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VENEDIG/Teatro La Fenice: DIALOGUES DES CARMELITES von Francis Poulenc

VENEDIG  TEATRO  LA  FENICE: DIALOGUES DES CARMELITES von Francis Poulenc

Besuch der Premiere am 20.Juni 2025

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Teatro La Fenice 1792  /  2003 ( wieder) eröffnet. Foto: Erwin Messer

In den Europäischen Monarchien wurden und werden noch immer die  Hochzeiten der für die Thronfolge bestimmten Personen prunkvoll  mit  prominenter Gästeschar begleitet von den Internationalen Medien  über mehrere Tage hinweg gefeiert.  In den USA übernehmen die neuen Milliardäre manchmal diese Rolle, bevorzugt in einer prächtigen Umgebung mit viel Vergangenheit und grandiosem Fotohintergrund . Ende Juni war es  Venedig, wohin  Kinderbuchautorin, Nachrichtensprecherin, Schauspielerin und Unternehmerin Lauren Sanchez und der Gründer  des Online Versandhandelsriesen Amazon Jeff Bezos zu einem dreitägigen Hochzeitsfest einluden. Zu solchen Anlässen war es früher an Fürstenhöfen, Königsburgen  und Kaiserschlössern neben großen Feierlichkeiten und öffentlichen Umzügen  üblich, auch  Vertreter der schönen Künste  – Malerei, Musik, Tanz, Schauspiel- mit eigens dafür zu schaffednen Werken zu beauftragen. Abgesehen von einem Maskenball in “ historischen Kostümen“ nütze das Brautpaar aus den vereinigten Staaten diese Gelegenheit zu einem großzügigen Mäzenatentum leider nicht. Mit seinem nach einem verheerenden Brand prächtig wieder auferstandenen Teatro La Fenice hätte die Lagunenstadt einen  passenden Rahmen für über 1000 Gäste geboten. Vielleicht dachte nur  niemand daran.  Oder es wäre auch die kürzeste Opernkomposition zu lang gewesen  für die Aufmerksamkeitsfähigkeit der prominenten Zuschauer mit Jetlag . Noch einfacher  : Lebende Komponisten klassischer Musik für kurzfristige Auftragswerke gibt es nicht . Und schon gar keine Regiestars, die in beeindruckenden aber dennoch praktikablen Bühnenbauten große Sänger, große Chöre in überragende Szenenabläufe  bringen könnten.  In Italien waren es Liliana Cavani und Franco Zefirelli , von deren Inszenierungen  Mailand und Verona noch immer zehren. In Österreich  wäre es Margarete Wallmann gewesen, die an der Staatsoper der 50er Jahre mit einer Turandot fast Direktor Herbert von Karajan zum finanziellen Straucheln brachte und deren Tosca heute noch beeindruckt. Sie und mit ihr Wien hatten auch großen Anteil an der Entstehung der Oper LES DIALOGUES DES CARMELITES  , die im La Fenice in einer   aktuellen Inszenierung in dieser Zeit unvorstellbarer Touristenmassen und sogar für Venedig seltener Promi-Dichte Premiere feierte. Ein viel größerer Gegensatz zum realen venezianischen Alltag dieser Tage hätte schwerlich programmiert werden können.

Die Uraufführung war am 26. Jänner 1957.  Im Jahr 1953 machte der Direktor des Mailänder Musikverlags RicordiGuido Valcarenghi dem französischen Musikschöpfer  Francis Poulenc den Vorschlag für  ein  Ballett über die italienische Büßerin  Margareta von Cortona für das Mailänder Teatro alla Scala . Die Anregung dafür kam sicher von seiner Lebensgefährtin  mit gleichem Vornamen,  der Opernregisseurin  Margarete Wallmann, die bei den Salzburger Festspielen der 30er Jahre religiöse Stoffe auf der Bühne kennen gelernt hatte. Die Geschichte der Heiligen fand Poulenc jedoch uninteressant,  er war aber bereit für eine Oper mit religiösem Thema . Im November 1952  besuchte Margarete  Wallmann eine Generalprobe im Wiener Burgtheater, damals noch im Ronacher . Gespielt wurde Die begnadete Angst von George Bernanos, als Blanche Annemarie Düringer, unter den  Schwestern auch Elfriede Ott.  Davon äußerst berührt   sah sie  mit ihrem Lebensgefährten  in Paris ( Theater Hébertot) das französische Original. Auch der Vertreter eines der größten  Verlage  ließ sich davon begeistern.  Nach mühevollen Verhandlungen mit allen Rechteinhabern ( darunter auch Gertrude von Le Fort – Die Letzte am Schafott)  konnte er einen Vertrag abschließen . Auf dem aktuellen Programmzettel stehen für das Libretto insgesamt fünf  Namen.

Poulenc machte sich Anfang August 1953 an die Komposition und schuf sein Meisterwerk . Von Beginn an arbeitete er eng mit der Regisseurin zusammen. Niemand anderen wollte er – außer bei der Pariser Erstaufführung-  akzeptieren , als nach der Uraufführung – in italienischer Sprache –  die Opernhäuser weltweit das Stück in den Spielplan aufnahmen, der größte Erfolg eines zeitgenössischen Werkes an der Scala . 1959 kam die Mailänder Inszenierung  – dieses Mal in deutscher Sprache nach Wien, in der  Rolle der Blanche Irmgard Seefried, als Schwester Constance Anneliese Rothenberger.   Zahlreiche  Produktionen sollten weltweit  folgten.

