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TRIER / NERO – KAISER, KÜNSTLER UND TYRANN

01.10.2016 | Ausstellungen, KRITIKEN

NERO_Plakat

TRIER
Rheinisches Landesmuseum:
NERO – KAISER, KÜNSTLER UND TYRANN
Museum am Dom:
NERO UND DIE CHRISTEN
Stadtmuseum Simeonstift:
LUST UND VERBRECHEN – DER MYTHOS NERO IN DER KUNST
Vom 14. Mai 2016 bis zum 16. Oktober 2016

Weil die „Bösen“ so interessant sind…

Sicherlich ist Nero (37-68 n. Chr.) in unseren Tagen einer der bekanntesten Kaiser Roms, vielleicht der berühmteste überhaupt durch das Interesse, das die Nachwelt vor allem an seiner Ruchlosigkeit nahm. Mit den Begriffen „Muttermörder“ und „Brandstifter“ liegt man ohne Zweifel richtig, und diese ziehen nun auch Besuchermassen an drei Ausstellungsstätten in Trier, der deutschen Stadt mit der großen römischen Vergangenheit. Nero nach drei Gesichtspunkten umfassend betrachtet – hier ist mit rund 800 Exponaten aus aller Welt ein überregionales Ausstellungsereignis gelungen.

Von Heiner Wesemann

Nero Geboren 37 nach Christus, war seine Abstammung vom Feinsten, besser als seine Aussichten: Augustus, Livia, Marcus Antonius, Octavia, Marcus Agrippa, die „Royals“ der ersten Generation, zählten alle zu seinen Vorfahren. Mit allen bisherigen Kaisern Roms – Augustus, Tiberius, Caligula, Claudius – war er eng verwadnt. Doch längst herrschte in der Julisch-Claudischen Kaiserfamilie ein wahres Abschlachten untereinander. Seine Mutter, Agrippina (die Jüngere genannt, um sie von ihrer Mutter zu unterscheiden) hatte noch „Glück“, dass sie von ihrem rasenden Bruder Caligula „nur“ ins Exil geschickt wurde. Nero wuchs bei einer Tante auf, und alles wendete sich erst zu Besseren, schließlich zum sehr Guten, als sein Großonkel Claudius (der Bruder seines Großvaters Germanicus) nicht nur Kaiser wurde, sondern auch Neros Mutter (die seine, Claudius’ Nichte war) heiratete. Agrippina sorgte durch den Mord an Claudius für die Nachfolge ihres Sohnes, die nächsten Gefahren beseitigte Nero selbst – den Stiefbruder Britannicus, der als Sohn von Claudius größere Ansprüche hatte als er selbst, dann die Mutter selbst, die zu fordernd wurde, dann die ungeliebte erste Gattin … und viele Adelige und Gegner, die in seiner Regierungszeit das Leben ließen. Da floß viel Blut bis zu Neros eigenem Tod im Jahre 68, den er widerwillig (und mit Hilfe) selbst vollzog, als die Mitwelt seiner endgültig müde geworden war.

Eine Lebensgeschichte Die Ausstellung in Trier will zweierlei und ist dabei erfolgreich: Einerseits Neros Weg biographisch nachzeichnen, mit allen wichtigen Stationen und für den jeweiligen Themenkomplex signifikant typischen Exponaten. Das gelingt auch in der Gestaltung sehr schön, oft mit stimmungsvollen Wandmalereien (der helle Himmel Griechenlands, wenn Neros dortige „Auftritte“ als Sänger geschildert werden). Dazu passenden Zitate aus der Realität: So hat man das Oktogon aus seinem „Domus Aurea“ in Rom nachgebildet. Und vor allem möchte man in diesem Teil der Ausstellung sachlich bleiben, nicht der Emotionalität über das „Monster“ verfallen – und sei es nur in der leider richtigen Betrachtungsweise, dass seine Vorgänger auch nicht besser gewesen seien. Nero also, beim Volk lange beliebt, bei den Mächtigen, über die er sich hinwegsetzte, nie. Seine Aufgaben als Herrscher eines Weltreichs hat er zweifellos in Luxusleben, Frauengeschichten und seiner Überzeugung, ein „Künstler“ zu sein, vernachlässigt. Und das konnte das Imperium Romanum auf die Dauer nicht dulden.

Nero, das interessante Monster Was Nero für die Nachwelt bedeutete, zeigt der „süffigere“ Teil der Ausstellung im Simeonstift, wo man gleich mit ganzen Wänden voll von Kinoplakaten empfangen wird: Natürlich, Nero als Peter Ustinov in „Quo vadis“, zahllose Sandalenfilme, in denen auch seine Gattinnen Poppea und Messalina (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Gattin von Kaiser Claudius) im Mittelpunkt standen, aber auch manch Parodistisches. Das reicht bis zu einer Sammlung höchst vergnüglicher Karikaturen am Ende dieses Teils der Ausstellung. „Warum soll ich Mesopotamien überfallen? Ich mag zwar verrückt (crazy) sein, aber nicht dumm (stupid)“, war ein gezeichneter Kommentar zum Irak-Krieg. Dazwischen gibt es all die grausamen Ereignisse aus Neros Leben, an denen sich eine Nachwelt in Bildern, in der Literatur, auf der Bühne ergötzt hat – der Mord an Mutter Agrippina und der Brand von Rom halten da die Spitze. In der Oper war Nero ein so beliebtes Thema, dass die Ausstellung hier einen ganzen Saal benötigt, um Libretti, Bühnenbilder und Kostüme wirkungsvoll aufzubauen. Kurz, wo die Historiker zurückhaltend bleiben – Künstler und Publikum konnten von seinen Missetaten nicht genug bekommen.

Nero und die Christen Der dritte Teil der Ausstellung findet logischerweise im Dommuseum statt, trägt zwar den Titel „Nero und die Christen“, hat aber am wenigsten mit ihm selbst zu tun – abgesehen davon, dass er für diese neue religiöse Bewegung (aus einer jüdischen „Sekte“ hervorgegangen!) das Urmonster war, der Feind an sich. Etwas, das auch propagandistisch bestens verwertet werden konnte. Denn hier sieht man, didaktisch glänzend aufbereitet, den Gegensatz zwischen einem religiös völlig gelassenen Römischen Imperium, für das alle Götter gleich und gleichgültig war, wenn nur die eigene Autorität nicht angetastet wurde – und den Absolutheitsanspruch einer religiösen Bewegung, die dreihundert Jahre brauchte, sich durchzusetzen. Bis das Christentum durch Konstantin zur Staatsreligion erklärt wurde, war viel Arbeit zu leisten, hier ein tragfähiges ideologisches Gerüst zu bauen, in dem die Märtyrer eine große Rolle spielte. Verfolgte brauchen wirkungsvolle Feinde – Nero, der mit einer Christenverfolgung den Brand von Rom „ahnden“ wollte, eignete sich dazu hervorragend. Und so hat man durch die Dreiteilung des Themas ein wirklich breit gefächertes Bild dieses schillernden, letztlich ja doch nicht „fassbaren“ Kaisers gezeichnet.

Noch bis 16. Oktober 2016 in Trier

 

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