WEIMAR / Schiller Museum:
Caspar David Friedrich, Goethe und die Romantik in Weimar
(bis 2.März 2025)
DRESDEN / Albertinum:
Caspar David Friedrich – Wo alles begann
(bis 5. Jänner 2025)
Der Eichwald brauset
In der Ausstellungsvitrine im Schiller Museum, einem Zubau zum Schillerhaus in Weimar, liegt ein unscheinbarer Zettel mit Zeilen von Caspar David Friedrichs Hand. Es ist ein Exzerpt aus den „Piccolomini“, dem zweiten Teil der Wallenstein-Trilogie: Das hier abgeschriebene Lied von Wallensteins Tochter Thekla beginnt, als wäre es die Beschreibung eines Landschaftsbildes von Friedrich: „Der Eichwald brauset, die Wolken ziehn.“
Thema der Ausstellung ist die Beziehung des Malers zur Literaturstadt Weimar, freilich weniger zu Schiller als zu Goethe, der ja selbst gezeichnet hat, mit einer ausgeprägten Vorliebe für Landschaften, wie einige Exponate beweisen: In den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts beschäftigte er sich als Dichter wie als Zeichner mit dem Mond; die von ihm als „Mondscheine“ bezeichneten Blätter halten den Mond und sein Licht im Bild fest, also Themen, wie sie später die Romantik liebte. In einer Landschaftszeichnung von 1810 will man sogar den Einfluss Friedrichs auf Goethe erkennen.
Tatsächlich waren sich die beiden Künstler zu diesem Zeitpunkt schon begegnet, und Goethe hielt 1810 nach einem Besuch im Maleratelier in Dresden in seinem Tagebuch fest: „Wunderbare Landschaften“. Die Beziehung Friedrichs zu Weimar und Goethe begann aber schon fünf Jahre früher. Im Rahmen der Weimarer Preisaufgaben zeichnete Goethe 1805 zwei Sepiazeichnungen des Malers mit der Hälfte des ersten Preises aus: Wallfahrt bei Sonnenuntergang und Herbstabend am See, beide in Weimar nun ausgestellt. Der Wettbewerb bezog sich auf die Taten des Herakles; obwohl die inhaltlichen Vorgaben offensichtlich nicht erfüllt waren, überzeugte die virtuose Sepiatechnik bei der Preiszuerkennung.
Herzog Carl August von Weimar kaufte 1810 fünf Gemälde direkt beim Künstler an, später noch weitere, und Goethe erwarb mehrere Zeichnungen für Weimar von ihm. 1816 ließ er bei ihm anfragen, ob er nicht Wolkenstudien zu wissenschaftlichen Zwecken und Kategorisierungen liefern wolle, erhielt aber eine wohlbegründete Absage. Die Sendbotin berichtete von ihrem Misserfolg: „Viel Vorstellungen, Bitten, süße Worte waren diesmal verschwendet, der Mensch ist wirklich in den zwei Jahren, da ich ihn nicht gesehen, eingedorrt u etwas steinern geworden… er fürchtet künftig müssten nun die leichten freyen Wolken sclavisch in diese Ordnung in den Bildern eingezwengt werden.“
All dies ist in der Ausstellung durch Originaldokumente und die entsprechenden Zeichnungen und Gemälde belegt. Darüber hinaus sind auch andere Maler der Romantik, die mit Caspar David Friedrich und mit Weimar in Verbindung standen und dort gesammelt wurden, präsent – als prominenteste Philipp Otto Runge und Georg Friedrich Kersting.
Die Nähe zu Dresden erleichterte diese Kontakte. Friedrich lebte mehr als vierzig Jahre in der sächsischen Residenzstadt. So ist es nur eine Ehrenpflicht, dass ihm seine Wahlheimat die dritte und letzte Großausstellung zum Jubiläumsjahr seines 250. Geburtstages widmete.
„Wo alles begann“ nennt sie sich und verweist sehr intelligent darauf, dass Friedrich zwar seine Lehrjahre hinter sich hatte, als er nach Dresden kam, aber die Bekanntschaft mit den Werken der berühmten Königlichen Gemäldegalerie eine unschätzbare Quelle der Inspiration für ihn war. Vor allem die Landschaftsmaler des 17. Jahrhunderts, wie Ruisdael oder Claude Lorrain, oder Genremaler wie Terborch und Wouwerman, die alle auch im Original zu sehen sind, ermöglichen einen neuen Blick auf das Werk Friedrichs.
Als Kontrast wiederum sind etwas ältere Landschaftsmaler ausgestellt, die bewusst machen, dass Friedrich die bis dahin gültige Tiefenleitung des Betrachterblickes durch rahmende Bäume verschmähte: Er versperrte diesen Tiefenblick oft bewusst durch ein quergestelltes Felsmassiv oder einen dichten Wald.
Anders als in der Hamburger Kunsthalle, die ihre Ausstellung primär chronologisch aufbaute, sind die Gemälde nach Themengruppen geordnet: Farbe, Luft, Bäume, Friedhöfe, Politik, Religion – immer wieder auch mit Vergleichsbeispielen anderer Maler. Gegenüber den einzelnen Themenkojen ist eine lange Wand mit Gemälden von Zeitgenossen aus den Dresdner Sammlungen in Petersburger Hängung (dicht an dicht) gestaltet: Damit wird die Revolution der Landschaftsmalerei durch Friedrich greifbar gemacht. Seine Bilder brauchen Luft um sich. Luft, die keiner bisher so malen konnte wie Caspar David Friedrich.
Damit neigt sich sein Ehrenjahr in Deutschland dem Ende zu. Mehr als nur eine Zugabe liefert 2025 das Metropolitan Museum in New York, wenn viele der 2024 in Hamburg, Berlin und Dresden ausgestellten Gemälde das kommende Frühjahr in den USA verbringen werden. Da heißt es dann: Caspar David Friedrich – The Soul of Nature (8. Februar bis 11. Mai 2025). Das Ausstellungsplakat ziert „Der Wanderer über dem Nebelmeer“, der noch wenige Wochen im Dresdner Albertinum zu bewundern ist.
Alexander Marinovic