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WIEN / Akademietheater: DER EINSAME WESTEN

Die Iren sind anders

22.03.2024 | KRITIKEN, Theater

der einsame westen c brüder cc matthias horn 2893~1
Fotos: Burgtheater / Matthias Horn

WIEN / Akademietheater des Burgtheaters: 
DER EINSAME WESTEN von Martin McDonagh
Premiere: 22. März 2024

Die Iren sind anders

Irland ist anders. Die Iren sind anders. Irische Stücke sind anders. Wir wissen es von O’Casey, Sygne, Behan. Und von Martin McDonagh, Der ist inzwischen nicht nur als Dramatiker, sondern auch als Filmemacher ganz groß geworden, „The Banshees of Inisherin“ waren im Vorjahr bei allen Festivals und Filmpreisen zu Recht ganz vorne. „Der einsame Westen“ ist ein frühes Stück von McDonagh (1997 – in Wien hat man es erstmals 1999 in der Drachengasse gesehen) und gehört zu der Trilogie jener Stücke, die in dem kleinen Küstenort Leenane in der Provinz Galway spielen. Es ist eine ganz kleine, enge Familiengeschichte – ja, und sie bestätigt, die Iren sind anders. Sie sind unendlich stur und auch gewaltbereit (ihr jahrhundertelanger Krieg gegen die Engländer beweist es).

Und der „einsame Westen“ beginnt damit, dass die Brüder Valene und Coleman Connor gemeinsam mit dem Pater Welsh vom Begräbnis ihres Vaters kommen – und man ziemlich bald erfährt, dass Coleman den Alten absichtlich erschossen hat. Sein Bruder Valene hat einen „Unfall“ um einen hohen Preis, nämlich für das gesamte Erbe, bezeugt …

Die nun folgenden Auseinandersetzungen, ob sie die Sprache einsetzen oder körperlich auf einander los gehen, sind von dem gehässigen Wunsch erfüllt, den jeweils anderen zu ärgern.. Aber, wie das bei den Iren so ist, auch unendlich komisch, in Alkohol ersäuft und von seltsamen Gefühlsaufwallungen getragen. Man begreift sie nicht, aber irgendwie mag man diese Verrückten auch…

Die Inszenierung von Mateja Koležnik in der Drehbühnen-Szenerie von Raimund Orfeo Voigt und  Dimitrij Muraschov beginnt wenig vielversprechend, gewaltsam überinszeniertes Chaos szenisch und verbal, die besoffenen Helden kollern herum und brabbeln, jegliche Klarheit scheint absichtsvoll vermieden. Es wird allerdings besser, als ob die Schauspieler das Steuer ergriffen hätten und beschlossen, echte Figuren kenntlich auf die Bühne zu bringen.

Und das gelingt den Herren des Abends meisterlich. Roland Koch als der brutale Coleman und Michael Maertens als der tückische Valene agieren gelegentlich wie ein Comedy-Couple, bringen aber die Abgründe ihrer Charaktere fraglos heraus. Die Schlußszene ist atemberaubend – mit einer bösen Parodie auf den „Trick“ der Katholischen Kirche, dass jede Untat, auch die schlimmste, verziehen ist, wenn man nur „bereut“, beginnen die Brüder in sentimentaler Stimmung einander mit „Ich bereue“ zu gestehen, was sie sich im Lauf der Jahre angetan haben. Eine abgründige Welt von Bosheit, Gemeinheit, Gewissenlosigkeit, die vor letalen Übergriffen (auch wenn man nur den Hund des anderen umbringt) nicht zurück schreckt. Am Ende liegt ein Gewehr auf dem Tisch – und man erinnert sich an Anton Tschechows Erkenntnis, wenn es auf der Bühne eine Waffe gibt, werde sie auch benützt… Die Chance, dass diese Brüder friedlich bleiben, scheint gleich Null.

der einsame westen c der pfarrer x matthias horn 0271~1

Die beste Leistung, die man bisher von ihm gesehen hat, liefert  Itay Tiran als Pater Welsh, der Mann, der von außen kam und angesichts dieser Menschen, die ja nicht wirklich zu begreifen sind, in die blanke Verzweiflung verfällt. Das spielt er, meist im Halbrausch, so berührend wie schwankend komisch, eine Figur, die tief unter die Haut geht, zumal die gradliegende Tragödie hier klarer wird als bei den beiden so verbogenen Brüdern.

Den weiblichen Aufputz hat schon McDonagh vernachlässigt, und Lili Winderlich mag trotz Bemühungen aus ihrer Randfigur nichts zu holen. Sie wurde allerdings natürlich in den heftigen Schlußappalaus, der vor allem den Schauspielern galt, einbezogen. Die Erkenntnis des Abends: Die Iren sind anders. Sie sind ein Abenteuer. Auch für ein Theaterpublikum.

Renate Wagner

 

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