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TTT – Aufgefallen / Nachgehakt 4: 10 Milliarden Theater – Subventionen p. a. kann man leicht halbieren!

13.05.2024 | Feuilleton, Themen Kultur

TTT – Aufgefallen / Nachgehakt 4: 10 Milliarden Theater – Subventionen p. a. kann man leicht halbieren!

 Teil 1 – Auszüge aus „ Geschichte und Politökonomie deutscher Theatersubventionen“

Dissertation Universität Hannover – Zusammenfassung der ersten 100 Seiten, 2018

 https://www.repo.uni-hannover.de/bitstream/handle/123456789/9161/1014714788.pdf?sequence=1

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„Nichts ist für das Wohl eines Theaters gefährlicher, als wenn die Direction so gestellt ist, daß eine größere oder geringere Einnahme der Casse sie persönlich nicht weiter berührt, und sie in der sorglosen Gewissheit hinleben kann, dass dasjenige, was im Laufe des Jahres an der Einnahme der Theater-Casse gefehlt hat, am Ende desselben aus irgend einer andern Quelle ersetzt wird.“                    Johann Wolfgang von Goethe  (* 1749, † 1832 )zugeschrieben

 Kommentar:  Ernüchternd! Entlarvender Antagonismus von Theatersubventionen in historischer Entwicklung bis 2018. Über Jahrhunderte vornehmlich politisch gewollte Repräsentation instrumentalisiert künstlerische essenzielle Bedeutungen der Dramen von Musiktheater und Schauspiel!

 Kunst und Kultur war und ist für politische Begründer, wirtschaftliche Träger  überbordender öffentlich rechtlicher Theater nachrangig, wesentlich war und bleibt ein Instrument zum politischen Marketing. Idealistische Prägungen spielten nie eine Rolle – wie man anhand aktueller Entwicklungen nun verstehen kann.

 Gegenwärtiger unkonturierter szenischer Wildwuchs ist somit ganz im Sinne der  „Erfinder“ gegenwärtiger Theater – Infrastrukturen, da im Trash usw. kein riskanter Anarchismus verborgen, keine stringente, gefährdende Infragestellung politischer Machtstrukturen zu erwarten ist.

 Es wird im guten Fall seichte Unterhaltung  geboten, brisante Analyse psychosozialer, politischer Systeme sind obsolet, zumal die Auditorien i. d. R. von  Nutznießern gegenwärtiger Verhältnisse besetzt werden. (s. Serebrennikov – blieb bis Febr. 2021, also noch weit nach seiner Verurteilung, künstlerischer Leiter des Moskauer Gogol-Zentrums, trotz strafrechtliche Ermittlungen seit 2017   https://onlinemerker.com/fakten-zum-regisseur-kirill-serebrennikow-vom-april-2021-auszug-aus-plaedoyer-zur-kraft-werkimmanenter-surrealer-inszenierungen-teil-9/   ) Solche Kenntnisse fehlen erstaunlicherweise weiten Teilen des Feuilletons, die den russischen Self – Made Inszenator, Kostüm-, Bühnenbildner und Choreograf  immer noch in Nawalny – Nähe rücken.

 Behauptete politische Orientierung bleibt bisher immer noch ohne Substanz – im besten Fall ist es pseudoengagiertes Kalkül.

 Dominierende repräsentativ – institutionelle Kultivierung spiegelt sich auch heute in Prunkbauten neoklassizistischer und moderner Prägung, der Konzentration auf Oberschicht – Publikum und diffusen Darbietungen mit oberflächlicher Kunst- und Kulturgeltung. Letztlich sind den Geldgebern tatsächliche Qualitäten gleichgültig bis unbekannt. Verzicht auf reine Funktionsbauten für elementare Kunstpflege spricht Bände.

Dissertation: „Heutzutage ist zu beobachten, das Kultur die Aufmerksamkeit von Politikern anlockt, obwohl nur wenige Politiker kulturaffin sind,  „Kultur“ sowohl als Instrument der Politik anerkannt wird, als auch sozial Erstrebenswertes, dessen Förderung Aufgabe des Staates ist.

Mit der prominenten Rolle, die die öffentliche Förderung einnimmt, geht einher, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Theatern und Opern nicht nur Sache von Theater- und Musikwissenschaftlern ist, sondern auch genuin kunst- und kulturökonomische, sowie finanzwissenschaftliche Forschungsgebiete berührt, denn die Subventionierung von Kunst und Kultur unterscheidet sich grundsätzlich nicht von der Subventionierung anderer Dienstleistungen oder Industriezweige.

