Fotos: Burgtheater, Horn
WIEN / Akademietheater des Burgtheaters:
DAS INTVERVIEW
Nach dem Film von Theo van Gogh und dem Drehbuch von Theodor Holman,
übersetzt und für die Bühne adaptiert von Stephan Lack
Premiere: 23. Februar 2020
Man weiß ja nicht, was aus einer „Tosca“ ohne Puccini geworden wäre. Vielleicht hätte es Birgit Minichmayr Spaß gemacht, auf den Spuren von Sarah Bernhardt die große Sängerin und große Liebende umrankt vom Historismus-Jugendstildrama des Victorien Sardou darzustellen. Aber es sollte nicht sein.
Es gab, wie man vernahm, künstlerische Zwistigkeiten mit dem ungarischen Regisseur, das Ersatzstück war schnell gefunden, Direktor Martin Kusej und die Minichmayr haben es schon einmal miteinander gemacht, und „Das Interview“ nach Theo van Gogh gilt allemale (obwohl man es nicht so recht versteht) als Schauspielerfutter. 100 Minuten vollwertiger Ersatz? Nicht wirklich.
Denn man hat „Das Interview“ schon gesehen (2007 in Peter Patzak-Regie im Stadttheater, 2013 in der Josefstadt), aber dass es wirklich ein gutes Stück sei – den Eindruck hatte man nie. Dabei ist die Ausgangssituation viel versprechend: der politische Journalist wütet, weil man ihn zum Interview mit einem Busenwunder-Filmstar abgestellt hat, die Dame spürt seine Verachtung und reagiert dem entsprechend.
Aber substanziell ist da absolut nicht viel drin – sie spielt ihm dauernd etwas vor (und man soll natürlich nicht wissen, was echt ist und was gefaket), er stürzt sich in tragisch-sentimentale Erinnerungen aus dem Bosnien-Krieg – aber was die beiden von einander wollen, wird nicht wirklich klar. Einzig die allerletzte Schlußpointe scheint die lahme Geschichte kurz in die Höhe eines Krimis zu heben und zu versichern, dass man niemandem, absolut niemandem vertrauen soll …
Martin Kusej sorgt nicht für die Spannung der Zimmerschlacht, im Gegenteil, er dehnt sie immer wieder quälend (wie er es gerne tut), so dass der Abend wahre Löcher zeigt und man sich als Publikum fragt, wo man ist und was das Ganze soll. Eine Pointe konnte sich der Burgtheater-Direktor nicht entgehen lassen: Armin Wolf in den Fernsehnachrichten verkündet, was unser politischer Journalist gerade versäumt: Straches Rücktritt nach Ibiza. Wäre schon spannender gewesen als die Auseinandersetzung mit der Schauspielerin…
Die beiden Darsteller sind jeder für sich besser als in der Interaktion, sie fordern sich zu wenig (Raubtier-Käfig-Situation) heraus, und der Versuch, zwischen ihnen etwas wie erotische Spannung aufzubauen, scheitert total. Trotzdem scheint jede Figur zu stimmen: Birgit Minichmayr mit (allerdings nicht sehr appetitlichem) langem Blondhaar, schlank und rank in Schwarz, drahtig und beweglich, mag zwar mehr eine Kunstfigur sein als glaubhaft (auf der Suche nach der „echten“ Frau ist man nicht erfolgreich), sie grimassiert, gurrt und schnurrt nach allen Regeln ihrer privaten Kunst. Sie könnte allerdings mehr Drive und Intensität geben, und wenn die Sache nicht in einem leeren Raum spielte (Bühne Jessica Rockstroh), täte man sich etwa mit einem Sofa etwas leichter statt sich stets auf dem Fußboden herumzurollen.
Oliver Nägele steht von Anfang an dem blond-schwarzen Hexenwesen gebrochen gegenüber, er kann sich kaum aufraffen, bei dem Spiel, das sie vorgibt, mitzumachen. 100 Minuten (Kusej brauchte gut eine Viertelstunde länger als seine Regie-Kollegen bei diesem Stück) können lange werden. Aber das Risiko für das Haus ist gering, dass sich der Mangel an Spannung herumspricht – um die Minichmayr zu sehen, kommen die Wiener immer.
Renate Wagner