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WIEN/ Peterskirche/Krypta: DER FLIEGENDE HOLLÄNDER

Oper in der Krypta der Peterskirche 16.10.2021: „DER FLIEGENDE HOLLÄNDER“

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Senta (Magdalena Renwart-Kahry) und Holländer (Florian Pejrimovky).  c: In höchsten Tönen)

Fliegen kann er auch in weit größeren Räumlichkeiten nicht. Das hat ihm Richard Wagner schon zur Entstehungszeit des Werkes angedichtet, nachdem dem jungen Komponisten mit seiner Frau Minna das Erlebnis einer stürmischen nächtlichen Seefahrt  zwischen Dänemark und Norwegen auf einem hin- und hergerissenen Frachtschiff widerfahren war und ihn die Sage vom verfluchten Seefahrer nicht mehr losließ, bis er daraus eine Oper gemacht hatte. So beengt wie im unterirdischen Bühnenraum der Wiener Peterskirche – nahe dem dicht bevölkerten Graben im 1. Wiener Gemeindebezirk mit seinen unzähligen Restaurants im Freien an diesem frühherbstlichen Samstagabend – hat der Verdammte aber wohl noch nie sein gewaltiges Sangespensum absolvieren müssen. Aber sowohl er als auch seine Sangeskumpanen – insgesamt nur ihrer vier – konnten uns das Fürchten lehren. Gestützt und gewaltig animiert von einem „Orchester“ namens Mariam Bombrun, einer relativ jungen französischen Meisterpianistin, und minimalen regielichen  und schlichten kostümlichen Beiträgen des gesamten Ensembles.

Ja, das gibt es, betonte die Intendantin der „OPER in der KRYPTA“, Dorothée Stanglmayer, zu Beginn der Abends und in ihren Dankesworten am Ende.

Mit ihr als Opernfan seit Kindestagen (Tochter einer Sängerin und eigene Ballettausbildung) an der Spitze, dem Holländer-Sänger als künstlerischem Leiter, der Pianistin als musikalischer Chefin und ein paar Helfern mit Licht und Requisiten (Treppen werden verschoben oder aufeinander gelagert) gibt es seit längerem nun neben den allmonatlich im „Merker“ rezensierten Liederabenden eine beachtliche Anzahl an Opern – demnächst Bellini/Mozart/Haydn Arien & Lieder, Don Giovanni, Winterreise, Hänsel und Gretel, Die Fledermaus, La Bohème und Il Trovatore…

DAS Erlebnis bei all diesen Darbietungen ist natürlich die Nähe der Künstler zum Publikum – und umgekehrt. Die ersteren müssen sich bloßstellen, die letzteren gleichsam berühren lassen. Bei Schubert-Liedern oder Hänsel und Gretel vielleicht nichts so Besonderes, aber beim Fliegenden Holländer … Florian Pejrimovsky, trotz seines slawischen Namens ein Wiener, von harmlosem, in seinem schlichten dunklen Gewand und ohne Schminke keinesfalls furchterregendem Aussehen, vermochte seinem dunklen Bassbariton all die schrecklichen Erinnerungen und gegenwärtigen Gefühle abzugewinnen, die uns Gänsehaut verursachten. Auch die pure Stimmkraft war da, um dem Gesungenen den vom Komponisten erwarteten Nachdruck zu verleihen. Nicht uninteressant der finale Abstieg Sentas mit dem Holländer in die Tiefen hinter dem Treppenaufbau und deren Wiederauftauchen beim finalen Erlösungsmotiv.

Magdalena Renwart-Kahry nach ihren Ausbildungsjahren und vielen Auftritten hier nun als Senta zugeführt – und sie war es auch! Ungemein sympathisch in ihren uns und ihrem unglücklichen Freund Erik mitgeteilten Träumen von jenem verdammten Seefahrer, mit in allen Lagen tragfähigem Sopran und erkennbarer innerer Freude an diesen sie offenbar beglückenden Phantasien sowie der nachmaligen persönlichen Begegnung mit dem erlösungssbedürftigen Verdammten. Mit sanftem Bedauern blickte sie immer wieder auf den jammernden Erik, dem solche Gedanken offenbar fremd waren. Der junge Südkoreaner  Lucas Juhyuk Kim konnte einem aber auch wirklich leidtun, schon deshalb, weil seine wunderschöne Belcantostimme offensichtlich bei der geliebten Frau keine Echo fand…

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Senta (Magdalena Renwart-Kahry )  und Erik(Lucas Juhyuk Kim). Foto: „In höchsten Tönen“

Diese drei Solisten vermochten auch mit wenigen Bewegungen die inneren Reaktionen der darzustellenden Figuren zu vermitteln. Dagegen war der Bassist Seongchan Bahk, ebenfalls Südkoreaner, als Vater Daland doch wohl noch ein bisschen zu jung – er wusste nie so recht, was er mit seinen Händen anfangen sollte. Die Stimme klang anfangs fast tenoral, ehe man staunend seine beachtlichen Bassreserven zu hören bekam. Optisch glich er halt eher Sentas jüngerem Bruder. Da vermisste man wohl die allen Sängern vorenthaltene Schminke.

Gar nichts vermisste man seitens der Dame am Bösendorfer.  Paris und Wien als Hauptausbildungsstätten und zahlreiche Meisterkurse haben uns die hochtalentierte Musikerin Mariam Bombrun zugeführt, für die es in Wagners keinesfalls anspruchsloser Partitur offenbar keine Probleme, aber unsägliche Anregungen gibt, ohne Orchester auszukommen. Mit der größten Selbstverständlichkeit verliert die lange Ouverture keinen Moment ihre Spannung, kooperiert die Pianistin mit den Sängern in einer Weise, die ihnen den Vortritt lässt, ersetzt hörbar  die nicht präsenten Rollenträger (Steuermann, Mary) und die Chöre in allen drei Akten. Bravissimo!

Am 23.10., 20,00 Uhr, gibt es einen „Holländer“-Reprise.  Tel. 0680 318 33 11.

Sieglinde Pfabigan

 

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