Vielmehr zieht auch hier eine kleine Empfängergruppe den Nutzen aus der staatlichen Unterstützung, wobei sich die entsprechenden Kosten auf die Masse der Steuerzahler verteilen. Der Staat übernimmt die finanzielle Verantwortung für die Theater; spiegelbildlich arbeiten diese unter Bedingungen, die als „weiche“ Budgetbeschränkung charakterisiert werden: Ausgaben, die über die selbst erwirtschafteten Einnahmen hinausgehen, werden von anderen  staatlichen  Stellen getragen und im Laufe der Zeit haben die Subventionsempfänger die externen Finanzhilfen in ihr Verhalten eingepreist.

Zudem bewahre man mit Hilfe öffentlicher Mittel das kulturelle Erbe einer Nation für zukünftige Generationen. All diesen Argumenten liegt die Einschätzung zugrunde, dass Kultur und Kunst einen Wert darstellen, der für die persönliche Entwicklung und das Selbstverständnis eines jeden Menschen bedeutsam ist und dazu beiträgt, die Gesellschaft (moralisch) zu verbessern. (Anmerkung TTT: Wie amüsant, gemessen an Realitäten!)

In ökonomischen Kategorien ausgedrückt handelt es sich folglich bei Kulturgütern wie Theater und Oper um meritorische Güter  also Güter, die nach Ansicht der staatlichen Entscheidungsträger in geringerem Umfang konsumiert werden als es wünschenswert wäre und die deshalb staatlich gefördert werden. Auch wenn dies der Konsumentensouveränität klar entgegen steht und nur mit einem paternalistischen Staatsverständnis kompatibel ist, ist das meritorische Argument auch die von Ökonomen am häufigsten angeführte Rechtfertigung für die öffentliche Finanzierung von Kunst und Kultur. …

…  Insbesondere die Position, dass darstellende Künste öffentliche Güter seien und sich aufgrund dessen für staatliche Finanzierung qualifizieren, ist aus finanzwissenschaftlicher Sicht nicht haltbar. Denn das konstituierende Merkmal öffentlicher Güter ist die sogenannte Nichtrivalität im Konsum.

 Genau jene aber ist bei dem Gut „Aufführungskunst“ nicht gegeben: Eine gewisse räumliche Nähe des Publikums zur Bühne ist notwendig, damit die Unmittelbarkeit einer Live-Aufführung auch tatsächlich ihre Wirkung entfalten und es zu dem „komplexe[n] kommunikative[n] Vorgang“zwischen Darstellern und Zuschauern kommen kann, der einen Theater- oder Opernabend ausmacht.

Doch selbst wenn man diesen künstlerischen Anspruch nicht teilt, sondern im Zuschauerraum einen passiveren Kunstgenuss betreibt, ist einleuchtend, dass jeder zusätzliche Zuschauer recht schnell den eigenen Konsum einer Theateraufführung beeinträchtigt  sei es z. B. durch eine schlechtere Sicht auf das Bühnen geschehen oder einen höheren Geräuschpegel.

Das zweite häufig genannte Charakteristikum öffentlicher Güter, nämlich die Nichtausschließbarkeit vom Konsum als „konsequente Ergänzung der Nichtrivalität“, trifft dementsprechend auch nicht zu, denn klassische Aufführungsstätten wie Theater- und Opernhäuser sind natürlich zugangsbeschränkt und Interessenten ohne Eintrittskarte können vom Konsum ausgeschlossen werden. Der Verweis auf öffentliche Güter taugt daher ebenso wenig für die Rechtfertigung staatlicher Eingriffe wie die „Kostenkrankheit“, …und damit die Debatte um die Legitimation von Kultursubventionen … .

Staatliche Eingriffe in den Theater- und Opernsektor gründen also, wie oben beschrieben, auf dem meritorischen Argumentationsstrang und sind somit keine Frage eines Marktversagens, sondern Folge einer politischen Wertung. … 

Der Spur des Geldes zu folgen hat zwei weitere Effekte: Zum einen wird nachvollziehbar, wie sich aus einzelnen Theatern und vereinzelter Unterstützung ein ganzes Theatersystem herausbilden konnte, dessen Etat heute zu mehr als 80 % aus Subventionen besteht. Zum anderen führt dieser Weg unmittelbar zu den politischen Vertretern, die über die Vergabe von Steuermitteln zwecks Theatersubventionierung entscheiden, sowie zu ihren Beweggründen, die sich  wie gezeigt wird  im Laufe der Geschichte so unterschiedlich gar nicht ausnehmen.

Diese Beweggründe der Entscheidungsträger  vom Kaiser über Könige und andere Fürsten bis hin zu Landesparlamentariern  zu identifizieren und als politisch motiviert und interessengeleitet zu charakterisieren ist deshalb interessant und relevant, weil auf ihnen neben der geschichtlichen Tradition schließlich auch die heutige Förderpraxis beruht.

