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ULM: DIALOGUES DES CARMÉLITES

15.03.2013 | KRITIKEN, Oper

Großer Opernabend in Ulm: „Dialogues des Carmélites“ von Francis Poulenc (Vorstellung : 14. 3. 2013)


Das Theater Ulm bot eine eindrucksvolle Inszenierung (Foto: Jochen Klenk)

 Nach dieser exzellenten Produktion der Oper „Dialogues des Carmélites“ von Francis Poulenc am Theater Ulm muss man festhalten, dass nicht Ulm Provinz ist, wie man des Öfteren in Musikkreisen der Bayerischen Hauptstadt zu hören bekommt, sondern München, wo die Inszenierung an der Bayerischen Staatsoper grottenschlecht war und darüber hinaus das großartige Werk des französischen Komponisten durch die Änderung der Schlussszene nicht nur „entstellt“, wie nach einer Verlautbarung der Verantwortlichen in München die Erben des Komponisten Poulenc und des Autors Bernanos, die verständlicherweise geklagt hatten, „der Auffassung sind“, sondern zerstört hat!

 Aber zurück zum Werk und zur Aufführung am Ulmer Theater, die in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln gebracht wurde. Die Oper, im Jahr 1957 an der Mailänder Scala uraufgeführt, geht auf eine grausame historische Begebenheit der Französischen Revolution zurück: Am 14. September 1792 wurden sechzehn Nonnen aus dem Kloster Karmel von Compiègne in der Nähe von Paris vertrieben und lebten zwei Jahre verstreut in der Stadt Compiègne. Obwohl es durch einen Erlass verboten war, versammelten sie sich weiterhin zu Gebet und Gottesdienst. Am 22. Juni 1794 wurden sie verhaftet, drei Wochen später in den Kerker der Pariser Conciergerie geworfen und am 17. Juli sofort nach der Gerichtsverhandlung zum Schafott geführt. Während sie es bestiegen, sangen sie das „Laudate dominum, omnes gentes“. Am 27. Mai 1906 wurden die Nonnen von Papst Pius X. selig gesprochen.

 Die Oper von Francis Poulenc geht über das historische Drama hinaus und zeigt eine Welt grausamer staatlicher Repression, der eine kleine Minderheit verletzte Werte, wie Humanität und Würde, entgegenhält. Regisseur Matthias Kaiser, der Ulmer Operndirektor, schaffte es, in seiner stilisierten, aber packenden Inszenierung das Schicksal der zwischen Tod, Verantwortung und Selbstverleugnung zerrissenen Ordensgemeinschaft wirkungsvoll auf die Bühne zu stellen. Auch den dramatischen, aufwühlenden Schluss, den Tod der Nonnen durch das Fallbeil, inszenierte er „werkgerecht“: Einzeln schreiten die Schwestern singend – begleitet von den Paukenschlägen aus dem Orchestergraben – die Treppen zum Schafott empor, über die bald das Blut der Opfer herabrinnt. Hervorzuheben ist auch die subtile Personenführung des Regisseurs.

 Passend dazu die kreative Bühnengestaltung durch Marianne Hollenstein, die mit sparsamen Mitteln und wenigen Requisiten effektvolle Bilder schuf und die Bühne mal als Haus des Marquis de la Force, mal als Kloster zeigte. Die Kostüme von Angela C. Schuett spiegelten die Zeit der Französischen Revolution wider. Für die Lichteffekte, die die Bühne häufig in gleißendes Neonlicht tauchte, zeichnete Klaus Welz verantwortlich.

 Eine exzellente Leistung bot Maria Rosendorfsky als Blanche de la Force, die sich im Kloster Heilung von ihren Angstzuständen erhofft und sich dort Schwester Blanche von der Todesangst Christi nennt. Mit ihrem lyrischen Sopran und ihrem ausdrucksvollem Spiel drückte sie die Zerrissenheit ihrer Rolle wunderbar aus. Ihren an der Parkinson-Krankheit leidenden Vater, den Marquis de la Force, spielte der polnische Bariton Tomasz Kaluzny sehr eindringlich, ihren Bruder, den Chevalier, der sie aus dem Kloster herauszuholen versucht, gab der Tenor Alexander Schröder mit lyrisch klingender Stimme.

 Besonders eindrucksvoll ist die Sopranistin Susanne Schimmack, die als Gast die alte Priorin gab, die unter Qualen in der Badewanne stirbt. Eine Szene, die das Publikum merklich erschütterte! Die neue Priorin wurde von der ukrainischen Sopranistin Oxana Arkaeva mit scharf klingender Stimme gegeben, die keinen Widerspruch duldet, während die junge, stets lustige Schwester Constance von der Koloratursopranistin Edith Lorans warmherzig gesungen und zappelig gespielt wurde. Die Mezzosopranistin Rita-Lucia Schneider ließ sich vor der Vorstellung als grippekrank und fiebrig ansagen, sang dennoch und bot als Mutter Marie eine tadellose Leistung.

 Der Tenor Hans-Günther Dotzauer, der zu den langjährigen Stützen des Theaters Ulm zählt, gab einfühlsam die Rolle des Beichtvaters, der von den Revolutionären seines Amtes enthoben wurde und sich auf der Flucht ins Kloster rettet, wo er den Nonnen Trost zu spenden versucht. Ihren Rollen entsprechend agierten auch der amerikanische Tenor Girard Rhoden als 1. Kommissar und die Altistin Eleonora Halbert als Mutter Jeanne. Der Opernchor des Theaters Ulm wurde von Hendrik Haas einstudiert.

 Das Philharmonische Orchester der Stadt Ulm gab die an Herz und Gemüt gehende Partitur des Komponisten unter der Leitung von Timo Handschuh hervorragend wieder. Zur Musik ein im reich illustrierten Programmheft abgedrucktes Zitat von Francis Poulenc: „Wenn ich diese Musik ganz kalt betrachte, glaube ich sagen zu können, dass sie erschütternd ist vor Einfachheit, Resignation und … Frieden.“

 Das dem Werk ergriffen lauschende Publikum, das auch immer wieder Szenenbeifall spendete, belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit berechtigtem, lang anhaltendem Applaus. Gratulation dem Theater Ulm zu dieser großartigen Produktion!

 Udo Pacolt, Wien – München

 

 

 

 

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