Großer Publikumserfolg in Ulm: „Il trittico“ von Giacomo Puccini (Vorstellung: 2. 11. 2012)
Il Tabarro. Foto: Martin Kaufhold
Immer wieder überrascht das Theater Ulm mit sehenswerten Opernaufführungen auch seltener gespielter Werke. Dieses Mal hatte man „Il trittico“ von Giacomo Puccini gewählt, das nicht allzu oft an einem Abend aufgeführt wird. Von den drei Teilen wird meist „Gianni Schicchi“ mit „Il tabarro“ gekoppelt, aber „Suor Angelica“ bleibt häufig auf der Strecke. Umso erfreulicher, alle drei Werke an einem Abend – wie vor ein paar Jahren am Opernhaus Graz und zurzeit im Theater an der Wien – sehen zu können.
Die Uraufführung von „Il trittico“ fand 1918 an der Metropolitan Opera in New York statt.
Suor Angelica. Foto: Martin Kaufhold
Die drei Opern, die alle vom Tod handeln, greifen ineinander und verbinden sich zu einem großen Ganzen. In „Il tabarro“ (Libretto von Giuseppe Adami nach dem Schauspiel La Houppelande von Didier Gold) tötet der Schiffer Michele seinen Nebenbuhler, in „Suor Angelica“ begeht die junge Nonne Angelica Selbstmord und in „Gianni Schicchi“ (Libretto in beiden Werken von Giovacchino Forzano) wird auf witzige Art aus dem Tod eines anderen Profit geschlagen. Während im ersten Stück Michele und seine Frau der Verlust ihres Kindes entzweit, findet im zweiten Schwester Angelica im Sterben die Vereinigung mit ihrem toten Kind und im dritten macht sich Gianni Schicchi auf raffinierte Weise zum Alleinerben und straft damit die Habgier einer Großfamilie.
Gianni Schicchi. Foto: Martin Kaufhold
Matthias Kaiser, in Ulm Operndirektor, gelang es, die so unterschiedlichen Stücke – Schauerdrama, Mysterium, Komödie – zu einem eindrucksvollen, dreieinhalb Stunden dauernden Opernabend zu vereinen, der das Publikum zu begeistern wusste. Gut unterstützt wurde er von Detlev Beaujeans, dessen Bühnenbild eine hohe Spiegelwand darstellte, die in jedem Stück eine andere Sicht auf die Spielfläche ermöglichte, und von Angela C. Schuett, die zum jeweiligen Stück trefflich passende Kostüme entwarf. Für die Lichteffekte sorgte Klaus Welz.
Der erste Einakter „Il tabarro“ („Der Mantel“), der auf einem Schleppkahn am Ufer der Seine spielt, zeigt eine packend inszenierte Ehetragödie. Den
eifersüchtigen Ehemann Michele stellte der Südkoreaner Kwang-Keun Lee mit kräftiger Baritonstimme dar, mit der er seine Verzweiflung, die zum Mord am Liebhaber seiner Frau führt, eindrucksvoll zum Ausdruck brachte. Die ukrainische Sopranistin Oxana Arkaeva gab die sich nach Liebe sehnende Ehefrau Giorgetta stimmlich wie darstellerisch überzeugend – ebenso wie der Tenor Hans-Günther Dotzauer ihren Geliebten Luigi. Die Rolle des Tinca sang für den erkrankten Alexander Schröder der amerikanische Tenor Girard Rhoden vom Blatt, während Regisseur Matthias Kaiser den Part auf der Bühne gab.
Den zweiten Einakter „Suor Angelica“ („Schwester Angelica“) ließ der Regisseur in einer Nervenheilanstalt spielen, in der sich die Nonnen und das
Spitalspersonal gemeinsam aufhalten. Warum auf deutschen Bühnen seit Jahren immer häufiger Opernhandlungen in – grob ausgedrückt – Irrenhäuser verlegt werden, ist mir rätselhaft. Es ist für die Herren Regisseure ein Armutszeugnis, keine besseren Ideen zu haben. Dass damit häufig auch eine Beleidigung und Verhöhnung von Kranken einhergeht, scheint den Verantwortlichen nicht bewusst zu sein.
Dass dieses Werk dennoch zu einem packenden Erlebnis wurde, ist – neben der guten Personenführung – vor allem Oxana Arkaeva zu verdanken, die als Schwester Angelica – sowohl stimmlich mit ihrem jugendlich-dramatischen Sopran wie auch darstellerisch mit erschütterndem Einfühlungsvermögen in diese Rolle – eine mehr als beeindruckende Leistung bot. Als Fürstin, Angelicas Tante, sprang für die erkrankte Kinga Dobay als Gast die Mezzosopranistin Eva Günschmann ein, die ihre Rolle als stolze Furie mit Verve spielte. Zum Erfolg trugen nicht unwesentlich auch die Altistinnen Claudia Vetter als Äbtissin und Eleonora Halbert als Schwester Mahnerin sowie die Koloratursopranistin Edith Lorans als Schwester Genovieffa bei.
Den dritten Einakter „Gianni Schicchi“ ließ der Regisseur im Stil der Commedia dell’ Arte spielen, was das gesamte Sängerensemble dazu nutzte, seine
komödiantischen Fähigkeiten voll auszuspielen. Zur Unterhaltung des Publikums!
In der Titelrolle brillierte der polnische Bariton Tomasz Kaluzny, der mit sichtlicher Freude den gerissenen Schalk gab. Beeindruckend auch die Polin Katarzyna Jagiełło, die als Lauretta mit ihrem weichen lyrischen Sopran die Arie O mio babbino caro wunderbar zum Besten gab. Als Rinuccio sprang für den erkrankten Alexander Schröder als Gast der Tenor Edgardo Zayas Martinez ein, der seine Rolle ebenso humorvoll spielte wie Hans-Günther
Dotzauer den Gherardo und die Mezzosopranistin Anita Hartinger die Zita.
Die kraftvolle veristische Musik Puccinis, die alle Stimmungen der einzelnen Figuren herrlich auslotet, wurde vom Philharmonischen Orchester der Stadt Ulm unter der Leitung von Nils Schweckendiek in allen Facetten wiedergegeben. Das begeisterte Publikum im fast ausverkauften Haus belohnte am Schluss jedes Einakters die Mitwirkenden mit lang anhaltendem Applaus, unter den sich für Oxana Arkaeva, den „Star des Abends“, verdientermaßen viele „Brava“– Rufe mischten.
Udo Pacolt, Wien – München