Es ist nämlich durchaus umstritten, ob eine verfassungsrechtliche oder gesetzliche Pflicht besteht, Theatersubventionen zu vergeben. Schließt man sich der Position an, Theaterzuschüsse als freiwillige Leistungen der Länder und Gemeinden zu werten, folgt daraus, dass die Subventionsvergabe einem diskretionären Entscheidungsspielraum der Landes- und Kommunalpolitiker unterliegt….

Das Theaterwesen Deutschlands ist nämlich regional sehr breit gefächert und hoch subventioniert, was sich seit der Weimarer Zeit auch in dem politischen Begriff des Kulturstaates niederschlägt.

Diese Besonderheiten des deutschen Systems sind weltweit einmalig: Natürlich gibt es auch in anderen Ländern öffentliche Förderung in Form direkter Zuschüsse oder Steuerbegünstigungen, doch konzentrieren sich die staatlichen Maßnahmen nirgendwo anders in einem so großen finanziellen Ausmaß auf derart viele verschiedene Häuser wie in Deutschland. In der Spielzeit 2013/14 z. B. gab es in der Bundesrepublik 142 öffentlich getragene Theater sowie 301 Privattheater bzw. -festspiele, die ebenfalls öffentlich bezuschusst wurden. Die deutsche Sonderstellung bei der Theaterförderung wird überwiegend historisch begründet.

Das heutige Unterstützungssystem mit Kommunen und Ländern als Hauptgeldgebern besteht erst seit der Weimarer Republik, doch lassen sich die Ansätze der musikalisch-theatralischen Vielfalt und ihrer Förderung bis ins Heilige Römische Reich Deutscher Nation zurückverfolgen. …

… Konzept staatlicher Zuschüsse für deutsche Theater wesentlich länger besteht als erst seit 1918 und die Motive für die Förderung zumeist durch Eigeninteressen der politischen Handlungs- träger geleitet waren und sind.

 Die Motive reichen von politischer Repräsentation sowie Macht- und Wohlstandsdemonstration bis hin zur Begünstigung bürgerlicher Interessengruppen, von der Möglichkeit, gestalterisch Sozialpolitik zu betreiben, bis hin zu gezieltem Eingreifen und Vermitteln gewünschter politischer Positionen. Das Interesse an Theater und Oper jenseits eines genuin künstlerischen ist also seit jeher politisch motiviert. Die seit Jahrhunderten anhaltende Subventionierung dieser Kunstformen wird durch den diskretionären Entscheidungsspielraum der verantwortlichen politischen Institutionen begünstigt. Dass sich keine gesetzlichen Verpflichtungen zur finanziellen Unterstützung darstellender Künste finden, unterstreicht diese These. …

 Sofern in Forschungsarbeiten dieser Fachbereiche überhaupt Finanzierungsfragen angeschnitten werden,geschieht dies meist in Fußnoten oder alternativ nur für einzelne Theater, deren Entstehungsgeschichte und künstlerische Bedeutung durchleuchtet wird. Auch die wirtschaftswissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet der historischen Theaterfinanzierung ist überschaubar, obwohl deren Relevanz von Ökonomen betont wird. In Monographien und Forschungsaufsätzen mit kunst- und kulturökonomischen Fragestellungen wird stets auf die deutsche Fördertradition verwiesen sowie auf die Notwendigkeit, diese zur Analyse der heutigen Mittelvergabe heranzuziehen. Zumeist beschränken sich die Autoren dann jedoch auf die Feststellung, dass Deutschland lange Zeit aus kleinen Fürstentümern bestand, die alle ihr eigenes Theater förderten, und sich daraus die aktuelle Subventionspolitik in ihrer regionalen Vielfalt erkläre. Diese Diskrepanz zwischen Forschungsanspruch einerseits und geringer wirtschaftshistorischer Aufarbeitung andererseits ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass quantitative Belege selten und schwer zu finden sind.

Seit Ende des 18. Jahrhunderts sind dann erste zaghafte Veränderungen im Theaterbetrieb jenseits der Höfe zu erkennen. Das politisch bisher machtlose Bürgertum begann sich zu emanzipieren. Im Geiste der Aufklärung formierte sich unter deutschen Intellektuellen die Ansicht, Theater sei ein geeignetes Instrument zur Vermittlung wertvoller Bildungs- und Erziehungsinhalte. Den umherziehenden Theatertruppen wurde diese Fähigkeit allerdings abgesprochen. Man dachte vielmehr an dauerhaft Beschäftigte in feststehenden Theaterhäusern, in denen anders als bei Hofe Werke in deutscher Sprache aufgeführt werden sollten, die dem aufklärerischen Anspruch Genüge taten. Ein derartiges „Nationaltheater“ eröffnete 1767 wiederum im fortschrittlichen Hamburg als privat finanzierte Bürgerinitiative. Da das Interesse seitens des Publikums jedoch mäßig ausfiel und die Defizitdeckung durch private Kaufleute nicht wie geplant funktionierte, musste es bereits zwei Jahre später wieder schließen….

