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WIEN / Akademietheater: DEPONIE HIGHFIELD

24.05.2019 | KRITIKEN, Theater


Copyright Burgtheater / Reinhard Werner

WIEN / Akademietheater des Burgtheaters:
DEPONIE HIGHFIELD von René Pollesch
Koproduktion mit den Wiener Festwochen
Uraufführung
Premiere: 24. Mai 2019

Auf der Bühne sieben Lipizzaner, sechs weiße, einer noch braun. Nicht wirkliche, no na, aber bei flüchtigem Hinsehen doch erstaunlich echt (und mit den Pferdeschwänzen wackeln können sie auch, sonst bleiben sie unbeweglich). Es kommen – nein, nicht „die glorreichen Sieben“, wie sie oft genug zitiert werden. Mitnichten. Es sind nur fünf. Vier Damen und ein Herr. Was sie mit den Pferden wollen, ob sie für eine Zirkusshow engagiert sind, wird nicht klar: Es gibt keine Handlung in „Deponie Highfield“, der Koproduktion des Burgtheaters mit den Wiener Festwochen.

Sie tun, was Schauspieler bei René Pollesch immer tun: Sie reden. Nein, sie palawern. Sie faseln. Sie schwafeln. Sie labern herum. Sie blödeln herum. Aber so, dass man am Ende mit absoluter Sicherheit nicht weiß, worüber sie gesprochen haben. Wie immer bei Pollesch.

Seit 2004 ist diese deutsche „Ausnahmeerscheinung“ unter den Dramatikern (wenn man ihn denn so nennen mag) Dauergast am Burgtheater, man sieht hier seine neunte Produktion (immer in Eigenregie, mit ein paar immer gleichen Schauspielern, Martin Wuttke, früher Sophie Rois, jetzt Birgit Minichmayr). Die einzige Bewunderung, die man ihm zollen kann, gilt seiner Begabung, sich selbst zu vermarkten: Immer dasselbe, im Grunde ärgerliches Nichts (diesmal mit eindreiviertel Stunden auch länger als sonst, wo’s meist nach 80 Minuten aus war) immerhin den ersten Theatern des deutschen Sprachraums anzudrehen… das ist auch eine Leistung. Die Einzige.

Mal hat Pollesch einen Hubschrauber auf die Bühne gebracht, mal hebende und senkende Beleuchtungsbatterien, diesmal sind es (Bühnenbild: Katrin Brack) die Pferde. Vielleicht ist der Abend auch deshalb so lang, weil er am Ende noch Wien-spezifisch wird: Hofreitschule, Burgtheater, Lipizza, Ibiza, es liegt zu nah, es ist zu billig, das Pointerl kann man nicht am Boden liegen lassen, das muss man noch auswalzen (wenn auch viel zu unpräzise um zu wirken, Kabarett ist nicht so einfach).

Worüber reden die Herrschaften sonst, während sie auf die Pferde steigen und wieder herunterkriechen, um sich wieder hinauf zu schwingen, einmal sogar auf ihnen zu stehen (Schauspieler sind keine Zirkusreiter, ungefährlich schaut das nicht aus)? Ja, wenn man es wüsste. Über Beziehungen. Über das Vergessen. Auch das Vergessen von Theaterabenden (sollte diesmal mühelos gelingen). Um „repräsentationistischen Realismus“, was immer das auch sein mag. Darf man auf Lipizzanern rauchen? Man kann viel schwätzen, wenn der Abend lang ist (lang wird). „Worum ging’s denn noch mal?“ fragt Martin Wuttke zwischendurch. Ja, worum? Selbst wenn man im Wilden Westen wäre – Goldnuggets an Gedanken, Ideen, Formulierungen sind hier nicht zu finden.

Viel Musik gibt’s, sie wenigstens hilft, klassische Westernklänge des US-Kinos – das und Pferde, man tut so, als ritte man, das reicht offenbar schon. Aber nein, nicht für die Darsteller, die exekutieren sollen, was Pollesch als Text ausgibt (die Interpreten dürfen ja angeblich immer mitschreiben und mitdichten). Die am Bühnenrand stehende Souffleuse war schwer beschäftigt, Einsätze zu geben. Dass die Herrschaften – alle mit einem Revolver in der rechten Hand – so wild und unsicher durch die Sätze schleuderten, dass Grammatik und Sinn (???) nur so durcheinander wirbelten – ja, eigentlich wäre das peinlich, wenn das wirkliches Theater wäre. Aber so? Völlig egal.

Das Aufgebot, erst alle in schwarzen Anzügen, am Ende die Damen in schrecklichen weißen Kleidchens (Kostüme: Tabea Braun), war wieder höchst karätig. Besagter Martin Wuttke (man kennt seine Vorliebe fürs Abweichende) als Hahn im Korb zwischen den vier Damen. Diese sind allerdings keine Rollen, keine Figuren, keine differenzierten Persönlichkeiten. Es ist bloß sinnloser Text auf sie verteilt, und da tut einem Caroline Peters (was die alles kann und nicht zeigen darf!!!) leid. Birgit Minichmayr, die erstaunlich wenig zur Geltung kommt, auch. Irina Sulaver hat so schöne, große Augen, und Kathrin Angerer einen so flapsig bundesdeutschen Tonfall, dass man ihr schon deshalb frappiert zuhört, weil sie so fremd im Ohr klingt. Was sie sagt, spielt ohnedies keine Rolle.

Wieder einmal hat das Burgtheater, nach „Das Zelt“, einen gänzlich sinnbefreiten Theaterabend zu bieten. Wieder einmal wurde er bejubelt.

Renate Wagner

 

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