Gabriele Hasmann / Sabine Wolfgang
VERBRECHERISICHES WIEN
152 Seiten, Verlag ueberreuter, 2021
Das Autorinnen-Duo Gabriele Hasmann und Sabine Wolfgang hat sich bereits mit dem Buch „Die Wilde Wanda und andere gefährliche Frauen“ auf die Spuren österreichischer Verbrecherinnen gesetzt. Nun bleiben sie dem Thema treu, erweitern es aber um verbrecherische Herren und kombinieren es mit Wiener Adressen. Wobei die „kriminalistischen Stadtspaziergänge“ vermutlich nicht so ergiebig sein werden – schließlich bringt man kaum Gedenktafeln an Häusern an, wo Mörder gewohnt haben…
Andererseits gibt es ein paar fraglos berühmter Adressen – die Wiener Oper, das Konzerthaus, das einstige Apollo-Theater (heute noch als Apollo-Kino aktiv), Raimunds Geburtshaus in Mariahilf, der Spittelberg, der Auer Welsbach-Park bei Schönbrunn, der Prater, der Lainzer Tiergarten, der Friedhof der Namenlosen… und auch das Kriminalmuseum im 2. Bezirk spielt quasi als „Ort“ mit, wo es ein paar schaurige Andenken an düstere Ereignisse gibt (etwa einen Fleischwolf als Mordwerkzeug).
Die Verbrechen, die hier (nach Bezirken geordnet) in kurzen Kapiteln erzählt werden, sind meistens hässliche Morde zwischen der Kaiserzeit und der Nachkriegszeit des 20. Jahrhunderts. und So wurde die Leiche der 11jährigen kleinen Ballett-Tänzerin Dagmar Fuhrich 1963 in der Staatsoper entdeckt. Wer 1958 die 21jährige Ilona Faber ermordet hat, die man hinter dem „Russen-Denkmal“ (sprich: Heldendenkmal mit Hochstrahlbrunnen) gefunden hat, wurde letztlich nicht ermittelt (das Geständnis einer Dame nach dem Tod ihres Gatten, der die Tat angeblich begangen hat, war wohl vor allem einem lukrativen Buchvertrag geschuldet…)
Die älteste Geschichte ist auch die bekannteste, jene der so genannten „Blutgräfin“ Erzsebet Bathory aus dem 16. Jahrhundert, die junge Mädchen zwar vor allem auf ihren Schlössern im Osten mordete, aber auch in der Augustinerstraße über eine Wiener Adresse verfügte. Ebenfalls aus der Historie bekannt ist der Lynchmord an dem Kriegsminister Graf Latour, der während der Revolution von 1848 am Hof auf einer Laterne aufgeknüpft wurde…
Populär in der Wiener Geschichte ist der hässliche Mord, den der Graf Severin von Jaroszynski aus Geldgier an seinem alten Lehrer verübte. Da er durch seine Beziehung zur Schauspielerin Therese Krones eine stadtbekannte Persönlichkeit war, geriet seine öffentliche Hinrichtung an der Spinnerin am Kreuz zum „Volksfest“.
Apropos Hinrichtungen – da haben sich die Wiener gelegentlich so abstoßend aufgeführt, dass Kaiser Franz Joseph so empört war, dass er diese „Spektakel“ verbot. Von da an wurde hinter verschlossenen Türen im Landesgericht in der Josefstadt hingerichtet, übrigens recht vielfältig, mit Strang, Guillotine oder sogar Spanischem Würgegalgen… Die letzte Hinrichtung fand 1950 statt. Da hat der berühmte Henker Josef Lang noch einmal seine Virtuosität im Erwürgen spielen lassen dürfen…Kaiser Franz Joseph hat übrigens viele Mörderinnen begnadigt, allerdings nicht alle. Wobei, wenn man schon beim Thema der Strafe bleiben will, es auch Verbrecher gab, die erstaunlich billig davon gekommen sind.
Die Autorinnen erzählen viele Fälle, meist ist der Täter bekannt, man kann Schicksale, Motive, Tathergänge schildern. Die „Real Crimes“ haben immer ihr Publikum, vor allem, weil sie oft unglaublicher sind als erfundene Geschichten. Die Frauen stehen den Männern an krimineller Entschlossenheit und Tücke kaum nach. Speziell „wienerisch“ wirkt, dass ein Kampf zwischen Würstelmännern mit Mord und Totschlag enden konnte. Es gab pathologische Mörder, die ihre Untaten aus Lust an der Sache begingen, und es gab solche, die von ihrer Umwelt als die nettesten Mitmenschen beschrieben wurden. Meist stand Habgier dahinter, wenn immer wieder Ehemänner um die Ecke gebracht wurden.
Ein echter „Promi-Mord“ fand aus Eifersucht statt: Die Gattin des berühmten Tenors Trajan Grozavescu hat den Ungetreuen in der gemeinsamen Wohnung in der Lerchenfelderstraße erschossen – und ging wegen „Sinnesverwirrung“ frei aus dem Gerichtssaal…
Wie gesagt: Geschichten, die das Leben schrieb und die auch ein Stück „Kulturgeschichte“ einer Stadt sind. Aber nicht unbedingt Wiener Pilgerstätten!
Renate Wagner