Spätestens seit der Reichsgründung 1871 hatte sich entsprechend der nationalen Hochstimmung die Vorstellung herausgebildet, dass selbst in kleinen Provinzstädten ein festes Theater zum Grundbestand gehöre. Der Repräsentationswille gegenüber den Residenzstädten verstärkte das kommunale Zuschussgebaren zusätzlich.

Daten über Theaterzuschüsse für die Jahre 1908 und 1912. Alle Werte sind als Untergrenze zu interpretieren,

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Städtische Zuschüsse für ausgewählte Theater (1899-1912) in Tausend Mark (gerundet).

Im betrachteten Zeitraum stiegen die Zuschüsse für Privattheater nominal durchschnittlich um das Siebenfache, real etwa um das Fünfeinhalbfache an. Dies gilt nicht nur für die hier dargestellte Auswahl. …

In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg überführten z. B. Köln (1904), Kiel (1909), Essen und Leipzig (1912) ihre städtisch bezuschussten Privattheater in kommunale Trägerschaft. …

Sicher nicht zufällig kommt mit der zunehmenden „Verstadtlichung des Theaters“ weiträumig das (normative) Argument auf, Oper und Theater seien zur persönlichen Bildung eines jeden unerlässlich. Was seit der Aufklärung immer wieder vom Bürgertum gefordert wurde, aber mitnichten großflächig Anklang gefunden hatte, wurde nun im Kaiserreich von den Kommunen aufgegriffen. Neben hohen Investitionen in Schulen wurden Kunst und Kultur zum zentralen und prestigeträchtigen Betätigungsfeld. Hier waren politische Profilierung weiterer Verwaltungsausbau und Ausgabensteigerungen möglich. Theater- und Opernaufführungen sollten als Bildungsmaßnahme den jungen und armen Bevölkerungsteilen in Form von Schüler- und Volksvorstellungen zu günstigen Preisen zugänglich gemacht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, gewährten die Städte zusätzliche und zweckgebundene Mittel. Diese betrugen, gemessen an der Höhe der allgemeinen Theaterzuschüsse, zwar nur einen Bruchteil derselben, aber der Grundstein für die Verknüpfung von öffentlicher Theatersubventionierung und „Volksbildungswesen“ war gelegt. …

Ob dies aus politischem Idealismus geschah oder ob die entsprechenden Kommunalverwaltungen ihren Einflussbereich vergrößern wollten, bleibt offen. …

Allein die preußischen Hoftheater wurden folglich vor Beginn des Ersten Weltkriegs mit 3-4 Mio. Mark bedacht. Die Gelder für die höfischen Bühnen flossen seit der Reichsgründung mehr denn je zu Repräsentationszwecken, alles stand unter dem Primat der Außenwirkung. Der Glanz des Kaiserreichs wurde Staatsgästen unter anderem anhand der prachtvollen Bauten und aufwendiger Bühnenpräsentationen vorgeführt; beispielsweise gehörte 1873 zum Staatsbesuch des persischen Schahs ein Abend in der heutigen Oper „Unter den Linden“ zur politischen Inszenierung fest dazu. …

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Theaterförderung im Kaiserreich durch das Nebeneinander von öffentlich bezuschussten Privat-, Kommunal- und Hoftheatern und die überall steigenden Zuschüsse ein bis dato unbekanntes Ausmaß erfuhr, das sich auch durch den Ersten Weltkrieg nicht grundlegend verringerte. Vor diesem Hintergrund erst wird die Fördersituation erklärlich, die sich nach 1918 in der Weimarer Republik herausbildete.

