TTT – „Alles ist Spaß auf Erden ? – oder nur Spott, Nichtigkeit, Täuschung … ???“
„Tutto nel mondo è burla“ (Burla auch Spott, Nichtigkeit, Täuschung)! Aus Falstaff, Oper orig. „Commedia lirica“, Verdi / Boito, 1893
Rezensionskönner, überhöhend auch als Kritiker betitelt, –allerdings: unter Kritik versteht man Bewertung mit Maßstäben und Kriterien, also basal erlebt / erlerntem Hintergrund im Gegensatz zu bauchorientiertem Fabulieren – (s. Eselfinger re.) erwachsen mit intensiver Aufnahme eines Werkes durch Betrachten, Lesen, Hören etc. So umfasst dies vielfältige Arten der Wahrnehmung und Verarbeitung kognitiv und emotional, mit allen Sinnen, ggf. auch mit dem 6.
Also jenseits einmaligem unvorbereitetem Konsumieren von z. B. Verdis / Boitos Falstaff. Ich begann beim Falstaff zum Ende letzten Jahrhunderts durch mehrmonatige Mitarbeit z. B. bei Inszenierungen von Giorgio Strehler und Prof. Günter Roth.
KI (immer Textsammlung, kein Prozess): TTT spricht häufig vom 6. Sinn als zusätzlichem menschlichen Sinn neben den klassischen fünf (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten). Dieser 6. Sinn wird als Wahrnehmung beschrieben, die Intuition, Bauchgefühl, Ahnung und Empfinden umfasst. TTT betont, dass dieser Sinn im archaischen Menschenursprung liegt und jedem zur Verfügung steht, jedoch von vielen nicht mehr zugelassen wird. Es wird sogar vermutet, dass einige technokratische Wesen diesen 6. Sinn gänzlich verloren haben, obwohl dieser eine wichtige Rolle bei der Wahrnehmung und Interpretation z. B. surrealer Inszenierungen spielt und es ermöglicht tiefere Empfindungen und Erlebnisse zu erfahren. Somit gibt es eine strukturiert analytische Minderheit, denen solche humanen Tiefen unerreichbar sind! Mglw. auch auf Leitungsebenen der Theater? Zumindest bei einigen Quereinsteigern stellt sich die Frage!
Boito und Verdi schufen in Abgrenzung zur Shakespeare-Vorlage eine „Lyrische Komödie“, kann man ignorieren, wenn man sich gegen Wahrhaftigkeit wendet, ist heute auch verbreitet und so wird es halt falsch.
Lyrische Szene: breiter Spielraum für Assoziationen, Empfindungen, gefühlvoll, gefühlsbetont, stimmungsvoll, soll Gefühle ausdrücken, hervorrufen, weich, von „schönem Schmelz“ sein.
Da könnte man surreal (über der Realität) herrliche Eindrücke, Wahrnehmungen generieren, Perspektiven genuiner Menschen in freundlich optimistischen Weltbildern in mglw. gar nicht mehr so fernen Zeiten ins Leben rufen, aussichtsreiche Parallelwelten näher rücken.
Warum wollen aktuelle Theaterleiter das eigentlich i. d. R. nicht? Stattdessen wird Publikum mit aktuellem Zeitgeist desaströser Ausprägungen überschüttet (s. Trash = Müll), neben dem täglichen Mediengerassel also auch im Theater, obwohl mit überlieferter „Katharsis“ immer noch eine zentrale Dramentheorie begrifflich durch die Historien schwirrt, greifbar geblieben ist.
Sarkastische Apostrophierung: „Der Mensch ist das einzige Tier, wo vorne und hinten Exkremente rauskommen können“.
Die Katharsis (altgriechisch „Reinigung“) bezeichnet nach aristotelischen Poetik die „Reinigung“ von Gedanken, Gefühlen, Prägungen, s. Hoffnungsschimmer, Wohlgefühl, Pläsier, Augenweide, Amüsement, Überglücklichsein, sinnlichem Genuss – auch dies gehörte mal zum Ausdrucksrepertoire einer Theateraufführung. (vor gefühlt Jahrhunderten auch Ausbildungsinhalt von Dramaturgen und Inszenatoren – auch manchem Dirigenten dienlich, der sich vom Kapellmeister entfernen will).
