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TURKU/ Musik-Festival: DONNA LEON MIT BAROCKMUSIK BEIM TURKU-MUSIKFESTIVAL

Donna Leon mit Barockmusik beim Turku Musik-Festival – 10.8.2013

Es ist nicht einfach, sich die Rosinen aus dem Kuchen der Musik-Festspiele im westfinnischen Turku herauszupicken. Anders als z.B. in Savonlinna und Kuhmo als El Dorado für die Liebhaber von Opern- bzw. Kammermusik ist das Angebot in Turku traditionell vielfältig und reicht von Sinfoniekonzerten über Oper, Kammermusik, Recitals, Jazz bis hin zu Konzerten für die ganze Familie. Auffallend, dass die Festivals von ausübenden, noch aktiven Künstlern geleitet werden. So folgte in Turku auf den Pianisten Olli Mustonen und den Cellisten Martti Rousi der auch außerhalb seiner Heimat bekannte Tenor TOPI LEHTIPUU, nicht nur in der Barock- und zeitgenössischen Musik beheimatet, sondern auch weltweit gerühmt für seine Mozart-Interpretation. Kompliment an ihn und sein Team, nicht nur Karita Mattila zu einem ihrer raren Auftritte in Finnland gewonnen zu haben, sondern auch die französische Nachtigall Natalie Dessay in einem von Hannu Lintu geleiteten Sinfoniekonzert. Mit offenbar altersloser Stimmschönheit und Ausdruckskraft war Jorma Hynninen ein idealer Interpret von Kimmo Hakolas Opernmonolog „Akseli“ über den bedeutenden Maler Akseli Gallen-Kallela.

Für den Liebhaber von Barockmusik war ein von der Schriftstellerin und Musikkennerin DONNA LEON charmant moderiertes Konzert am 10.8. ein Leckerbissen. Die Arien und Duette aus Händel- und Vivaldi-Opern wurden danach ausgewählt, exemplarisch die Emotionen Verzweiflung/Tragödie, Wut/Hoffnung sowie Freude/Glück zu zeigen, unterbrochen von einzelnen Sätzen aus Vivaldi-Konzerten, idiomatisch vorgetragen vom Barockorchester IL POMO D’ORO, einem hervorragenden Ensemble aus 6 Streichern plus einem Cembalisten. Die mir bis dato unbekannte junge schwedische Sopranistin SUSANNA ANDERSSON war für mich die Entdeckung des Abends, doch ein Blick auf ihre Homepage offenbarte mir, dass sie bereits die Ehre hatte, bei den Preisverleihungszeremonien des Nobel- bzw. Polar-Musikpreises in Stockholm aufgetreten und einige Jahre im Ensemble des Leipziger Opernhauses gewesen zu sein, und dies zu meiner Überraschung im Fach des Koloratursoprans, sogar als Soubrette. Gewiss war nicht zu überhören, dass Susanna Anderssons Geläufigkeit atemberaubend ist, doch scheint mir der mehr lyrische Grundcharakter ihrer Stimme von Partien wie Zerbinetta, Blonde, Ballo-Oscar weg auf Rollen wie Pamina, Ilia hinzuweisen; so wird sie im September im Schwedischen Theater von Turku die Figaro-Susanna ihrem Repertoire hinzufügen. Es wird interessant sein, die Karriere dieser jungen Dame zu verfolgen. Demgegenüber konnte TOPI LEHTIPUU die nicht angezweifelten Qualitäten seiner Stimme bei dieser Programmauswahl weniger unter Beweis stellen. Zweifellos ist er bei der Barockmusik stilistisch vollkommen zu Hause, was ihm am besten in den mehr lyrischen, seine ganze Legatokultur zeigenden Arien gelang, doch war bei aller Anerkennung seiner Koloraturfähigkeit nicht zu überhören, dass seine Stimme bei den mehr Dramatik erfordernden, zudem mehr in der Mittellage notierten Arien relativ resonanzarm klang. Trotz dieser kleinen Einschränkung ein großartiger Abend, den der Barockfan auf Wolke Sieben schwebend verließ.

Eingeläutet wurde das Festival am 5. und 6. August mit zwei Konzerten des Sinfonieorchesters des Mariinsky-Theaters unter der Leitung von VALERY GERGIEV. Am Ende einer kleinen Tournee durch halb Europa von Österreich über Slowenien, Spanien nach Finnland zeigten sich Orchester und Dirigent von ihrer frischesten Seite. Ungewöhnlich als Eröffnungsstück, doch als Reverenz für ein finnisches Publikum – Sibelius‘ Schwan von Tuonela, auf den Rodion Shchedrins erhebliche Anforderungen an Musiker wie auch an Publikum stellendes Viertes Klavierkonzert folgte, dem OLLI MUSTONEN ein großartiger Anwalt war, alle Facetten dieses im ersten Satz eher verhaltenen, im Finalsatz dann à la Bartok oder Prokofjew sehr perkussiven Konzerts voll auslotend. Tschaikowskys Pathétique ist in der Interpretation dieses St. Petersburger Eliteorchesters eine sichere Bank, und Valery Gergiev ließ die vier Sätze nahezu pausenlos aufeinander folgen, dem Publikum so keine Gelegenheit gebend (wie kürzlich in Berlin geschehen), in die Satzpausen hinein zu applaudieren – eine außerordentlich bewegende Interpretation.

Dass der umtriebige Maestro auch bei den Jubilaren Verdi und Wagner ganz in seinem Element ist, konnte er in dem Konzert am 6.8. zeigen, wobei die Auswahl der Gesangssolisten nicht die glücklichste war. LARISSA GOGOLEVSKAYAs mächtiger Sopran liebt die Fortissimo-Klangentfaltung, die sie als Forza-Leonora, Lady Macbeth oder Senta weniger unter Beweis stellen konnte, so dass sie erst mit der Schluss-Szene aus der Walküre überzeugen konnte. Hier, wie schon vorher als Filippo, Banco und Holländer, zeigte EVGENY NIKITIN alle Qualitäten seines typisch russischen hohen Basses, der auch die Heldenbariton-Höhen nicht zu fürchten braucht. Angesichts seiner Wagner-Interpretationen wurde noch einmal deutlich, welch ein Verlust sein erzwungener Abgang aus den Bayreuther Festspielen im vergangenen Jahr war. ALEXEI MARKOV, eines der beiden Bariton-Juwele des Mariinsky-Theaters (das andere ist Vladislav Sulimsky), zeigte als Jago, Renato und Wolfram (!) seine ganze Vielseitigkeit. Ein Bariton der Luxus-Klasse!

Der Dachverband der Finnland-Festivals listet auf seiner Homepage 90 verschiedene Festivals auf. Gerade durch seine ganze Bandbreite des Angebots und durch seine hohe Qualität ist das Turku Musik-Festival ein wahres Schmuckstück.

Sune Manninen

 

 

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