Causa publica: Theater in der Weimarer Republik

Das Theater war immer mit der Staatsmacht und den darin zum Ausdruck kommenden gesellschaftlichen und geistigen Kräften verbunden. …

Die Strukturen der neuen und seit dem 11. August 1919 mit einer Verfassung ausgestatteten Republik berührten zwangsläufig auch die Theater und Opernhäuser: Da sich das Reich nunmehr aus den neu gegründeten deutschen Ländern zusammensetzte und der Adelsstand in der vormaligen Form nicht mehr existierte, änderte sich augenscheinlich die Trägerschaft der 26 bestehenden Hoftheater. Die Länder als Rechtsnachfolger der früheren Landesherren übernahmen 20 davon als Staatstheater. Die verbleibenden 6 wurden als Stiftung bzw. als Stadttheater weitergeführt. Letzteres hatte finanzielle Gründe; so sah sich z. B. ein Land wie Thüringen nicht imstande, gleich Hoftheater der ehemaligen Herzog- und Fürstentümer, aus´denen sich das Land zusammensetzte, zu betreiben.

Doch trotz der Umwandlung vom höfischen zum Staatstheater und dem Wechsel der Trägerschaft änderte sich an den zugrunde liegenden und seit Jahrzehnten gefestigten Förderstrukturen kaum etwas. Die Theater wurden weiterhin und ohne Unterbrechung großzügig aus Steuermitteln, die nun aus den Landesetats stammten, bedacht ‒ ganz der Hoftheatertradition folgend sollten diese Häuser aufwendige Inszenierungen bieten und eine repräsentative Wirkungent falten können.

Weltwirtschaftskrise 1929, die binnen kurzer Zeit die deutsche Industrieproduktion um etwa 50 %, Investitionen um 40 % und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sowie durchschnittliche Löhne und Gehälter um etwa 30 % schmälerte und die Arbeitslosenzahlen in wenigen Jahren verdreifachte.

… De facto war es den Staatstheatern demnach trotz Wirtschaftskrise noch immer möglich, ihren Etat zu überziehen und einen entsprechend höheren Zuschuss von den Ländern zu bekommen. Zum anderen fallen die Kürzungen, betrachtet man obige Zahlen, doch recht gemäßigt aus ‒insbesondere wenn man bedenkt, dass sich Deutschland in einer wirtschaftlichen Lage befand, die von Historikern einhellig als „katastrophale Krise“charakterisiert wird. Von der Spielzeit 1929/30 bis zur Spielzeit 1930/31 sanken die Zuschüsse durchschnittlich nur um 2,2 %. Dass die Staatstheater im Vergleich zu anderen Lebensbereichen verschont wurden, geht auch aus Protokollen des Preußischen Landtags hervor. Anstehende Kürzungen wurden hier selbst auf dem Höhepunkt der Krise heftig bekämpft. Nur wenige Abgeordnete, wie z. B. der Zentrumspolitiker Dr. Albert Lauscher, kritisierten offen, dass man in Anbetracht der Zuschüsse für staatliche Theater wohl „auf einer Insel der Seligen gelandet sei, die von der Not der Zeit nichts wisse und nichts empfinde. …

Schon ein Jahr nach Kriegsende befanden sich 24 Theater in städtischer Regie, 1921 bereits 48 und 1928 62; 1931 sank die Anzahl auf 52.

Das Zuschussverhalten der öffentlichen Hand in der Weltwirtschaftskrise verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass das System öffentlicher Theatersubventionierung erst in den Jahren nach Kriegsende in dieser stark erweiterten Form etabliert worden und man augenscheinlich nicht Willens war, dieses wieder aufzugeben. Es basierte neben dem oben angesprochenen und bereits bekannten Repräsentationswunsch auf weiteren Motiven der öffentlichen Körperschaften, die „von einem politischen Wollen getragen waren, ausgerichtet auf ein politisches Ziel“:

Um Vertrauen zu erlangen, seine Legitimation zu untermauern und sich die Loyalität diverser Interessengruppen zu sichern, setzte der Staat der Weimarer Republik von Anfang an  auf hohe Subventionen, … .Im Theaterwesen hieß das für die Länder und insbesondere für die Kommunen, ein soziales Theater als öffentliche Kulturaufgabe zu prägen …

Normalerweise wurden die Theaterzuschüsse allerdings positiv konnotiert, denn Theater unterstrich schmückend jeweils das eigene Anliegen.Neben den Staats- und Stadttheatern zählten zum deutschen Theatersystem in der Weimarer Republik auch eine Vielzahl neu geschaffener Wander- oder Landesbühnen und zu guter Letzt einige Privattheater, die ebenfalls öffentliche Zuschüsse erhielten, …

Theaterförderung im Nationalsozialismus: Die Nationalsozialisten begriffen Kunst als wichtige öffentliche Aufgabe, die es zu beherrschen galt; speziell durch das Theater strebte man „die geistige Führung des Volkes“ an, weshalb alle kulturschaffenden Personen und Institutionen zur Zwangsmitgliedschaft in der Reichskulturkammer verpflichtet wurden.