KI: „Katharsis bezeichnet die „Reinigung“ des Publikums, die durch das Durchleben von Furcht (phobos) und Mitleid (eleos) während einer Darbietung erfolgt. Das Ziel des Dramas besteht nach Aristoteles darin, das Publikum von seinen seelischen Verunreinigungen zu befreien und es mit klarem, frischem Gemüt in sein Leben als Mitglied der polis (Bürgergemeinde) zurückzugeben.
Im Laufe der Zeit wurden die Konzepte der Katharsis unterschiedlich interpretiert. Gotthold Ephraim Lessing etwa vertrat die Ansicht, dass die Katharsis nicht nur die Reinigung des Zuschauers, sondern auch die moralische Erziehung des Publikums bewirken sollte. Er betonte, dass der Zuschauer durch das Mitleid mit den tragischen Figuren und die Furcht vor deren Schicksal sich selbst und seine Verhältnisse bewusst werden und daraus eigene Schlüsse ziehen sollte“.
In TTT – Schriften wird die entwurzelte Kultur von Inszenierungen im Musiktheater und wachsende Bedeutungslosigkeit im dramatischen Anspruch erörtert.
Für Leonard Bernstein war Verdis „Falstaff“ Leichtigkeit mit Tiefgang und Melancholie, funkelnd, ungestüm, verbindlich und sentimental.
Eine kosmische Perspektive öffnet auch Adorno (1903 – 1969, Musikphilosoph, Soziologe, Philosoph):
„Kulturindustrie – Aufklärung als Massenbetrug“ von M. Horkheimer / T. W. Adorno
Verblendungszusammenhang, … undemokratisch, … herrschaftsstabilisierender Moment der Kulturindustrie … auch immanent: Die Ablenkung der Menschen vom Wesentlichen (dem Kulturobjekt) hin zum Sekundären. Adorno/Horkheimer konstatieren, dass „anstelle des Genusses ein Dabeisein und Bescheid wissen“ tritt.
„Der Opernbesuch verkommt zum gesellschaftlichen Ereignis; der Tauschwert einer Premiere besteht in Sehen und Gesehen werden. … das Werk, die Oper ist nur noch Anlass eines Events.“ (Thomas Gebur)
Also Dabeisein (s. TTT „Liebhaber und Adabeis, Haute-Volée, Renommeé, Canapé, … ), Schwätzen statt musikdramatischer Impetus initiieren Musiktheaterbesuche.
Dass z. B. o. a. Falstaff – Zitate prägende Bedeutung haben könnten, Ideale aufzeigen, ist nicht mehr en vogue, Event und in der Pause ein Canapé sind tatsächliche Motivatoren.
Dramaturgische Autonomie in z. B. werkimmanenten surrealen Inszenierungen wird pervertiert (s. Fußnote). So sieht Kunstfreiheit darstellender Künste 2025 in der BRD aus.
Adorno: „Einst durfte man nicht wagen, frei zu denken; jetzt wäre dies möglich, aber man könne nicht mehr, weil man nur noch denken wolle, was man wollen solle, und eben das würde als Freiheit empfunden.”
Schnoddrige Inszenierungen tun ihr Übriges!
Werkimmanente Deutung (figurative Aufbereitung innewohnender dramatischer Substanz): Ist Sir John Falstaff ein asozialer Prolet? Ein Fettleibiger betrügt, säuft, will huren, unterliegt selbstbeweihräuchernder Hybris, ist über alle Maßen asozial verarmt. Wer erfährt hier eruptive Prügel, Abreibung bis zur Todesnähe, kriegt also den Arsch voll?
