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WIEN / Akademietheater: ADERN

14.03.2022 | KRITIKEN, Theater

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Fotos: Burgtheater, Matthias Horn

WIEN / Akademietheater: des Burgtheaters 
ADERN von Lisa Wentz
Uraufführung
Premiere: 13. März 2022 

Das einfache Leben ist heutzutage nicht unbedingt auf unseren Bühnen zuhause. Zu unspektakulär. Zu repetitiv. Zu langweilig. Ja, und das ist es auch, wenn man gut eineinhalb pausenlose Stunden im Akademietheater zusieht, was sich da unter dem pompösen, aber nicht wirklich sinnfälligen Titeln „Adern“ ergibt. Die Erzadern im Berg? Das Blut, das in den Adern fließt?

Warum die junge Tiroler Autorin Lisa Wentz in ihrem politisch so korrekten, weil den Fokus auf die „kleinen Leute“ richtenden Stück unbedingt die Nachkriegszeit beschwören muss, erschließt sich nicht. Die Epoche ist auch nur in einigen Details vorhanden, dass das Leben bescheiden war, dass die Frau ein uneheliches Kind von einem französischen Besatzer hatte, der auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist.

Erzählt wird in kurzen, vorüberflatternden Szenen die Geschichte von Aloisia, die für sich und ihre Tochter eine Familie sucht, weil sie offenbar mit Mutter und Schwester nicht leben will (die Schwester schleicht immer wieder wie eine Trauerweide vorbei, bedeutet aber nichts). Sie meldet sich auf das Inserat des Bergmanns Rudolf, der seine Frau verloren hat und quasi eine Hausfrau für seine fünf Kinder sucht. Sie sind beide wortkarge Menschen (die Tiroler sind so), aber doch anständig, nähern sich an einander an.

Dass die Zeit verrinnt, merkt man daran, dass einmal ein Radio ins Haus kommt, dann ein Fernsehapparat, dann fährt man auf Urlaub an den Wörthersee. Ein dramaturgisches Loch besteht darin, dass von dem Kind, das Aloisia erwartet, nie wieder die Rede ist. Und auf einmal ist eine Tochter erwachsen, hat selbst schon ein Kind, zieht weg. (Was in aller Stille die Revolution der Jugend bedeuten soll…) Und dann stirbt Rudolf, wie die meisten Bergleute an Lungenkrankheit. Und weil das Ganze so geziert einfach ist, wirkt es unendlich künstlich und spekuliert.

Das Handlungselement über die Arbeit der Bergleute, das realistisch auf der Bühne nicht zu vermitteln ist, wird in pathetischen Flashbacks von Rudolf vermitteln, meist in Katastrophensituationen. Was der Berg laut Programmheft noch alles erzählen soll, bleibt gänzlich unklar. Es geht eomfach darum, solcherart besondere Tiefe zu simulieren und irgendwelche Schuldfragen einzubringen – und nichts davon funktioniert.

Regisseur David Bösch, von dem man bekanntlich Furchtbares gesehen hat (Nestroys „Talisman“ beispielsweise, unverzeihlich), wollte bei dieser Uraufführung einer 27jährigen Autorin ihr Stück offenbar nicht schlachten. Macht also – in einer entsprechenden Ausstattung von Patrick Bannwart / Falko Herold – in Einfachheit, Stille, Besinnlichkeit, lässt Kitsch nicht aus. Dass das Ganze grottenlangweilig wird, liegt wohl am Stück.

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Nicht, dass die Besetzung nicht stimmte. Sarah Viktoria Frick, die so gut ausrasten kann, ist diesmal ganz verinnerlicht, Markus Hering desgleichen. Brave Leut’ vom Grund, das Programmheft selbst postuliert die Bezeichnung vom „kunstvollen Volksstück“.

Neben diesem schlichten Paar, das nur mäßiges Interesse erzeugt, sind die anderen kaum vorhanden – nicht die auf einen so tragischen Ton gestimmte Andrea Wenzl als Schwester, die gelegentlich fast parodistisch wirkt, nicht Daniel Jesch als der versoffene Freund (soll das tiefe Einblicke in die Bergmanns-Seele geben?), nicht Elisa Plüss als Tochter, die anfangs und am Ende wie eine Moral predigende Allegorie erscheint.

Ist man hier nicht gerührt und tief betroffen, zählt man offenbar zur hartgesottenen Spezies der Menschheit. Aber was ist eigentlich bei dem Ganzen herausgekommen? Dass man sich in nur eineinhalb pausenlosen Stunden, die endlos zu währen scheinen, gelangweilt hat wie selten im Theater… Beifall für die junge Autorin, die mit „gut gemeint“ sogar am Burgtheater landen konnte. Das ist ein größeres Kunststück als ihr Stück.

Renate Wagner

 

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