TORINO: 20.04.2013 Turin/Teatro Regio „Don Carlo“
Ein Besuch des nicht überaus prominenten Opernhauses in Turin brachte einige positive überraschende Aufschlüsse: Ein prächtiges, relativ neues Theater (erbaut 1973), mit bequemen Sitzen, beeindruckender Akustik und beste Sicht von jedem Platz, bietet Opernaufführungen von hoher Qualität (wenn man von dieser einen auf die anderen schließen möchte). Inszenierung und das Bühnenbild von Hugo de Ana könnten in jedem Opernhaus der Welt erfolgreich sein, ein klares Konzept mit schönen Bildern und Kostümen erklären das Drama in aller Deutlichkeit. Der bestens einstudierte Chor ließ schon in der ersten Szene aufhorchen, auch das gut einstudierte Orchester unter dem versierten Kenner der italienischen Oper, Gianandrea Noseda am Pult bewältigte alle Schwierigkeiten der Partitur mit großem Anstand. So weit, so gut. Auf der Bühne stand allerdings die Zweitbesetzung (das Werk wird in einer Woche fast täglich gespielt), die zum Teil doch eher enttäuschte.
Ganz schlecht war der Sänger der Titelpartie, Hugh Smith, man könnte ihn „Otello in der falschen Oper“ nennen, hätte er die erforderliche Höhe parat. Mit ungewöhnlich viel Kraft in der Mittellage versuchte er die klar hörbaren Grenzen nach oben zu kaschieren. Da waren nur noch gehauchte, gequetschte, unschöne Töne zu hören. Nicht viel besser war es um die Elisabetta des Abends, Svetlana Kasyan bestellt, auch sie wollte mit zu viel Kraft und zu wenig Piano die Bühne erobern, das misslang gänzlich. Ebenfalls zu den Enttäuschungen muss man Anna Maria Chiuri als Eboli zählen, die Lautstärke hätte für eine Open-Air-Veranstaltung (ohne technische Verstärkung) gereicht, das Vibrato ihrer Stimme ließ nicht nur Carlo erzittern.
Zwei positive Ausnahmen sind aber doch zu nennen: Dalibor Jenis war einen hervorragenden Posa, ihn kennt man als lyrischen Bariton, der aber auch genügend Kraft besitzt, um die dramatischen Ausbrüche – vor allem im Duett mit Philipp – sicher zu singen. Auch Giacomo Prestia konnte als Philipp sehr gut zu gefallen, sein kerniger, wohlklingender Bass hat in den letzten Jahren deutlich an Kraft gewonnen. Sehr gut besetzt waren auch die beiden weiteren Bassrollen, vor allem Roberto Tagliavini als Karl V ließ mit profunder Tiefe aufhorchen, aber auch Alexandr Vinogradov sang einen Großinquisitor, zum Fürchten wie er im Buche steht. Es war trotz der Einschränkungen – wie viele Opernabende sind schon perfekt – ein Erlebnis, einen Klassiker in einem so interessanten Umfeld zu erleben.
Johannes Marksteiner