Selten gespieltes Jugendwerk von Verdi in Triest: „La battaglia di Legnano“ (Premiere: 25. 2. 2012)
Schlussszene der Verdi-Oper „La battaglia di Legnano“ mit Leonardo Lopez Linares, Andrew Richards und Dimitra Theodossiou
(Foto: Teatro Verdi Trieste)
Im Teatro Lirico Giuseppe Verdi in Triest hatte am 25. 2. 2012 eine nicht allzu oft gespielte und in Österreich offensichtlich wegen der Ereignisse von 1848 verpönte Oper von Giuseppe Verdi Premiere: „La battaglia di Legnano“. Das im Jänner 1849 in Rom uraufgeführte Werk gilt als einzige originäre Risorgimento-Oper des Komponisten. Im Revolutionsjahr 1848 sah sich die Einigungsbewegung, zu deren Anhänger auch Verdi zählte, knapp vor ihrem Ziel, Italien von der österreichischen und päpstlichen Vorherrschaft zu befreien, konnten doch im Februar die Mailänder nach fünftägigen Straßenkämpfen die österreichischen Soldaten vertreiben. Gleiches gelang in Parma, Modena und in der Toskana. Venedig rief sich zur unabhängigen Republik aus und Papst Pius IX. floh im November ins Königreich Neapel-Sizilien, von wo er erst 1850 mit Hilfe französischer Truppen zurückkehren konnte.
Verdi, der sich 1848 in Paris aufhielt, suchte einen Stoff für eine patriotische Oper und wandte sich an Salvatore Cammarano, den Librettisten seiner Alzira, der ihm als Basis der Handlung das Schauspiel La bataille de Toulouse von Joseph Méry du Locle vorschlug, wobei nicht die Napoleonische Zeit, sondern der Krieg der lombardischen Liga gegen Kaiser Barbarossa mit der Schlacht von Legnano 1176 den Hintergrund der Oper bilden sollte. Verdi war von dieser Idee begeistert, war doch diese Schlacht, in der das Heer Barbarossas eine empfindliche Niederlage erlitten hatte, längst ein Schlagwort der Einigungsbewegung geworden und wurde sogar in der vierten Strophe der ein Jahr zuvor entstandenen Hymne Fratelli d’Italia erwähnt.
Die Handlung der Tragedia lirica in vier Akten, die in Mailand und Como spielt: Unter den Kriegern der lombardischen Stände, die gegen Kaiser Barbarossa rüsten, befindet sich auch der junge Veroneser Arrigo, der sich auf ein Wiedersehen mit seiner Geliebten Lida freut, ohne zu ahnen, dass sie inzwischen mit seinem Freund Rolando verheiratet ist. Lida erfährt von ihrer Zofe Imelda, dass der Totgeglaubte noch lebt. Als Rolando seinen Jugendfreund in sein Haus mitbringt, muss Lida von Arrigo heftige Vorwürfe wegen ihrer Heirat über sich ergehen lassen. – Als Boten der lombardischen Liga fordern Rolando und Arrigo den Magistrat von Como, den Vertrag mit Barbarossa zu brechen. In diesem Moment erscheint Barbarossa und zwingt alle, sich ihm zu beugen. – Arrigo schließt sich den Todesrittern an, die in der Mailänder Basilika S. Ambrogio schwören, Barbarossa unter Einsatz ihres Lebens zu vertreiben. Vor der Schlacht nimmt Rolando Abschied von Lida und bittet Arrigo, sich im Falle seines Todes seiner Familie anzunehmen. Doch als ihm Marcovaldo einen Brief Lidas an Arrigo übergibt, schwört Rolando Rache und schließt Arrigo ein, damit er nicht seiner Mission, das Vaterland zu retten, folgen kann. Arrigo springt aus dem Fenster. – Vor der Mailänder Basilika wird der Sieg der Lombarden verkündet. Auf einer Bahre wird der schwer verwundete Arrigo gebracht, der Barbarossa in der Schlacht von Legnano getötet hat. Im Sterben versichert er Rolando, dass er ihn nicht mit Lida betrogen habe und versöhnt ihn mit seiner Frau.
Ruggero Cappuccio verzichtete in seiner realistischen Inszenierung auf modernistisches Beiwerk und entschied sich für ein künstlerisches Ambiente, zu dem ihm Carlo Savi wirkungsvolle Bühnenbilder in Form von teils noch in Arbeit befindlichen riesigen Gemälden und Skulpturen schuf sowie passende Kostüme entwarf. Eine originelle Idee des Regisseurs war, die Schlussszene als Historiengemälde mit einem riesigen Holzrahmen einzufassen, vor dem der Maler kniet. Für die äußerst kreativen Lichteffekte zeichnete Nino Napoletano verantwortlich.
In der tragischen Rolle des Veroneser Arrigo warf der Amerikaner Andrew Richards seine Heldentenorstimme und seine jugendliche Strahlkraft in die Schlacht. Beeindruckend sein Duett mit Lida im ersten Akt „E ver? Sei d’altri“ („Ist es wahr? Du gehörst einem andern“), für das er Bravo-Rufe aus dem Publikum erhielt. Mit der Ausstrahlung einer Diva wartete die vollschlanke griechische Sopranistin Dimitra Theodossiou als Lida auf, deren dramatische Stimme das Publikum zu Begeisterungsstürmen animierte. Mit ähnlich starker Bühnenpräsenz war der argentinische Bariton Leonardo Lopez Linares ausgestattet. Er überzeugte in der Rolle des Mailänder Heerführers Rolando sowohl durch seine kräftige Stimme wie auch durch sein mitreißendes feuriges Spiel.
Eindrucksvoll agierte auch der italienische Bass Enrico Giuseppe Iori als deutscher Kaiser Friedrich Barbarossa. Aus einem Briefwechsel zwischen Verdi und seinem Librettisten Cammarano ist bekannt, dass der Komponist auf einen Auftritt Barbarossas im 2. Akt bestand und viele Teile des Librettos in Prosa skizzierte.
Neben diesen Hauptfiguren der Oper sind noch die Mezzosopranistin Sharon Pierfederici als Lidas Zofe Imelda und der Bariton Giovanni Guagliardo als Kriegsgefangener Marcovaldo zu nennen, die ihren Rollen auch stimmlich Profil gaben. Der stimmkräftige Chor (Einstudierung: Paolo Vero) füllte seine verschiedenen Rollen (Bürger, Senatoren, Todesritter, Soldaten etc.) zufriedenstellend aus.
Die ausgewogene und fein geschliffene Partitur Verdis wurde vom Orchester des Teatro Lirico unter der Leitung des erfahrenen Dirigenten Boris Brott mit dem für diese patriotische Oper nötigen Feuer wiedergegeben. Das Publikum war begeistert, geizte nicht mit Szenenapplaus und feierte am Schluss alle Mitwirkenden und das Leadingteam mit vielen Bravi-Rufen. Auf Dimitra Theodossiou ging von den Rängen ein schon lange nicht erlebter Blumenregen nieder!
Udo Pacolt, Wien – München
PS: Ein Hinweis für Verdi-Liebhaber, die diese nur selten gespielte Oper kennenlernen wollen: „La battaglia di Legnano“ wird in Triest noch am 28. und 29. Februar sowie am 2. und 3. März aufgeführt.