In   einer weniger erfolgreichen Neuinszenierung der französischen Originalfassung durch Magdalena Fuchsberger stand das Werk im Frühjahr 2023 wieder auf dem Programm  der Wiener Staatsoper , dirigiert von Bertrand de Billy.

In Venedig war es jetzt Maestro Frédéric Chaslin , der nach Paris auch am Mozarteum in Salzburg studiert hatte , mit  Orchestra e Coro del Teatro la Fenice, Gemeinsam mit der italienischen Erfolgsregisseurin Emma Dante , international  bekannt geworden 2009 durch  eine Carmen- Inszenierung an der Mailander Scala mit Jonas Kaufmann als Don Jose und einer überraschenden Besetzung der Titelrolle durch  Anita Rachvelishvilli.

Das Team erzielte mit dem   eher selten gespielten  Werk  einen großen Erfolg. , Das vor allem heimische Premieren-Publikum zeigte sich beeindruckt . Dazu trug  eine ausgewogene Besetzung bei, die sich hingebungsvoll den schwierigen Anforderungen von Poulenc einziger Oper stellte.

Die Inszenierung setzte auf  ein einfaches aber überzeugendes optisches Stilmittel.  In  große  bewegliche Bildern , die sonst an der Wand hängen, wird die Geschichte der weiblichen Hauptfiguren gerahmt: Was macht das Leben mit Dir ,wenn alles sich ändert, die Welt politisch zusammenbricht . Du als schwacher Mensch mußt mit großem Mut  alle  Schrecken  körperlich und  seelisch ertragen. Alles um dich herum ändert sich, sogar dein äußeres Abbild, symbolisch durch  den Verlust  der gewohnten schützende Kleidung.

Der erste Akt zeigt den Marquis de La force, Armando Noguera –  im Salon stehen  die lebensgroßen Gemälde der zukünftigen Protagonistinnen,  junge Frauen noch in den  prunkvollen privaten Gewändern der Zeit. Darunter auch seine Tochter Blanche, gesungen von  Julie Cherrier-Hoffmann . Sie kann nicht mehr das junge, verstörte Mädchen auf die Bühne bringen , stellt aber trotzdem den Charakterwandel der Hauptperson das Geschehen dominierend dar.  Um sie aus den beginnenden Wirren der historischen Abläufe  heraus zu halten, soll ihr Bruder , Juan Francisco Gatelli, sie ins  Kloster der Karmeliterinnen bringen. Die junge Frau ist bereit sich den Ordensregeln zu fügen, die prächtigen Kleider werden mit der  rigorosen fast militärischen Gewandung-  vor allem mit der helmartigen Kopfbedeckung – der Ordensfrauen getauscht. Die Einzelne findet Schutz in der Gruppe, die trotzdem große Persönlichkeiten zuläßt, wie die todkranke Priorin ,Madame de Croissy , gesungen von Anna Caterina Antonacci, ihre Nachfolgerin Madame Lidoine, Vanessa Goikoetxea, und eine lebenslustige Mitschwester Constance de Saint-Denis, Veronica Marini. Aber die Klostermauern schützen nicht, der Ort der inneren Einkehr  und des Gebets muss  verlassen werden und die Nonnentracht  fast mit Gewalt  einfachster Alltagskleidung  weichen; im Gefängnis nicht einmal diese mehr . Aber die Regeln der Gemeinschaft ändern sich nicht, an ihnen halten wenn zuerst auch zögernd  trotz  Todesdrohungen alle fest . Nur Blanche verläßt den Kreis, den die leeren Rahmen  wie offene Türen jetzt bilden   . Der Vater ist bereits Opfer der Revolution geworden. Das traditionelle Leben mit seinen  standesbedingten  Abläufen ist für das französische Königreich, den Adel und die Kirche zu Ende, mit ihm  die   Pracht der  Vergangenheit und die  Sicherheit für Leib und Seele.

Auf der kahlen Bühne, hinter den schmucklosen Rahmen stehen die  verurteilten Frauen,  gemeinsam todesbereit. Sie bekreuzigen sich ein letztes Mal , eine nach der anderen . Mit jedem musikalischen Schlag fällt eine leere weiße Leinwand zu Boden. Als Letzte tritt Blanche ins Bild, auch vor ihr fällt das Tuch herab wie ein Fallbeil.

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Das Ensemble beim Schlussapplaus. Foto: Erwin Messer

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Dirigent F. Chaslin links  bedankt sich beim Orchester, Regisseurin E. Dante strahlt im Zentrum ( langes Haar , schwarzes Kleid ). Foto: Erwin Messer

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Kein Venedig-Besuch ohne Würdigung  von Richard Wagner  –  die Autorin des Berichtes und ihr Ehemann . Foto: Messer

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Geduld und Hitzeresistenz – wichtigste Voraussetzung für jede Stadtbesichtigung. Foto: Ermin Messer

Ulrike Messer-Krol

 

 

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