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WAIDHOFEN/ Ybbs: GÜNTHER GROISSBÖCK UND DIE TRACHTENMUSIKKAPELLE WINDHAG IM ALPENSTADION

22.08.2020 | Konzert/Liederabende, Oper


Copyright: Mostropolis

Waidhofen an der Ybbs:

Günther Groissböck und die TRACHTENMUSIKKAPELLE WINDHAG im Alpenstadion – „Wahn! Wahn! Überall Wahn! – 21.8.2020

Nach witterungsbedingter Absage des ursprünglich für den 13.8. geplanten Konzerts konnte dieses  nun bei wunderbar ruhigem, beschaulichem Sommerabendwetter  nachgeholt werden. 1200 Besucher waren – mit den nötigen Abständen – im riesigen Sportareal zugelassen, wofür man Sessel aus ganz Niederösterreich, größtenteils aus dem Stift Melk nach Waidhofen transportiert und auf fast jeden  Sitz vorsorgenderweise ein Pächchen mit einem Regenschutz gelegt hatte. Was mir schon bei meinem Waidhofen-Aufenthalt im Juli aufgefallen war: die größtenteils aus dem Mostviertel kommenden Besucher bezeugten einmal mehr ihr großes kulturelles Interesse. Was man diversen Gesprächen vor und nach dem Konzert entnehmen konnte, waren da nicht nur Zufallsbesucher zugegen, sondern Wissende aller Generationen, die sich  über kulturelle  Themen unterhielten. Und wieder einmal war es das Land Niederösterreich, das einen kräftigen finanziellen Zuschuss leistete.

Selbstverständlich erhöhte die sensationelle Mitwirkung des aus Waidhofen gebürtigen Opernweltstars und eines lokalen Blasorchesters das Interesse von Angehörigen und Freunden. Und ich glaube kaum, dass da jemand zuhause geblieben ist, weil er meinte, Wagner sei zu schwer verständlich. „Leuten die Angst nehmen“ wollte der Sänger, aber ich meine, die gab es gar nicht.

Günther Groissböcks Auswahl der Musikstücke war auch wirklich optimal. Wie schon bei seinem Liederabend in der Wiener Staatsoper verzichtete er auf Liebesgesänge (deren es für Bässe in großen Opern ja auch nicht so übermäßig viele gibt) und ließ historische Themen, menschlich-künstlerisch-politische Überlegungen von allgemeinem Interesse und Mythisches aus der germanischen Götter- und Heldenwelt zu Wort und Ton kommen. Und natürlich waren es Opernausschnitte, in denen Wagner den Bläsern eine dominierende Rolle zugewiesen  hat. Wie ich hörte, hatte diese Musikergruppe aus einm Dorf südlich von Waidhofen bereits einen sehr guten Ruf.

Alle Künstler saßen an der Westwand des Stadions unter Dach und brauchten nicht um ihre Instrumente zu fürchten. Das Publikum allerdings saß ungeschützt unter dem diesmal gnädigen Himmel und hätte auch bei plötzlichem Regen oder gar Wolkenbruch nirgends Zuflucht gefunden.

Das einzige, was störte, waren die allzu laut eingestellten Lautsprecher. Bläser sind ja in der Regel  gut hörbar und der Bassist wäre es auch ohne die übertriebene Stimmverstärkung gewesen. (Aber man hatte ja wohl zuvor nie vor Publikum die Akustik testen können.)

9 Querflöten, 3 Oboen, 3 Fagotte, 15 Klarinetten, 5 Saxophone, 8 Hörner, 7 Flügelhörner, 5 Trompeten,  7 Posaunen, 5 Tenorhorn/Bariton-Spieler, 5 Tuben, 4 Schlagwerker, ein Kontrabass und 2 Harfenistinnen bildeten das insgesamt 79-köpfige Orchester. Und das spielte so gut, dass es nicht einmal zu den von berühmten Profis oft getätigten „Schmissen“ kam. Liest man die Namen der MusikerInnen, so kommt allein der Name Maderthaner, wie auch der Dirigent heißt, noch 7 Mal unter diversen Bläsern vor. Es handelt sich also um eine große Familie, für die dieses Ereignis gewiss  ein Höhepunkt ihrer musikalischen Betätigung bleiben wird. (Gegen Wiederholungen solcher Events hätten wir freilich nichts!)

Sinnvollerweise begann der Abend nicht mit dem feinen, leisen „Lohengrin“-Vorspiel, sondern mit der kraftvollen Einleitung zum 3. Akt, von Richard Wagner „sehr lebhaft“ gewünscht, als freudvolle Hochzeitsvorbereitung für Elsa von Brabant mit dem ihr noch als solcher unbekannten Gralsritter.  In jubelndem 4/4-Takt delektierten sich die Holz- und Blechbläser an dem freudigen Ereignis, das den Dirigenten Thomas Maderthaner bereits als großen Kenner und Könner auswies. Delikat auch die abschließenden piano-Takte und Triller. 

