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ARENA DI VERONA Giuseppe Verdi NABUCCO

24.06.2017 | KRITIKEN, Oper
Risorgimento

Die umkämpfte Scala di Milano während der Belagerung

 

 

 


ARENA DI VERONA  Giuseppe Verdi  NABUCCO

Saisoneröffnung 95.Opernfestival 2017

23.Juni 2017 Nuovo Allestimento/Neuinszenierung

 

Bilderbogen aus dem Alten Österreich Veneziens

 

Keine Frage, die lebhaftere Bebilderung des Opernstoffes von Nabucco, dessen gängige Melodienseligkeit ständig die Gefahr in sich barg, optisch in schablonenhafte Tableaus zu erstarren, diesem Umstand, dem sogar kein Geringerer als der Altmeister derartiger Massenbeherrschung, nämlich Franco Zeffirelli Rechnung trug, indem er einer Regiearbeit an diesem Werk hier in Verona gezielt auswich, ja, diesem Umstand auszuweichen und mit Erfolg die Bühne zu beleben war endlich einem gelungen: Arnaud Bernard.

Arnaud Bernard, auch für die Kostüme verantwortlich, geborener Strassburger, Anfang 50, verknüpfte geschickt Ereignisse aus dem Risorgimento Italiens des 19.Jahrhunderts und jene Nabuccos, die den Opernstoff von Verdis erster Erfolgsoper darstellten. Es wirkt alles tatsächlich wie eine Geschichtstunde aus dem Alten Österreich an der Verdi mit seiner ersten Erfolgsoper und die Figuren des Risorgimentos, denen er ja mit ganzer Seele folgte, teilnehmen.

Die Klammer ist die Mailänder Scala…

…die Allessandro Camera, ein an der Accademia di Belle Arti di Brera, Mailand ausgebildeter Bühnenbildner dem Regisseur mitten auf die Bühne, als ein sichtlich durch die kriegerischen Ereignisse etwas ramponiertes riesiges Modell des altehrwürdigen Opernhauses stellte, deren Innenleben sich drehbar zum effektvollen Zuschauerraum mit Bühne und Logenwand wandelte, aber auch zur Innenansicht eines Verwaltungssaales.

Da wird Österreichisch-Italienische Geschichte Oberitaliens dargestellt in plastischen Bildern, Aufständen, Kanonaden mit Einschlägen in den Arenastufen, mit Straßenkämpfen, die Eroberung Mailands durch die Habsburger mit Kanonen- und Gewehrsalven und Kavallerieunterstützung. Nabuccos Einzug ist gleichzeitig auch der Auftritt sowohl Babylonischer Machtentfaltung wie auch Habsburgischer Herrschaftsanspruch, die Wandlung Nabuccos dargestellt als Attentat auf ihn und Verwandlung in einen entsprechend uniformierten Herrscher des Österreichischen Kaiserhauses, dessen Tochter Abigaille der Uniform des Gran Sacerdote nach zu schließen der Ungarischen Reichshälfte zuzuzählen wäre.

Der

Szene im Inneren der Scala

Der Gefangenenchor

…wird im „Inneren der Scala“ umgesetzt, auf dieser „Bühne“ sind jetzt die Darsteller des Nabucco-Dramas in Kostümen der alten Babylonier angetreten, im Parterre die Österreicherpartei, darunter ein starker Militäranteil, in den Logen und Rängen die Italiener, die den auf der „Bühne“ angestimmten Chor – zum heftigsten Ärger der Österreicher – flugblätterwerfend mitsingen. Kinogeher werden sofort an eine ähnliche Szene aus dem Film „Senso“ von Lucchino Visconti erinnert. Wie immer geht von einer derartigen Szenerie, nämlich der eines Theaters auf dem Theater, eine großartige Wirkung  aus, letztlich auch von der Schlussszene, die von Fahnenschwingen und „Viva Verdi“-Tafeln begleitet ist.

Die Sängerriege…

…musste sich erst von dem andauernden optischen Druck dieses „spettacolo“ freisingen, so ab dem 3.Teil, der sogenannten La Profezia hatten sich George Gagnidze als Nabucco und Tatiana Melnyschenko als Abigaile genügend eingesungen. Zuletzt in der großen Arie des Babylonierfürsten und der Befreiung Babylons/Mailands zeigte der Georgier gute Form, und ab der Sterbeszene war die Abigaille endlich auch erfolgreich gegen ihren Hang zum Schrillen und zu einem Tremolo erfolgreich.

Auch Stanislav Trofimov vermochte erst in der Großen Szene nach dem Chor zu überzeugen. Souveräne Durchschlagskraft ist, wie in der Arena erforderlich, allerdings nicht gegeben. Carmen Topciu war eine solide Fenena, Walter Fraccaro ein etwas kleinstimmiger Ismaele, der Oberpriester des Romano Dal Zovo und Paolo Antognetti als Abdallo ergänzten gut, ebenso war die winzige Rolle der Anna mit Madina Karbeli aus dem concertato gut herauszuhören.

A

Ankunft Nabuccos mit Abigaille bzw die Habsburgischen Potentaten in Venezien

Über den Chor der Arena

…kann man auch diesmal vom gesanglichen Rückgrat sprechen, Vito Lombardi war sein Maestro. Die Wiederholung des Va Pensiero hat schon Tradition, da wird nicht lange gefackelt, die Aufforderung zum Bis kam diesmal aus einer der Bühnenlogen, also als Original aus Mailands aufgeregten Tagen der Revolution. Man hat aber den Eindruck – Gott sei Dank ist man heute so weit – dass die Darstellung des militärischen und politischen Geschehens heute zu keinerlei emotionalen Nachwirkens mehr reizt. Das hätte noch zu Zeiten der ersten Arenaabende vor über 100 Jahren anders gewirkt.

Der Motor der Aufführung lag bei Daniel Oren, auch er ein solider Organisator vor dem Orchester. Er treibt mit tatsächlichen Riesenbewegungen seine Mannen und auch nicht die wenigen Damen an, man hatte aber diesmal das Gefühl, dass erst ab dem großen Chor seine Welt in Ordnung schien.

Die Schüssel war ausverkauft, das waren rund 14.000, diesmal in großer Hitze aber mit ebensolcher Geduld aber auch genügend Anteilname dem bunten Geschehen schmachtend Beiwohnende gewesen.

Peter Skorepa
OnlineMerker
Alle Fotos Ennevi

 

 

 

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