / Akademietheater des Burgtheaters:   
DIE VEGETARIERIN
Nach dem Roman von Han Kang
Deutschsprachige Erstaufführung
Premiere: 9. Mai 2025  

Somnambul nach Absurdistan

Als die Südkoreanerin Han Kang im Vorjahr den Nobelpreis für Literatur erhielt, gab es nicht nur Zustimmung. Gewiß – eine Frau, nicht weiß, ein berühmter Roman, der sich ausgerechnet „Die Vegetariern“ nennt, was nach Umweltschutz, Klima und lauter richtigen Sachen klingt. Damit konnte man schon eine Menge Parameter der gegenwärtigen Zeitgeist-Zwänge bedienen.

Aber der Roman, Besteller, hoch gelobt, war dennoch nicht jedermanns Sache. Es gehört viel guter Wille dazu, der Heldin Yong-Hye dabei zu folgen, dass sie plötzlich kein Fleisch mehr essen wollte. Das heißt – das ist ja noch eine mögliche Vorgabe. Aber der Weg bis zur Essensverweigerung und dem Wunsch, eigentlich eine Pflanze zu sein, ist doch recht absurd. Natürlich findet ein sich poetisch gerierendes Geschwurbel gerade heute sein Leserpublikum, aber normale Menschen werden da vielleicht nicht mitgehen. Warum soll ich eine Pflanze sein wollen? Das müsste man einmal argumentieren.

Auch ist nicht wirklich klar, was die Autorin erzählen wollte – eine Emanzipationsgeschichte? Widerstand gegen die familiäre Gewalt, die offenbar in Korea auf Frauen besonders drückt? Oder einfach eine Krankengeschichte, was das Ganze am ehesten zu sein scheint?

Doch die Regisseurin Marie Schleef war von dem Buch begeistert, kam schon vor dem Nobelpreis für die Autorin um die Erlaubnis ein, das Werk auf die Bühne zu bringen, und da sie seit Kölner Zeiten mit Stefan Bachmann zusammen arbeitet, kam nun das Burgtheater im Akademietheater zur deutschsprachigen Erstaufführung dieser seltsamen Angelegenheit, die inhaltlich eher dünn ist.

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Der Roman hat drei Teile – im ersten stößt Yong-Hye mit ihrer Weigerung, weiterhin Fleisch zu essen (und wenn sie in einem Video auf riesiger Leinwand in rohes, fettes Fleisch beißt, versteht man den Abscheu), auf das Unverständnis von Gatten und Vater. Man verweigert sich nicht den gesellschaftlichen Regeln dieser Welt, Frau hat brav zu sein. Ziemlich in der Luft hängt Teil zwei, wo sie im Atelier des als Videokünstler agierenden Schwagers offenbar bereit ist, vor laufender Kamera nackt mit einem Unbekannten Sex zu vollziehen. Als dieser nicht performen kann, springt der Schwager ein. Sollte es hier um Mißbrauch gehen – Widerstand sieht man nicht. Und im dritten Teil ist Yong-Hye dann in einer psychiatrischen Anstalt, wird unter schreiendem Protest zwangsernährt und will  – ja, wie erwähnt, eine Pflanze sein. Hier ist das Bühnenbild von Lina Oanh Nguyễn dann ganz grün und Natur…

Das wäre schon eine für die Bühne abstruse Geschichte, wenn man sie als solche erzählte. Aber Marie Schleef ist bekannt für ihren Stil, und der ist Langsamkeit. Zelebriertes Schneckentempo. Provozierendes körperliches und sprachliches Schleppen durch das Geschehen. Das könnte man noch verstehen, wenn es allein Yong-Hye beträfe, die ja mehr und mehr in ihre eigene (Alp)Traumwelt abgleitet, aber ihre Mitwelt agiert genau so. Und damit erzeugt man im Endeffekt nicht die gewünschte Stimmung, sondern letztlich Langweile. Zumal bei einer so abstrusen Geschichte, bei der sicher nicht jeder mitgehen will. Ein Nobelpreis beweist ja eigentlich noch gar nichts…

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Die Titelheldin, gespielt von Kotti Yun, wirkt fast wie eine Plastikpuppe, wie ein Geschöpf aus einer anderen Welt, somnambul durch ihr eigenes Absurdistan geisternd, aber für nichts weiter stehend als die eigene Seltsamkeit. Was sich rund um sie abspielt, sind gebremste Burgschauspieler (Ernest Allan Hausmann , Alexandra Henkel. Philipp Hauß, Jonas Hackmann, Hans Dieter Knebel und Dunja Sowinetz). die weitgehend figurenlos ihre Langsamkeit bis zum Schlußapplaus durchhalten müssen, der dann von ein paar Fans angeheizt wurde.

Renate Wagner

 

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