Ursula Butz
HABSBURG ALS TOURISTENMAGNET
Monarchie und Fremdenverkehr in den Ostalpen 1820–1910
204 Seiten, Verlag Böhlau, 2021
Habsburg als Touristenmagnet? Waren, um es mit einem Modewort auszudrücken (wie es der Verlagstext unternimmt), die Habsburger frühe Influencer? Ist der lebhafte Tourismus in den Ostalpen im 19. Jahrhundert mit ihrer Präsenz in den (für dieses Buch ausgewählten) Kurorten Bad Ischl, Meran und Reichenau an der Rax verbunden?
Es war interessanterweise der Schweizerische Nationalfonds, der ein breit angelegtes Forschungsprojekt zum Thema Berge, Monarchie, Ideologie, Tourismus förderte. In diesem Rahmen hat Ursula Butz, heute wissenschaftliche Archivarin im Staatsarchiv Appenzell Ausserrhoden, ihre Dissertation zu dem Thema „Habsburg als Touristenmagnet: Monarchie und Fremdenverkehr in den Ostalpen 1820–1910“ abgegeben, die nun im Böhlau Verlag erschienen ist.
Welche Rolle Habsburg heute für den österreichischen Tourismus spielt, steht außer Frage – Millionen Besucher jährlich in Schönbrunn, in der Hofburg, im Kunsthistorischen Museum. „Sisi“, Franz Joseph, Kronprinz Rudolf und Mayerling und die ganze Familiengeschichte stellen wahrscheinlich einen der stärksten Magneten dar, zumindest Wien zu besuchen, aber auch die einstigen Habsburg-Hotspots, zumal Bad Ischl mit der Kaiservilla, haben Besucherströme zu verzeichnen.
Heutzutage allerdings handelt es sich bei diesem Verhalten um Eskapismus und Nostalgie (wie im Grunde bei allen Schlösser-Trips), in dem Zeitraum, den die Autorin behandelt (Biedermeier bis Gründerzeit), waren die Habsburger noch als Familie hoch präsent. Die Motivationen waren also andere als bei einem von Werbung gelenkten Massentourismus heute.
Nach dem Wiener Kongreß waren die Habsburger, voran Kaiser Franz, in ihren Ländern noch aus Pflichtbewusstsein unterwegs, zumal sie wussten, dass die Verbindung zum Herrscherhaus enger war, wenn die Menschen den Kaiser auch einmal „live“ sehen konnten. Aber bald schon ging auch die hohe Familie auf „Sommerfrische“.
Bad Ischl war ein Kurort mit salzhaltigen Quellen, und als sich herumsprach, dass die Geburt eines Erzherzogs, der wahrscheinlich einmal Kaiser werden würde (es handelte sich natürlich um Franz Joseph), auf diese wohltätige Kurwirkung zurück zu führen sei, war die Position von Ischl als sommerliche „Kaiserstadt“ gesichert.
Erzherzogin Sophie kam alljährlich hierher, weil ihre bayerischen Verwandten es nahe hatten, die legendäre Begegnung Franz Josephs mit der Prinzessin Elisabeth in Bayern, kurz „Sisi“, fand hier statt, zur Hochzeit schenkte Sophie dem jungen Paar eine Villa, die zur „Kaiservilla“ ausgebaut wurde und noch heute besichtigt werden kann. Franz Joseph liebte Ischl und hat fast jeden Sommer seines Lebens hier verbracht – das zog den Adel nach, die ihre Villen hier bauen ließen, aber auch das wohlhabende Bürgertum.
Und man tat etwas für diesen „Kaisertourismus“ – gab es anfangs noch zweimal in der Woche Extra-Kutschen von Wien nach Ischl, so wurde die Stadt später nahe an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Man sorgte für Unterhaltung, Tourismus-Attraktionen, und im Sommer traten die größten Stars im Kurtheater auf, weil man illusterer Besucher sicher war. Ischl war der Höhepunkt des Habsburg-Tourismus und ist es noch heute, wenn man jeden August dort mit großem Aufwand „Kaisers Geburtstag“ feiert. Rundum hat sich das ganze Salzkammergut touristisch enorm entwickelt.
Natürlich gehörten auch die Berge dazu. Der erste „Alpinist“ unter den Habsburgern war Erzherzog Johann, aber man kann sagen, dass viele Familienmitglieder leidenschaftliche Wanderer waren, die Männer auch Jäger. Sie liebten die Berge, und wer es nicht tat (wie Erzherzog Maximilian, der spätere Kaiser von Mexiko, der das Meer vorzog), wusste, dass er es sich schleunigst angewöhnen sollte…
Meran als Luftkurort wurde viermal von Kaiserin Elisabeth besucht (die an sich auch das Meer vorzog und sich auf der Insel Korfu eine griechische Villa bauen ließ), und allein diese Aufenthalte des berühmtesten Mitglieds des Kaiserhauses (weil notabene das geheimnisvollste) reichten aus, um Gästescharen anzulocken. (Dass sich auch der „aussortierte“ Kaiserbruder Ludwig Viktor öfter dort aufhielt, war natürlich keine Werbung – damals konnte man mit einem homosexuellen, exzentrischen Erzherzog keinen Staat machen, der wäre erst heute der Liebling der Medien…)
Nach Reichenau, das durch den Ausbau der Südbahn von Wien am bequemsten zu erreichen war, kam der Kaiser gelegentlich, um zu jagen, aber eigentlich war es sein jüngerer Bruder Karl Ludwig (der Vater des ermordeten Thronfolgers Franz Ferdinand und Großvater des letzten Kaisers, Karl), der diesen stilleren Ort zu seinem bevorzugten Urlaubsdomizil gemacht hat. Seine Villa Wartholz sollte noch eine große Rolle für die Familie spielen. Das Semmering-Gebiet habe, meint die Autorin, am wenigsten von den Habsburgern profitiert. Aber da sind ja immer noch die Berge, die auch rufen, wenn keine kaiserliche Hoheit in der Nähe ist…
Dennoch beweist das Buch mit vielen Fakten, Fotos und auch Statistiken, was man der Autorin a priori hätte sagen können: Die Habsburger wirkten und wirken immer, einst wie heute, und natürlich hatten sie ihren gerüttelten Anteil am Aufschwung jener Regionen, die sie für sich auswählten.
Renate Wagner