Es lag nahe, dass sich Günther Groissböck nun vokal als König Heinrich der Vogler vorstellte, der im 9. Jahrhundert die sächsischen, thüringischen und brabantischen Edlen gegen „der Ungarn Wut“ in den Krieg geführt hat. „Mein Herr und Gott, nun ruf ich dich…Des Reinen Arm gib Heldenkraft, des Falschen Stärke sei erschlafft …so hilf uns Gott zu dieser Frist, weil unsre Weisheit Einfalt ist.“ Das sang der Bassist mit so edler Stimme, natürlich anmutender Kraft und hörbarem Glauben an die Begrenztheit menschlichen Wissens und Handelns, dass dieses von den Bläsern ebenso edel begleitete Solo dem Abend bereits große Bedeutung gab. Möglich, dass es das Interesse manches Schülers an deutscher Geschichte geweckt hat.

Elsas Zug zum Münster mit den diversen Holzbläserdelikatessen war ebenso vom Glauben an das Gute getragen. Und zuletzt – Effektvolleres hat Wagner für die Bläser kaum geschrieben als den Aufzug der Heere im 3. Akt (wobei in manchen Opernaufführungen die Bläsergruppen auch an mehreren Stellen im Zuschauerraum zum Einsatz kommen). Da konnten sich die Windhager Musiker voll ausleben als „Edle von Brabant“, die König Heinrich aufforderte, „Für deutsches Land das deutsche Schwert“ zu erheben. Da ja jedes kräftig gesungene Wort ganz klar herüberkam, erbebte man insgeheim angesichts der derzeitigen Weltlage, wo die führenden Machthaber aller Kontinente nichts Besseres zu tun haben, als auf diese Art „ihr Volk“ zum Kampf gegen alle anderen aufzurufen.

Aus Wagners großer Komödie „Die Meistersinger von Nürnberg“ sang Günther Groissböck die beiden wundervollen Monologe: „Was duftet doch der Flieder“ singt Hans Sachs an einem lauen Sommerabaend. Da ist extreme Lautstärke nicht angesagt. Wenn Groissböck die Rolle einmal auf der Bühne singt, wird er erkennen, dass vokale Zurückhaltung seinem Durchhaltevermögen bis zum Ende der Riesenrolle guttun wird. Wieder beindruckte seine Wortdeutlichkeit, aber bei leiserem Gesang hätte dieser gewiss an Schönheit gewonnen. Und auch der so gescheite Wahnmonlog bedarf nicht extremen Stimmeinsatzes, um zu beeindrucken. Der gescheite Schusterpoet  soll sich mit seinen klugen Statements ja auch nicht plagen! – Dazwischen ließen die Bläser ein wunderbares „Wach auf!“ erklingen.

Wagner hat wohl gewusst, warum er in Bayreuth bei seinen langen Opern jeweils 2 einstündige Pausen einlegte.  Damals wusste man ja noch nichts von Corona….

Zweimal durfte sich Günther Groissböck – nach Entfall seines für heuer geplanten Wotan-Debuts – nun als der große Gott vorstellen. Der orchestrale bzw. vom gewichtigen Bläserensemble dargebotene Ritt der Walküren bereitete pure Freude.
Ermüden oder gar einschlafen konnte da wirklich niemand! Wobei noch erwähnt werden muss, dass Thomas Maderthaner ein untrügliches Gespür für die richtigen Tempi und die lautstärkemäßige Differenzierung der einzelnen Abschnitte zeigte. Da rührte sich etwa in den Lüften!  Wunderbar dann die Ausschnitte aus „Rheingold“ und „Siegfried“: Groissböck als Wotan mit dem Einzug der Götter in Walhall, das man sich im bereits völlig  eingedunkelten Naturambiente des wunderbaren Ybbstales mühelos irgendwo auf dem angrenzenden Buchenberg vorstellen konnte und dem „Gott“ nicht ungern dahin gefolgt wäre…

Siegfrieds Trauermarsch geriet ebenso beklemmnd wie Wotans Abschied  und der Feuerzaubern erhebend. Ein bisschen musste der Sänger sich da schon mit manchen Tönen plagen, ehe sie wirklich „saßen“.  Sobald Corona überstanden ist, wird sich das alles konsolidieren  – unter normalen Verhältnissen und Festspielbedingungen mit  Pausen …

Das sehr disziplinierte Publikum durfte auf sich stolz sein. Das waren doch ein paar „Brocken“, die es in einem Konzertsaal so nie mitbekommen hätte , aber sicherlich im Zusammenhang mit den gesamten Wagner-Werken  schätzen würde.
Hoch lebe die Provinz!   

Sieglinde Pfabigan

 

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