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Walter Kobéra: BEGEGNUNGEN

01.11.2023 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Walter Kobéra /  Peter-Sylvester Lehner
BEGEGNUNGEN
EINE LUSTFAHRT DURCH NEUEOPERNWELTEN
256 Seiten, echomedia buchverlag, 2023

Der wahre Opernfreund schreitet seine Interessen nicht nur zwischen Tristan und Don Giovanni, Rosenkavalier, Aida oder Tosca aus, die Werke jener fünf Komponisten, die das Repertoire der Opernhäuser beherrschen. Es wurde zu allen Zeiten unendlich viel auf dem Gebiet der Oper geleistet. Und dass man in Wien in den letzten Jahrzehnten vieles von dem Neuen und Allerneuesten sehen durfte, verdankt man in erster Linie der Neuen Oper Wien, die seit 30 Jahren von dem „Mann der ersten Stunde“, Walter Kobéra, geleitet wird und wohl als sein Werk erachtet werden kann. Mit nimmermüdem Elan hat er das Unternehmen von einer Produktion zur nächsten geführt.

„Begegnungen“ nannte Walter Kobéra das Buch, das er nun  mit Co-Autor Peter-Sylvester Lehner, einem  Vorstandsmitglied der Neuen Oper Wien,  heraus gebracht hat. Denn „die Summe der Begegnungen des Intendanten“ mit Menschen, mit Werken, machen nach dessen Selbstaussage die Arbeit der letzten dreißig Jahre aus.

Wie es begann? Eigentlich schon, als der kleine Junge Walter Kobera, kaum eine Geige haltend, sich schon für die Musik des 20. Jahrhunderts interessierte. Die solide Karriere führte von „im Orchester“ vor das Orchester. Und die Neue Oper?

„Die Geschichte der Freien Wiener Opernszene beginnt in einem Psychiatrischen Krankenhaus“,  heißt es pointiert, aber Opernfreunde, die alt genug sind,  erinnern sich gut, was es bedeutete, auf der Baumgartner Höhe zu diesem wunderbaren Jugendstilbau von Otto Wagner hoch zu steigen und dort Oper zu erleben, in diesem so besonderen Raum.

Wesentlich für den Startschuß war die Begegnung Kobéras  mit dem Regisseur Olivier Tambosi, der die Institution „Neue Oper Wien“ gegründet hatte. Sie machten ab  1990 einige Produktkonen mitsammen, wobei dem Publikum die Haare zu Berg standen, als Tambosi in der „Zauberflöte“ gut und böse quasi umdrehte – damals war das noch nicht so üblich wie heute, wo sich niemand mehr über solche Regieideen erregen würde…

Tambosi ging, Kobera blieb und bestimmte in der Folge ab 1993 als alleiniger Intendant auf hohem Niveau die Geschichte der Neuen Oper Wien, die hier bis ins Detail ausführlich erzählt wird, oft auch mit Anekdotischem versetzt. (Ioan Holender kam zu spät zu einer Aufführung, begehrte Einlaß, „Ich bin der Direktor der Wiener Staatoper“, Antwort: „Das kann jeder sagen.“)

Der Weg durch die Instanzen und Institutionen ist nie reich, Politiker müssen überzeugt, Gelder lukriert werden. Und dann geht es um die Produktionen, um das  Repertoire, wo Außerordentliches gewagt und geleistet wurde, aber auch um grundlegende Überlegungen a priori vor jeder Produktion: Jedesmal, sagt Kobéra, muss man „gedanklich wieder bei Null beginnen.“

Das betrifft auch die Räume die man wählt, das betrifft die Besetzung der Rollen (wo sich Regie und Dirigent durchaus nicht immer einige sein können) –  alles muss zusammen stimmen, damit ein „Gesamtkunstwerk“ entsteht. Die Schwierigkeiten sond immer andere und oft groß. Anerkannt wurden die Erfolge nicht zuletzt durch die Angebote des Theaters an der Wien; der Bregenzer Festspiele und anderer Institutionen zu Co-Proudkit9en.

Die Ideen sind Kobéra, der es in mehr als drei Jahrzehnten auf mehr als hundert Aufführungen moderner Opern brachte, nie ausgegangen. Er brachte Friedrich Cerha und Peter Eötvös, Harrison Birtwistle und Tan Dun, Alfred Schnittke und Philippe Boesmans, Manfred Trojahn und  Bernhard Lang – wer zählt die Namen. Und wer wird sich nicht an die sensationelle „Billy Budd“-Aufführung erinnern, in der man Adrian Eröd quasi „entdeckt“ hat? Der Argentinier Fabián Panisello ist in der ersten Premiere 2023/24 wieder vertreten. Die Neue Oper Wien kann (in Verbindung mit anderen Institutionen) längst Auftragswerke bestellen.

Wer Listen liebt, wird am Ende reich beschenkt: Tabellarisch sind sämtliche Aufführungen der Neuen Oper Wien aufgelistet (vielen ist man während des Buches in eindrucksvollen Bildern begegnet, die Erinnerungen wecken). Das Buch steigt detailreich in so gut wie alle Aspekte ein, die sich im Lauf der Arbeit ergeben, es ist wirklich für Fans des Unternehmens geschrieben, die dabei waren und sich freuen, vieles genau zu erfahren.

Walter Kobéra verheimlicht nicht, dass es für ihn schwere Zeiten waren, als 2021 politische Diskussionen über die Zukunft der Neuen Oper Wien durch die Medien gingen, das Bestehen selbst  in Frage gestellt wurde und er sich selbst fragen musste, wo die Wertschätzung für seine Arbeit sei.

Nun, wer dieses Buch liest, wer sich durch diese Arbeit blättert, wer ihm ein treuer Besucher durch die Jahrzehnte hindurch war, wird sich mit dieser Wertschätzung und Würdigung einer Leistung nicht schwer tun.

Renate Wagner

 

 

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