Wie stark gerade bei den Reichstheatern persönliche Eitelkeiten und Repräsentanzwille der nationalsozialistischen Führungsriege ins Gewicht fielen, wird am Beispiel des Deutschen Opernhauses in Berlin-Charlottenburg besonders deutlich … beruhte auf der gut dokumentierten Rivalität zwischen Goebbels und dem preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring, …

 Der nationalsozialistische Staat brüstete sich nämlich offiziell damit, dass jede Stadt mit 50.000 Einwohnern eine eigene, feststehende Bühne besäße; neben dem volksbildenden und aufklärenden Charakter, der dem Theater zugesprochen wurde, sollte die Pflege klassischer Kunstformen innenpolitische Normalität ausdrücken.

… dass der national-sozialistische Staat den Umfang der Theatersubventionen beträchtlich steigerte ‒ zwischen 1934 und 1939 verdoppelten sich die Zuwendungen an die Stadttheater …

Die deutlichen Zuschuss-Steigerungen resultieren aus der ausdrücklichen Beteuerung der nationalsozialistischen Führung, dass Kunst als „öffentliche Aufgabe“zu behandeln sei …

… In Österreich entstand ‒ neben den 7 staatlichen Theatern in Wien und den städtisch geführten Theatern in Graz, Linz, Innsbruck, Klagenfurt und Salzburg ‒ ein Netz aus Wanderbühnen in Trägerschaft der neu errichteten österreichischen Reichsgaue. Allein die beiden prestigeträchtigsten Wiener Theaterbetriebe, Staatsoper und Burgtheater, wurden vom Propagandaministerium 1938 ‒ im Jahr des Anschlusses ‒ mit 3,3 Mio. Reichsmark bedacht, 1941 bereits mit 10,1 Mio. und 1943 immerhin noch mit 7,1 Mio. Reichsmark.

Theaterfinanzierung in Westdeutschland bis zur Wiedervereinigung: „Der Ehrgeiz, ein Theater zu besitzen, ist wie der Ehrgeiz, Stadt zu sein!“

… ersten Nachkriegsdaten von 1946 und 1947 … überraschen die Zahlenangaben durch die historisch sehr hohe Quote an eigenen Einnahmen, nämlich 86 % respektive 83 % des aggregierten Theateretats. Grund dafür war eine besonders hohe Nachfrage nach Theater; diese brachte trotz hoher Eintrittspreise eine Platzauslastung von über 80 % mit sich, sodass die Subventionen geringer ausfallen konnten. Als Begründung für die Popularität des Theaters in dieser Zeit wird von Kulturwissenschaftlern vielfach der „Kulturhunger“ der deutschen Bevölkerung nach Ende der nationalsozialistischen Herrschaft angeführt,…

Nach der Währungsreform im Juni 1948 kam es dann prompt zu einer Verschiebung der Verhältnisse: Die Besucherzahlen brachen um die Hälfte ein …. überlebten die öffentlich finanzierten Theater als Ganzes die Währungsreform doch nahezu ungeschmälert. Der Grundkonsens, dass eineigenes Theater als öffentliche Bildungseinrichtung das kulturelle Bild einer Stadt oder einer Region entscheidend aufwertet und daher als finanzierungswürdig erachtet wird, blieb weiter hin unangetastet.

… wird für diese Zeit die Prägung durch die konservative Regierung Konrad Adenauers und deren angeblich präferierte Förderung klassischer Hochkultur ins Feld geführt.

…im weiten Sinne wird auch der steilste Anstieg der Theaterausgaben von Ländern und Gemeinden der sozialliberalen Politik ab 1969 zugeschrieben. Zwei Ausgabentreiber sind hier  zu nennen: Zum einen richtete sich die Kulturpolitik auf das Credo „Kultur für alle“ aus …  Kultur sollte allen Bürgern zu günstigen Eintrittspreisen und in erreichbarer räumlicher Nähe zur Verfügung stehen.

Zum anderen weitete sich der Etat durch eine deutliche Zunahme der Personalausgaben aus. …
Da sowohl die öffentlichen Zuweisungen als auch die Eigeneinnahmen stiegen, erhöhte sich folglich der Theateretat insgesamt. Allerdings änderte sich zunehmend dessen Zusammensetzung . Obwohl die eigenen Betriebseinnahmen absolut stiegen, wurde ihr prozentualer Anteil am Gesamtetat fortwährend geringer. … sank der Anteil der Eigeneinnahmen in den 1980er-Jahren weiter bis auf etwa 15 %.

