Volksoper Wien
Leo Falls “MADAME POMPADOUR” Premiere 8.Juni 2012
Die Markise in der Humorvernichtungsanstalt
Es ist ja kaum zu glauben, dass der seit einigen Tagen auf You Tube laufende, berührend stimmige, professionelle Beitrag zu dem Flashmob “Carmina Burana” in der großen Halle des Wiener Westbahnhofs aus dem selben Institut stammt, welches die gestrige, quälend langweilige, unter dem Titel “Madame Pompadour” gezeigte Veranstaltung verantwortet. Ja fällt denn keinem der Verantwortlichen auf, wie hanebüchen, wie unprofessionell da die Dialoge dahinstolpern, wie die schon von Haus aus müden Pointen gähnenswert verschenkt werden, wie da unverständlicherweise Leerläufe entstehen, wie dazu das Gesprochene meist unverständlich geboten wird. Und das in einem Stück, in welchem die dialogischen Anteile überwiegen, aber in denen die Humorhöhepunkte darin bestehen, die Marquise abwechselnd als Markise, als Rollladen oder Jalousie anzusprechen.
Annette Dasch, Elvira Soukop. Foto: Barbara Zeininger
Allzu betulich läßt Hinrich Horstkotte die Handlung ablaufen, die Vorteile, die er sich mit den selbst kreierten, durchaus gelungenen Kostümen und den bunten Bühnenbildern schafft, verspielt er wieder durch sein Unvermögen, den Szenen mehr Leben einzuhauchen, Tempo und Witz vorzugeben, den oftmaligen Wechsel zu den Gesangsnummern zu beschleunigen. Das Programmheft zählt eine Reihe von Helfern auf, die immerhin in jenem Wiener Institut arbeiten, welches sich die Pflege der Operette auf die Fahnen geschrieben hat. Ist da niemand dabei, der oder die das Gespür für dieses Medium im kleinen Finger hat und der oder die die Wirkung der inszenatorischen Arbeit kontrolliert und Massenflucht von Zuschauern nach der Pause verhindert. Oder ist Operette heute wirklich schon so zahnlos, so wenig fesselnd, mit einem Wort: so fad geworden?
Und mit dieser Frage kommt man unwillkürlich zum musikalischen Anteil des Abends. Da versichert man sich mit dem Engagement von Annette Dasch eines Publikumsmagneten, allerdings ist sie wieder jeder Zoll eine innige Elsa, also mit dem Kehlkopf bereits in Bayreuth und daher nur bedingt eine glaubwürdige Pompadour, noch dazu, als statt erwartetem gesanglichem Feuer eher die innere Glut dieser Rolle gesanglich zum Ausdruck kommt. Es zündet nicht, sie zündelt nur. Arg zerzaust und nur bedingt lustig Heinz Zednik als König, Mirko Roschkowski als René bietet einen hübschen, leichten Tenor der leider allzu halsig klingt. Der Gewinner des Abends ist Boris Pfeifer, der nicht die große Stimme, aber die notwenige Lockerheit für den Buffo mitbringt. Das Duett mit der Pompadour vom keuschen Josef ist doch die beste Nummer des Abends, auch wenn sie sehr jugendfrei geboten wurde. Beate Ritter fällt positiv als Belotte auf, aber weder Gerhard Ernst als Polizeiminister noch Wolfgang Gratschmaier als Poulard können mit den dümmlichen Texten wirklichen Humor entfachen, auch nicht Marian Olszewski als Boucher und die vielen anderen Typen, welche die Bühne bevölkern.
Wenigstens Andreas Schüller holte mit dem Volksopernorchester die vielen feinen musikalischen Anteile der silbernen Operettenära aus der Partitur dieses Stückes, mit dem sich der Komponist wenig später von der Welt verabschiedete.
Fast neun Minuten musikuntermalte Nachspielzeit erbrachten durchaus freundlichen Applaus, auch der Regisseur war unter den Beklatschten, so unauffällig wie seine Arbeit.
Peter Skorepa