
Foto: Burgtheater / Horn
WIEN / Akademietheater des Burgtheaters:
AUTOMATENBÜFETT von Anna Gmeyner
Premiere: 30. Oktober 2020
Das interessanteste an Anna Gmeyner (1902-1991) ist ihre Biographie, die man im Programmheft ausführlich nachlesen kann: ein bewegtes, engagiertes Leben, das sich zwischen Österreich, Deutschland, Schottland, Frankreich, England abspielte, zwischen Sozialismus und Nationalsozialismus, zwischen Romanen, Theaterstücken, Film. Das meiste davon ist vergessen, wie es vielen jüdischen Autoren passierte, die aus ihrem Schaffen herausgerissen wurden und nach dem Krieg im Bewusstsein der Öffentlichkeit nicht mehr so richtig Fuß fassen konnten.
Solche „Entdeckungen“ heute passieren dann meist aus schlechtem Gewissen, wobei man das „Automatenbüfett“ von 1932 bereits 2004 in der Josefstadt (damals war Hans Gratzer Direktor) sehen konnte. Das Stück hat schon damals nicht sonderlich überzeugt, und es tut es nun im Akademietheater noch weniger. Jeder schwache Horvath (von dem die Autorin gewaltig abgekupfert hat) ist stärker als diese Geschichte, von der man am Ende eines pausenlosen zweistündigen Theaterabends eigentlich nicht weiß, warum sie erzählt wurde.
Ja, Horvath und seine Welt – da ist sie. Die kleinstädtische Kleinbürgeratmosphäre. Eine stockige Ehe, ein Mädchen, das aus dem Wasser kommt und für eine gierige Männerwelt zum Objekt der Begierde wird, die gescheiterten, wenn auch ohnedies nur lächerlichen Ambitionen eines Ehemanns (er möchte in den Dorfteichen eine enorme Fischzucht aufziehen), schließlich die Pointe: die Ehefrau lässt ihn sitzen, gibt sich in die Hände eines widerlichen Schmarotzers. Das Automatenbüffet, in dem das Stück spielt, ist vielleicht typisch für den Zeitgeist der dreißiger Jahre, hat aber keine Funktion. Ja – und?
Nichts und. Hätte man versucht, das à la Horvath im stickigen Milieu zu erzählen, das Ganze hätte vielleicht einen menschlichen Kern entdecken lassen. Schon in der Josefstadt setzte man auf karikaturistische Elemente. Regisseurin Barbara Frey geht noch weiter. Sie verlegt das Geschehen durchgehend in die Verfremdung von „Stil“ – wie abgehoben schweben sie alle daher, Kunstfiguren, nicht zu greifen. So glatt und ungreifbar wie das Bühnenbild von Martin Zehetgruber (Kostüme Esther Geremus). Das Büfett mit den einzelnen Fächern, in die man eine Münze einwirft, damit man ein Glas Bier entnehmen kann (es dürften auch Wurstsemmeln drinnen sein), bildet den Hintergrund. Ein ironischer Schlenker: Es sitzt ein echter Pianist (Thomas Hojsa) am Klavier, der immer wieder in ein Glaskabuff zurück geht. Wirft man eine Münze ein, kommt er heraus und spielt weiter. Das soll sicher etwas bedeuten. Aber was?

Michael Maertens, Katharina Lorenz Foto: Burgtheater / Horn
Die „Nixe“, die Adam, der Ehemann des Stücks, aus dem Wasser holt, heißt Eva und hat psychologisch nicht Hand und Fuß. Der Selbstmord hat nicht funktioniert, sie lässt sich zum Ärger von Frau Adam ins Büfett mitnehmen, lebt hier, wird zur Verführung der Bürger (eine wahre Dodel-Schar) eingesetzt. Was in ihrem Kopf vorgeht, es wird nie klar: Wie soll Katharina Lorenz spielen, was nicht da ist? Im übrigen ist sie eine attraktive Frau mit gutem Körper, aber der per se verführerische Typ, der alle Männer zum Wurln bringt, ist sie nicht.
Nach dem „Leichenverbrenner“ spielt Michael Maertens wieder einen erstarrten Bürger, nur dass er sich diesmal nicht für Krematorien begeistert, sondern für Fischteiche. Was heißt begeistert? Eigentlich ist er ein ziemlich lebloser Klotz, wenn es nicht um diesen seinen Traum geht. Ein bisschen mehr Enthusiasmus wäre möglich gewesen, aber es spielt keine Rolle, weil die Regie nie auf Glaubwürdigkeit abzielte.

Maria Happel / Foto Horn
Freilich, Maria Happel ist einfach zu lebendig, um die unzufriedene Ehefrau nicht mit ein paar amüsanten Details ihrer Griesgrämigkeit auszustatten. Wenn sie am Ende die total falsche Entscheidung trifft, könnte es einen tragischen Moment geben, aber der wird abgebogen.
Die falsche Entscheidung sieht aus wie Christoph Luser, der als reine körperschlenkernde Künstlichkeit über die Bühne wankt, immer wieder unangenehm präsent, bis er das Ehepaar sprengt und sich die Gattin krallt – sie ist es schließlich, die das Geld hat. Man glaubt ihm jede Schäbigkeit.
Der Rest der Besetzung hat einige Seltsamkeiten: Ein Mann (offenbar ein Mann? Mit aufgeschnalltem Sessel am Hintern) ist mit Dörte Lyssewski besetzt. Ein anderer mit Annamária Láng, und, sorry, ihre Sprache ist noch immer eine Zumutung. Dieter Knebel vor allem, Robert Reinagl und Daniel Jesch hecheln hinter der Weiblichkeit her. Ganz Horvath. Aber nicht so überzeugend.
Der Schlußbeifall der Premiere dürfte viel der Tatsache zu danken gehabt haben, dass man mit Maria Happel und Michael Maertens zwei Schauspieler auf der Bühne sah, die man mit „Burgtheater“ verbindet. Dass das Stück jemanden besonders interessieren könnte, zumal in dieser fahlen Inszenierung, ist nicht anzunehmen.
Renate Wagner