Theaterfinanzierung im wiedervereinten Deutschland seit 1990

„Stellung und Ansehen eines vereinten Deutschlands in der Welt hängen außer von seinem politischen Gewicht und seiner wirtschaftlichen Leistungskraft ebenso von seiner Bedeutung als Kulturstaat ab.“

… Auf Theaterebene,  machen die öffentlichen Zuschüsse einen konstant hohen Anteil am Theateretat aus ‒ nämlich durchschnittlich zwischen 82 und 88 % …

Von 2003 auf 2004 sanken die sonstigen Zuschüsse wieder erkennbar, diesmal allerdings aufgrund einer Umstellung innerhalb der Theaterstatistik: Seit 2004 zählt der Deutsche Bühnenverein die Zuwendungen privater Spender ‒ im Jahr 2003 aggregiert immerhin bei knapp 20 Mio. Euro ‒ nicht mehr wie bisher zu den sonstigen Zuschüssen, sondern rechnet sie den eigenen Betriebseinnahmen der Theater zu.

Die Entscheidung, Theater und Opern in Deutschland substanziell aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren, haben Herrscher und politische Entscheidungsträger über die letzten Jahrhunderte immer wieder getroffen. Die deutschen Förderstrukturen sind historisch gewachsen und reichen bis ins Mittelalter, zum Beginn des professionellen Schauspiels und dem Aufkommen der Oper, zurück. Sie haben sich über die Zeit derart gefestigt, dass sich Deutschland im 21. Jahrhundert schließlich als das Land mit der höchsten Theaterdichte weltweit und dem am stärksten subventionierten Theatersystem bezeichnen kann.

… lassen sich tatsächlich verfassungsrechtliche oder gesetzliche Vorgaben finden, die Theatersubventionierung zu einer Pflichtaufgabe von Ländern und Gemeinden machen? … Grundsätzlich sind die Länder durch die entsprechenden Artikel in ihren Landesverfassungen zwar gehalten, „die Belange der Kultur zu berücksichtigen“, aber es ergeben sich keine individuell einklagbaren Rechte auf Subventionierung. … Es bleibt daher insgesamt festzuhalten, dass den Ländern und Gemeinden verfassungsrechtlich und gesetzlich keine Pflicht zur Theaterfinanzierung erwächst. … gehören Theatersubventionen zu jenem kleinen Teil eines Haushalts, der nicht vorbestimmt ist und über den die Landesparlamente bzw. die kommunalen Volksvertretungen de jure frei entscheiden können.

… Die in der Produktion teuerste Sparte, das Musiktheater, wurde in der Spielzeit 2013/14 von 71 % aller Häuser angeboten.

Die drei gängigsten Formen sind das Repertoire-System, das Stagione-System und das Semi-Stagione-System. Das Repertoire-System zeichnet sich durch täglich wechselnde Aufführungen aus einer oder mehreren Sparten aus. Dabei werden neben Neuinszenierungen auch Inszenierungen vergangener Spielzeiten  eben Stücke aus dem Repertoire  auf die Bühne gebracht. Dies führt einerseits zur größtmöglichen Programmvielfalt innerhalb eines Theaters: Durchschnittlich präsentierten die 142 öffentlichen Theater in der Spielzeit 2013/14 38 verschiedene Inszenierungen, davon 21 Neuinszenierungen. Andererseits bringt das Repertoire-System die Eigenheit besonders hoher Personalkosten mit sich: Erstens hat die künstlerische Truppe eines Repertoire-Theaters notwendigerweise eine gewisse Größe, um alle Sparten und Rollen- bzw. Stimmfächer abdecken zu können, und bildet zumindest für eine komplette Spielzeit ein festes (und fest angestelltes) Ensemble. Zweitens ist die Zahl an benötigten Bühnentechnikern in diesem Betriebssystem am höchsten, da täglich auf-, um- und abgebaut werden muss, und drittens ist der logistische und verwaltungstechnische Aufwand höher als bei den anderen Spielplansystemen. Das Repertoire-System ist an nahezu allen öffentlichen Theatern Deutschlands Usus. In Südeuropa und in den USA findet man dagegen in erster Linie das Stagione-System: Hierbei wird ein einziges Stück über mehrere Wochen alle paar Tage aufgeführt, danach wird ein neues einstudiert und wiedergegeben. Dieses System bedingt viele Leerzeiten der Häuser und eine völlig andere Personalstruktur und ist daher deutlich günstiger …

… bei den meisten öffentlichen Theatern um Mehrspartenhäuser, von denen ein Großteil auch die Sparte Musiktheater bedient, ansonsten sind es hauptsächlich sogar reine Opernhäuser. Das Musiktheater ist im Vergleich zu den anderen Sparten besonders personalintensiv, da neben den Solokünstlern zusätzlich ein Chor und ein Orchester benötigt werden. Dass die öffentlichen Theater fast ausschließlich nach dem Repertoire-System arbeiten, trägt ebenfalls zu einer größeren Mitarbeiterzahl bei.

