Tom Sacher
DER FOTOGRAF DER KAISERIN
Ein Roman am Hof von Kaiserin Sisi
(Dienerin Liesel und Hoffotograf Viktor Angerer ermitteln 1)
320 Seiten, Gmeiner Verlag, 2025
Viel Dichtung, ein bißchen Wirklichkeit
Sisi auf dem Titelbild – da kann nichts schiefgehen. Historische Krimis in Österreich schöpfen aus Habsburgs Welt und ihren schillernden Persönlichkeiten. Zum Beispiel Erzherzog Ludwig Viktor, der jüngste Bruder von Kaiser Franz Joseph, homosexuell und das schwarze Schaf des Hofes. Mit ihm hatte Kaiserin Elisabeth eine seltsame, schwankende Beziehung (das ist historisch korrekt). Dass sie ihm einen geheimen Brief schreibt, ist nicht unwahrscheinlich, und dass man ihn einer bayerischen Kuhmagd anvertraut, damit sie ihn überbringt, scheint in diesem Zusammenhang recht logisch, weil diese Liesel ja nicht lesen und schreiben kann…
Zu Beginn: geheimnisvolle Schüsse in Mayerling, aber noch ist es nicht Kronprinz Rudolf, der ermordet wird. Vielmehr geht es einem Schauspieler, dem Geliebten von „Luziwuzi“, an den Kragen. Und Hoffotograf Viktor Angerer wird abkommandiert, die nötigen Tatortfotos zu machen…
Am selben Tag, Samstag, 28.Oktober 1882, versucht in der Wiener Hofburg Kaiser Franz Joseph seiner Gattin Elisabeth, weltweit bekannt als „Sisi“, das Rauchen auszureden, aber sie beharrt darauf, weil es angeblich schlank mache. Im Hintergrund Kammerdienerin Liesel, ein schlichtes, aber nicht dummes Geschöpf aus Elisabeths Heimat Bayern, „Lieselliesel“ genannt – kurz, als Leser ist man schon ganz privat mitten drin bei den Majestäten und am Wiener Hof.
Hineingeführt in diese Welt wird man von einem Autor, der sich für diese Art von Büchern den stimmigen Namen „Tom Sacher“ zugelegt hat und sich, wie sein Autorenporträt zu Beginn des Buches verrät, nicht ganz ernst nimmt. Diese lockere Ironie durchzieht den Roman. Die Liesel hat es wohl nicht gegeben, den Viktor Angerer allerdings schon, er arbeitete mit seinem Bruder Ludwig Angerer, von dem die berühmtesten Fotos der kaiserlichen Familie in dieser Zeit stammen.
Ein unbedarftes. analphabetisches Mädel, über deren Natürlichkeit der Leser immer wieder schmunzelt, und den 40jährigen Angerer, der meist einen Koffer mit Kameras und ein Stativ mit sich herumschleppt, als „kriminalisierendes“ Paar zusammen zu spannen, ist natürlich in keiner Weise wahrscheinlich (was für diese Art von Büchern egal ist), aber gewissermaßen eine klassische Krimi-Konstellation. Erfindung und Wirklichkeit werden auf der Suche nach einem Mörder (wobei sich das Ganze dann als Spionagegeschichte herausstellt) oft bis zur Unkenntlichkeit vermischt, aber wer sich auskennt, wird viele historische Figuren finden und auch nach dem erkennen, was man über sie weiß.
In Zeiten wie den unseren, wo Netflix-Serien durch die Königshäuser und Kaiserhöfe marschieren und sich um die Realität nicht übertrieben viel kümmern, kann man auch einen solchen Unterhaltungsroman schreiben. Wer sich bei den Habsburgern wirklich auskennt und bezüglich der Authentizität eher humorlos ist, greift ohnedies nicht nach einem solchen Buch.
Renate Wagner