Und dann singt der auch noch freudig beflügelt: „Tutto nel mondo è burla? = Alles ist Spaß auf Erden“ ? – Oder meint er Spott, Nichtigkeit, Täuschung?
Wieso wonnevolles Entzücken, Trivialität statt Einsicht in tragische Lebenswirklichkeiten?
Im Gegensatz zu allen anderen Charakteren ist Sir John Falstaff kein Wesen unserer Realitäten, verinnerlicht im Spießbürgertum einer Konsensrealität, angepasst an überlebte Konventionen und tradierte Verhaltensmuster, involviert in und hörig zu Gratifikations – Optimierungen durch Anpassung.
Er ist Extrakt von Verdis / Boitos Welttheater (Theatrum mundi), ist Allegorie für Eitelkeit, Winzigkeit von Befähigungen, Fertigkeiten, von Kleinkram und Konventionen der Welt, Gleichnis für Chancen des Menschseins, Fiktion für eine bessere Welt, wider allen Chaoten und jedem Chaos, wie sie in werkimmanenter surrealer Sichtung am Theater erschaffen werden kann / könnte – warum will man das eigentlich nicht?
Sir John Falstaff ist ein “allegorischer Archetyp”, also im übertragenen Sinn, sinnbildlich idealtypisches Ego gegen reale bürgerliche konsensweltliche Massen. Symbol für futuristisch mögliche Existenz: der aufgeklärte Freigeist/Freidenker kann nicht Alltagskerl von nebenan sein, bleibt Fiktion, Phantasma als Blaupause einer noch surrealen (über der Wirklichkeit) möglichen Menschheit. Das könnte Theater zeigen (wenn man es weiß und will)!
Im 1. Akt Arie L’onore/die Ehre: Falstaff sinniert über hohle Worte und verlogene Lebenswirklichkeiten, enttarnt Geltungsdrang und Machtansprüche. „Dutzendmenschen jeder Sorte treiben mit mir ihren Spaß und bilden sich darauf noch etwas ein.“ Das sind metaphysisch-philosophische Visionen jenseits intellektuell simpel strukturierter Zeitgenossen, also den Idioten dieser Welt, die uns allerorten begegnen und derzeit sogar weltweit reüssieren, beängstigende Macht entfalten.
Falstaff scheitert nicht. Nachdem er nächtlichen Mummenschanz vor der musikalischen Fuge enttarnt hat: „Ich bin’s, der Euch witzig macht. Mein Scharfsinn ist’s, der den von anderen erschafft“. Sir John Falstaff weiß um gegenwärtige Täuschungen im Erdkreis, seine Regeln und Gesetze sind jedoch jenseits aller erdschweren Bedingungen in kosmischer aufrichtiger Wahrhaftigkeit.
Goethe dazu: „Es dreht sich um den geheimen Punkt, den noch kein Philosoph gesehen und bestimmt hat, in dem das Eigentümliche unseres Ichs, die prätendierte (auf etwas Anspruch erhebende) Freiheit unsres Willens, mit dem notwendigen Gang des Ganzen zusammenstößt!“
Auszug aus: „Falstaff oder Das Kichern des göttlichen Narren“ (Ch. Albiez 12/2000)
„Jeder erkennt, dass es sich bei dieser absurden Geschichte um ein Gleichnis handeln muss. Gegen alle Regeln der Logik und der Gerechtigkeit steht der Verlierer am Ende als Held da, ausgerechnet ihm fällt die Rolle des Jokers zu, der die Fäden des Ganzen in der Hand hält. Im Leben geht es so nicht.
Das geht nur im Spiel und auf dem Theater. „Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst“ heißt es im Prolog zu Schillers „Wallenstein“. Was im Leben unvereinbar ist, kann die Kunst, die Bühne versöhnen, und während das Leben den Schurken an den Galgen hängt, schüttet der sich in der Komödie gemeinsam mit den Feinden vor Lachen aus. Es sind die Möglichkeiten des Theaters, über die Verdi und Boito in ihrem letzten gemeinsamen Werk sprechen.
