VANESSA WAGNER spielt MOZART und CLEMENTI
la dolce volta CD
Klangsuchen auf einem Brodmann, Wien 1814, und einem Piano Yamaha CFX
„Das Hammerklavier duldet weder Kraft noch lässt es Perfektion zu. Es widersteht all diesen Automatismen, die auf einem modernen Klavier erforderlich sind. Dies wandelt die Beziehung zur Interpretation. Wir sind nicht mehr Herr, doch lauschen Makeln, Überbleibseln oder quietschenden Hämmern.“ Vanessa Wagner
Ein interessanter Ansatz, der Demut lehrt, gerade was das Spiel auf dem Hammerklavier anlangt. Die Interpretin stellt jeweils zwei Werke Wolfgang Amadeus Mozarts und Muzio Clementis vor. Die Fantasie in d-Moll, KV 397 von Mozart und die Sonate für Klavier in F-Dur, Op. 23/2 von Clementi spielt die französische Pianistin auf einem Hammerklavier aus Wien 1814, Mozarts große Sonate in B-Dur, KV 570 und Clementis Sonate in g-Moll, Op. 50/3 „Didone abbandonata – Scene Tragiche“ auf einem modernen Yamaha CFX.
Trotz meiner vielfältigen Vorbehalte dem Hammerklavier gegenüber überzeugt die CD. Gerade weil das direkte Miteinander der Instrumente ganz schön verwirrt im ganz positiven Sinn und dabei jede Menge über die Kunst des Anschlags und der Phrasierung lehrt. Vanessa Wagner, eine absolute Individualistin in ihrem Solistenberuf auf dem Klavier, hat in der Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Francois-Xavier Roth bei der Einstudierung des Klavierkonzerts Nr. 2 von Théodore Dubois ihre persönliche Leidenschaft für den nostalgischen Charme des historischen Instruments, aber auch dessen Verbindung zum Klang und zur Fingerfertigkeit, schätzen gelernt.
Wagners Spiel hat rasch zum ersten Mal so etwas wie Faszination auch für die historischen Klangwelten eines alten Instruments ausgelöst. Vollends überzeugend gerät Vanessa Wagners Plädoyer für Clementi, den einige Spezialisten vielleicht von den berühmten Horowitz Aufnahmen her kennen. Dieser zwischen Mozart und Beethoven verkannte Komponist ist nicht nur ein begnadeter Melodiker gewesen, in seinem Werk kann auch eine „brillante Facette“ entdeckt werden. „Seine Komposition ist überschäumend und legt eine dramatische Seite sowie gleichzeitig einen unglaublichen Charme an den Tag“ meint Vanessa Wagner.
Ihr Klavierspiel ist in allen vier vorstellten Stücken jedenfalls voller persönlicher Leidenschaft und von hoher technischer Meisterschaft getragen. Bei jedem „Blindhören“ würde sich so mancher „Spezialist“ ganz schön täuschen, wessen geniale Expressivität welchem Allegro zuzuordnen ist. Die Ernsthaftigkeit und der individuelle, bisweilen leicht exzentrische „fingerprint“ der Virtuosin hallen noch lange nach Ende der CD nach. Das Klavier von Joseph Brodmann, Lehrer immerhin des Ignaz Bösendorfer, ist ein seltenes Instrument, das nach dem Prinzip der Prellmechanik funktioniert. Die Klaviatur umfasst sechs Oktaven. Vier Pedale ermöglichen beeindruckend viele Klang- und Lautstärkeveränderungen.
Für alle, die gelackten Dutzend-Spiels überdrüssig und für neue Hörerfahrungen aufgeschlossen sind, ein ideales neues Album!
Dr. Ingobert Waltenberger