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WIEN/ Staatsoper: LOHENGRIN. Nicht nur der Ritter strahlte. Letzte Vorstellung der Premierenserie

29.04.2014 | KRITIKEN, Oper

STAATSOPER WIEN – LOHENGRIN – 28. April 2014

Nicht nur der Ritter strahlte!

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Foto: Wiener Staatsoper/Pöhn

 Von einem Erfolg in der Tagespresse und im Feuilleton konnte man nicht gerade sprechen nach der Premiere von Richard Wagners Lohengrin an der Wiener Staatsoper. Das in Koproduktion mit Zürich produzierte und heute äußerst schwierig zu inszenierende Werk wurde von Regisseur Andreas Homoki nämlich in ein älplerisches Gasthaus verfrachtet. Und natürlich sorgte allein schon dieser Regieeinfall für Unmut und der Buh-Orkan der Premiere war quasi zu erwarten gewesen. Aber geht man an die Aufführung (ich sah die letzte der Premierenserie) unvoreingenommen heran, dann zeigt sich, dass hier hochspannendes und auch in musikalischer Hinsicht (mit Abstrichen) äußerst qualitätsvolles Musiktheater geboten wird. Klar, es hakt schon ein wenig, wenn König Heinrich hier als zweitklassiger Provinzpolitiker auftritt und sein Heerrufer ein Parteisekretär mit Aktentasche ist. Aber vom inszenierten Vorspiel, das besonders die Vorgeschichte der Beziehung Elsa-Telramund zum Inhalt hat, bis zum beeindruckenden Finale brodelt es auf der Bühne. Beim Finale II saß ich angespannt auf der Sitzkante und fieberte mit, obwohl schon jahrzehntelang Lohengrin-erfahren. Stringente Personenregie und sehr praktikable Choreographie der Massenszenen (und davon gibt es ja im Lohengrin jede Menge) sind das große Plus dieses Abends.

 Das Einheitsbühnenbild von Wolfgang Gussmann (Franck Evin sorgte für das Licht) drängt die Handlung zwar manchmal auf sehr engen Raum zusammen, sorgt aber durch seine Bühnenbox für eine tolle Akustik – besonders für den ausgezeichneten Chor. Homoki inszenierte quasi zwei Handlungen, einerseits die herkömmliche Geschichte des Gralsritters und andererseits zeigte er die Enge der bäuerlichen Gesellschaft (mit vielen Lodenjankern und Dirndeln) und deren Unbarmherzigkeit, die ein Städter wie ich es bin, oftmals gar nicht nachvollziehen kann.

 Hauptanteil an der Spannung, die Homoki mit seiner Personenführung erzeugte, hatte natürlich auch der musikalische Leiter des Abends, der junge finnische Dirigent Mikko Franck, der erst in allerletzter Minute in die Produktion geholt wurde, nachdem Bertrand de Billy nach Differenzen das Handtuch geworfen hatte. Und was Franck mit dem Wiener Staatsopernorchester an Klangmöglichkeiten herausholte, war schlichtweg sensationell.  Ich denke, das sollte der Beginn einer großen Karriere sein.

 Ohne jetzt näher auf alle Regieeinfälle eingehen zu wollen, die von den Bewahrern der reinen Kunst (man darf schon sagen: natürlich) nicht goutiert werden, und die auch nicht in allen Fällen wirklich geglückt sind, überzeugte mich das Gesehene zu 99 %. Beim Gehörten muss ich ein paar Abstriche machen, die in erster Linie dem Heerrufer (Detlef Roth) und der Ortrud (Michaela Martens) anzulasten sind. Der bei der Premiere ausgebuhte Roth muss schon tolle Nerven haben, wenn er alle Folgevorstellungen weitersingt und sich in der von mir besuchten Aufführung eigentlich gar nicht so schlecht schlug. Staatsopernniveau war es sicher nur am Rande, aber das gilt auch für anderen derzeitige Besetzungen. Bei der Rundfunkübertragung der Premiere fand ich eigentlich Michaela Martens über weite Strecken durchaus in Ordnung, der Live-Charakter wurde durch ein häufiges Anschleifen der Töne getrübt.

 Durch gar nichts getrübt war hingegen der Titelheld Klaus Florian Vogt. Ja, über ihn gehen die Meinungen auseinander, aber schon im Bayreuther „Ratten“-Lohengrin harmonierte sein helles Timbre mit der Rolle perfekt. Und wie er mit seiner strahlenden Höhe auch über die lautesten Orchesterstellen drüber kam, da kann mir keiner erzählen, dass es sich bei ihm nicht um einen Helden-, sondern einen Bubi-Tenor handelt. Chapeau, auch dafür mit welchen Verkrümmungen und in welchen Körperpositionen er singen musste. Stürzten Sänger bei der Gralserzählung schon an der Rampe stehend ab, so holte er aus diesem Paradestück der Oper im Bühnenhintergrund und am Boden kauernd liegend und sitzend alles heraus. Auf dem gleichen Niveau angesiedelt war der Friedrich von Telramund: Wolfgang Koch ließ hier (sie entschuldigen) voll die Sau raus. Darstellerisch präsent von der ersten Sekunde an bis zu seinem Tod, ja auch sein aufgebahrter Körper nahm einen noch gefangen, und stimmlich bot er einfach höchste Baritongesangskultur. Auch wenn er in den Sprechgesang wechselte, tat er es mit einer Selbstverständlichkeit – einfach Weltklasse.

 Nach der Premiere war ich von Camilla Nylunds Elsa ein wenig enttäuscht, zu viel Tremolo, zu schneidend in der Höhe kamen die Töne aus dem Radio. Und auch im ersten Akt war der Livegesang nicht besser. Aber – welch Wunder – ab dem zweiten Akt sang sie voll auf Linie, das „Wobble“ verschwand fast zur Gänze und sie steigerte sich im dritten Akt nochmals. Etwas durchwachsen fand ich hingegen Günther Groissböck als Heinrich. Ihm fehlt wohl noch das Alter, vielleicht wird sein Bass noch schwärzer, in dieser Aufführung kam seine Stimme ein wenig körperlos rüber, wenngleich natürlich seine immer besser werdende Technik positiv vermerkt werden muss. Auffallend die besondere Textdeutlichkeit aller Sänger (mit Ausnahme von Frau Martens).

 Zum Abschluss noch ein Extralob für den Wiener Staatsopernchor, der eine phänomenale Leistung bot und auch entsprechend akklamiert wurde. Jubel auch für die Sängerriege, den Dirigenten und das Orchester.

Ernst Kopica

 

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