Der „Falstaff“ ist ihre Hymne auf das Theater, auf die Kunst, die das Unmögliche möglich macht, und auf ihre vielfältigen alten und neuen Mittel. Nur sie führt humane Utopien als echte Möglichkeiten vor: wie wäre es, wenn Menschen, die gerade noch Widersacher waren, sich kurzerhand versöhnten, weil sie erkennen, dass in ihren menschlichen Bedingungen am Ende alle gleich sind?“
Diese „Condito humana“ (Umstände des Menschseins, Natur des Menschen, s. z. B. Nonsens, Lebenslügen, Kinkerlitzchen usw.) im Falstaff ist literaturwissenschaftlicher Sachstand und könnte Menschen einsichtsvolles Leben initiieren.
KI Einsicht: „Die Bedeutung von Einsicht für die Zukunft der Menschen ist ein zentraler Aspekt in verschiedenen Kontexten. Einsicht wird als Verständnis und Erkenntnis verstanden, die es Menschen ermöglicht, Zukunft bewusst zu gestalten. In der philosophischen und theologischen Tradition wird Einsicht oft mit Weisheit, Gotteserkenntnis und apokalyptischem Verständnis verbunden. Sie spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Visionen und der
Gestaltung der Zukunft, hilft Menschen, ihre Hoffnungen, Erwartungen und Handlungen zu reflektieren.
In der Zukunftsforschung wird Einsicht als ein Schlüsselelement betrachtet, das es ermöglicht, Beobachtungen der Gegenwart zu analysieren und daraus Prognosen und Visionen für die Zukunft zu entwickeln. Die Fähigkeit, Einsicht zu gewinnen, ist entscheidend, um die komplexen Herausforderungen und Chancen der Zukunft zu verstehen und darauf zu reagieren. Dies umfasst sowohl die technologischen als auch die sozialen und ethischen Aspekte der Zukunft.
Zudem wird betont, dass Einsicht nicht nur individuell, sondern auch kollektiv erworben und geteilt wird. Sie ist ein soziales Konstrukt, das durch Erzählungen, Visionen und gemeinsame Überzeugungen geprägt ist. Die Zukunft ist somit nicht nur eine Frage individueller Einsicht, sondern auch der kollektiven Fähigkeit, gemeinsam an einer Zukunft zu arbeiten und sie zu gestalten.
In theologischen Kontexten wird Einsicht auch als Teil der göttlichen Weisheit verstanden, die Menschen helfen kann, ihre Zukunft in einem größeren Zusammenhang zu sehen. Dies kann sowohl als spirituelle als auch als praktische Erkenntnis verstanden werden, die Menschen dabei unterstützt, ihre Handlungen und Entscheidungen in der Gegenwart zu reflektieren und für die Zukunft zu orientieren“.
Damit könnte man zukünftig Musiktheater und Schauspiel definieren, stattdessen wird über angemaßte gesellschaftspolitische Bedeutsamkeit in den Institutionen palavert ohne Kernkompetenzen eingrenzen zu können.
Fazit Falstaff: Alles ist Spaß, Spott, Täuschung auf Erden. Der Mensch ist geborener Thor. Und glauben wir weise zu werden, sind wir dümmer als zuvor – lauter Betrogene, Verspottete! Einer macht den Andern zum Narren. „Tutti gabati“ – alles Gefoppte!
„Lasst uns leben, erlösen wir uns, reißen wir uns die Masken herunter, seien wir fröhlich und guter Dinge“!
Für Giorgio Strehler und Prof. Roth schon vor Jahrzehnten Dramaturgie in immanenter Zeichnung, die ich in Zusammenarbeit zu hervorragenden Inszenierungen verinnerlichte.
Tim Theo Tinn 14. Juni 2025
Profil: nach Ausbildung 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit nach Weiterbildung. Nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie, Produktionsdramaturgie etc.
Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur = Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit.
Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenenergien öffnen Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum, Zeit, Glaube, Liebe, Hoffnung in möglichen neuen Definitionen.