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VERONA/Arena „UN BALLO IN MASCHERA“ Premiere 20.Juni 2014

21.06.2014 | KRITIKEN, Oper

ARENA DI VERONA 93. Festival
Giuseppe Verdi“
„UN BALLO IN MASCHERA”
Prima rappresentazione 20.6.2014

Im klassizischen Neuengland der Uraufführung (Foto Ennevi)

Im klassizistischen Neuengland der Uraufführung (Foto Ennevi)

 
Revival der Altmeister

 

Ihrer beider 84.Geburtstage trennen einander nur wenige Tage und ist Otto Schenk bei seinem Revival in Wien seinem Stil bei Janacek treu geblieben, so führt auch PIER LUIGI PIZZI seinen Hang zu architektonischen Visionen in den ausufernden Bühnenräumen der Veroneser Arena vor. Klassisch, wie es sein Architekturstudium nahelegt, genauer verortet im neuenglischen Klassizismus des achtzehnten Jahrhundert, stellt er in Personalunion als Bühnenbildner und Kostümdesigner seine Entwürfe auf die Bühne und es lag daher für ihn nahe, dazu die Bostoner-Version der Uraufführung zu wählen.

Das riesige Rund einer säulenumringten Kollonade auf einer Drehbühne in der Mitte als Handlungsraum für die Szenen der Ulrica, des Galgenberges und des Maskenballes und die extrem seitlich angeordneten Rundpavillons für die Handlungselemente bei den beiden, das Geschehen polarisierenden Freunden, Riccardo, dem Gouverneur und Nebenbuhler seines Kumpels Renato. Und es wäre nicht der Ästeth Pizzi, der die bei Amelia so Schaudern erweckende Szene auf dem Galgenberg in einen Pinienhain mitten in die geöffnete Kollonade verlegte. Die in extremis ausgenützte Bühnenbreite bescherte abwechselnd den beiden Seiten der Besucherränge jeweils akustische Vorteile, während dank der Bühnenaufbauten diesmal störende akustische Brechungen eher ausblieben.

Es war auch ein Kostümfest für das Pizzi sorgte, das Maskenfest des letzten Bildes fand zu beiden Seiten der Kollonaden statt, während im Zentrum ein Ballett im klassischen Outfit die Gäste unterhielt. Übrigens: Renato Zanella choreographiert jetzt in Verona.

So wie in Wien bei Otto Schenk, so wird auch in Verona bei Pier Luigi Pizzi “vom Blatt” inszeniert, das heißt ohne dass der Handlungsablauf oder die Personenführung von Deutungen oder Sichtweisen beherrscht ist. Und wenn man sich bei uns über eine derartig altvordere Regie mokiert, man muß nur die Nebensätze in den Kritiken lesen, wird das hier gar nicht erst anders erwartet. Weder vom Feuilleton, weder von den alteingesessenen Besuchern der Stadt und schon gar nicht von den weithergeholten Operntouristen, denen man schon immer eine Nivellierung des Niveus nachgesagt hat.

Nun zu dem, was in Verona immer schon vorrangig war: der musikalische bzw. gesangliche Teil. Hier haben die Sängerinnen und Sänger jedesmal den Kampf neu auszutragen gegen die großen Vorbilder, die hier bereits gesungen haben. Von Caruso abgesehen, der zu früh starb, sind an dieser Stelle tatsächlich alle großen Eliten Italiens und entsprechende Kaliber aus aller Welt in den vergangenen hundert Jahren in italienischen und französischen Opern aufgetreten; Ausflüge ins deutsche Fach, auch Wagners Walküre waren darunter oder Mozarts Giovanni vor zwei Jahren, die zählen da nicht. Dann der Kampf gegen die akustischen Tücken des Riesenovals, nur feine technische Beherrschung der Stimme zählt hier und zuletzt die Überzeugungsabeit beim so extrem sich snobistisch gebenden Stadtpublikum Veronas.

Hui He und Meli

Hui He und Francesco Meli

Das Liebespaar zuerst: Francesco Meli hat hier begonnen als Conte Almaviva und sich dank guter Technik, Phrasierung und pfleglicher Entwicklung zu einem anerkannten Zwischenfachtenor entwickelt, der ja auch heuer in Salzburg den Manrico singen wird. Er überzeugte gestern Abend zusammen mit der Chinesin Hui He spätestens im großen Liebesduett von seinen Qualitäten und sang unforciert und mit klarem Spinto alle Nuancen der Rolle aus bis hin zur Sterbeszene. Seine Partnerin hat ja schon immer das Arenarund mit ihrem warm timbrierten und durchschlagkräftigen Sopran bestens versorgt – ihre Aida zählt hier zu den derzeitigen Spitzenleistungen – und bot auch gestern, von anfänglicher Neigung zu einem stärkeren Vibrato abgesehen großen Operngesang.

Luca Salsi als Renato zeigte große Stimme, gut baritonal eingefärbt, derzeit landauf, landab eingesetzt im gängigen Rollenfach. Dass er nicht seinen besten Abend hatte zeigte sein manchmal wenig überzeugendes Höhenregister, das im Gegensatz zu seinem derzeitigen Auftrittsregister in aller Welt steht. Vor rund dreissig jahren gewann sie den “Concorso Mattia Battistini” in Rieti, viel übrig geblieben ist bei Elisabetta Fiorillo davon nichts, ihre Ulrica war ein tremolierender Gang durch diese Rolle, garniert mit schrillen Tönen.

Dafür war Serena Gamberoni nicht nur eine quirlige Darstellerin des Oscar sondern konnte sich auch stimmlich gut mit ihren Einlagen in Szene setzen. Seung Pil Choi und Deyan Vatchkov gaben die Oppositionsführer.

Dass auf das Spiel der Darsteller nicht nicht näher eingegangen werden muß liegt daran, dass sich dieses auf der Riesenbühne auf ein Stehen, Gehen und ein wenig Händeringen beschränken darf, auch aufs Liegen, wenn es ans Sterben geht, denn viel mehr kann man da von feiner Gestik auch nicht wahrnehmen. Es kommt nur darauf an, mit welchem Impetus hier große und opernhafte Gesten ausgeführt werden.

Große Gesten kamen dafür vom Senkrechtstarter unter den Dirigenten, Andrea Battistoni, der die oft zum Schleppen neigenden Musicisti der Arena mit Erfolg zu Verdischer Tempoentwicklung anfeuerte. Auch der Chor der Arena, das von Armando Tasso geleitete akustische Prunkstück des Festivals, setzte wie immer seine Glanzlichter.

Die durch schnelle Umbaupausen, Pizzi sei Dank, gekennzeichnete Inszenierung vertrödelten die typischen Premierenbesucher der Arena. Bis diese von ihren diversen Sektempfängen eintrudelten, verging allein zu Beginn schon mehr als eine Viertelstunde!

Viel Schönes fürs Auge, einiges an gutem Gesang, will man mehr in Verona?

 

Peter Skorepa
MERKEROnline

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung der
Fondazione Arena di Verona (Foto Ennevi)

 

 

 

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