Letztere wird noch zusätzlich durch den das deutsche Theatersystem prägenden Gedanken des Theaters als Manufaktur in die Höhe getrieben: Von der Idee bis zur Aufführung findet alles unter einem Dach statt; größere Theaterbetriebe verfügen sogar über eigene Tapezierwerkstätten, Schlossereien und Rüstkammern.In der Spielzeit 2013/14 waren in den 142 öffentlichen Theatern rund 39.200 ständig Beschäftigte angestellt, etwa 16.000 weitere Mitarbeiter wurden über Gastverträge produktions- oder abendweise beschäftigt und zusätzliche 9.000 hatten Werkverträge inne.

.. ist festzuhalten, dass das öffentlich getragene Theatersystem Deutschlands in seiner aktuellen Ausgestaltung besonders kostenintensive Strukturen aufweist. Die hohe Anzahl an Theatern, das große Angebot an Musiktheater (insbesondere Oper), das Spielplanprinzip nach Repertoire-System und die beschriebenen Personalstrukturen sind historisch gewachsen und wiederum allesamt Faktoren, die sich auf die Höhe der heutigen Theatersubventionen auswirken. … zumal die Entscheidung, Theater mit öffentlichen Mitteln zu fördern, seit jeher ein Politikum ist.

Theater nunmehr durchschnittlich zwischen 15 und 20 % ihres Gesamtetats selbst erwirtschaften, die restlichen 80 bis 85 % als Zuschüsse der öffentlichen Hand erhalten.

Schlussbetrachtung

Das deutsche Theatersystem in seiner heutigen Form steht und fällt mit den finanziellen Mitteln, die die politischen Entscheidungsträger von Ländern und Gemeinden ihm angedeihen lassen. Eine solche Situation ist natürlich nicht über Nacht entstanden, sondern über Jahrhunderte gewachsen.

Diese Entwicklung der öffentlichen Finanzierung von Theater und Oper seit ihren Anfängen nachzuzeichnen war Gegenstand des wirtschaftshistorischen Teils vorliegender Arbeit.  Es konnte gezeigt werden, dass bereits seit der Entstehung des professionellen Schauspiels gegen Mitte des 16. Jahrhunderts sowohl die Höfe als auch die Städte erhebliche Kosten für Theateraufführungen trugen, und sich speziell die Höfe wenig später mit großem finanziellen Einsatz der Oper annahmen. Dabei führte die starke politische Fragmentierung und das Nebeneinander von höfischem und bürgerlichem Anspruch dazu, dass auf engem geographischen Raum eine Vielzahl von Theatern entstand und unterhalten wurde.

Diese Grundstruktur überdauerte selbst die großen politischen Umbrüche der deutschen Geschichte, also das Ende von Kaiserreich und Adel, das Ende der Weimarer Republik und des nationalsozialistischen Regimes, die Teilung Deutschlands und zu guter Letzt die Wiedervereinigung. So unterschiedlich die politischen Ordnungen auch waren  zu allen Zeiten wurde ein großer und zunehmend größerer Teil der Theateretats aus öffentlichen Mitteln bestritten….

Funktionen, die man dem Theater von politischer Seite her beimaß:

„Theater diente in erster Linie der (Selbst-)Darstellung, und zwar nach außen wie nach innen. Damit untrennbar verknüpft ist der Repräsentanz- und Prestigegedanke. So waren Theater und Opern schon im Absolutismus Teil des höfischen Wettbewerbs, die Nationalsozialisten benutzten sie zur Machtdemonstration, und das kulturelle Wettrüsten der beiden deutschen Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg ist noch heute am Beispiel der Berliner Theaterlandschaft besonders gut nachvollziehbar. Zudem sprach man den darstellenden Künsten sowohl eine aufklärerische als auch eine politische Funktion zu: Theater wurde und wird als wichtiger Bildungsfaktor begriffen, oft genug aber auch als Medium zur Verbreitung gewünschten Gedankenguts eingesetzt  in extremer Form z. B. im Zuge der Gleichschaltung bei den Nationalsozialisten oder durch Spielplanvorgaben zwecks Implementierung sozialistischer Werte in der DDR. Zugleich waren und sind 134 Theater ein gut sichtbares Stück Kultur eines Landes; sie wurden seit jeher als Zeichen innenpolitischer Normalität interpretiert und auch deshalb mit öffentlichen Mitteln gefördert.“

 Gesichtet + zusammengestellt von Tim Theo Tinn 13.Mai 2024

 

 

 

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