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Tobias G. Natter: GUSTAV KLIMT: INTERIORS

23.10.2023 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Tobias G. Natter:
GUSTAV KLIMT: INTERIORS
Englische Ausgabe
208 Seiten, Hochglanz, Prestel Verlag, 2023 

Es kostete die Ehemänner im allgemeinen das Äquivalent für ein Haus, wenn sie die Gattin von Gustav Klimt porträtieren ließen. Bloß waren diese Herren so reich, dass ihnen das kein Kopfzerbrechen bereitete. Viel wichtiger war es, das Erworbene – es mochte auch um eine wunderbare Klimt-Landschaft oder ein Tafelbild aus seiner Hand gehen – dann in seiner Villa, in seinem Palais auch wirkungsvoll auszustellen.

Das war der Ausgangspunkt des Buches „Gustav Klimt. Interiors“ von Tobias G. Natter, dem verbrieften österreichischen Fachmann des Fin de Siècle mit Schwerpunkt Klimt und Schiele. In einem Wien um 1900. wo „Kunst“ nicht nur Gemaltes und Modelliertes umfasste, sondern „alles“ Kunst sein sollte, war neben der „Secession“ auch die „Wiener Werkstätte“ tätig, im jedes Möbelstück, jeden Teller, jedes Accessoire zum eigenen Kunstwerk zu machen. Das Ziel: das Gesamtkunstwerk, und dazu gehörte die Einrichtung eines Raums ebenso wie das kostbare Gemälde, um das sie nicht selten „komponiert“ wurde. Wobei es auch vorkam, dass Klimt, dem es selbst überaus wichtig war, dass seine Werke in einem würdigen Umfeld zur richtigen Geltung kommen sollten, schon wusste, welche Stelle in einem Raum für sein Werk vorgesehen war und entsprechend das Format wählte.

Im Wien des 19. Jahrhunderts hatte schon der Adel das Bedürfnis gezeigt, nicht nur die Gemälde der Vorfahren zu zeigen, sondern die Mitwelt wissen zu lassen, in welchem Luxus, welchem Prunk man lebte. Großartige Maler von der Familie Alt abwärts haben diese „Innenräume“ gemalt und gezeigt. Im Wien um 1900 gab es bereits – als gar nicht mehr so neues Phänomen – die Fotografie und ihre weit größeren Möglichkeiten der Verbreitung. Nun musste man sich nicht auf ein Aquarell beschränken, das einen Raum zeigte, nun konnte man ihn von vielen Seiten fotografieren. Und zahlreiche Zeitschriften waren aus dem  Boden geschossen, die sich vor allem auf dieses „interior design“ spezialisierten. Was wir heute in Illustrierten als Home-Stories von Prominenten kennen, war damals der Einblick in die Luxuswohnungen des neuen Geldadels. Mit ihren „Klimts“ im Zentrum…

So breit die Literatur über diesen Künstler ist, darüber, wie er zu seinen Lebzeiten im privaten Kreis „ausgestellt“ wurde, gab es bisher noch keine Publikation. Dabei hat Tobias G. Natter, finanziell unterstützt von Roland Lauders „Neuer Galerie“ in New York (dort, wo heute die „Goldene Adele“ Klimts hängt, die vom Belvedere restituiert wurde) neben der Recherche etwas ganz Besonderes geleistet. Nicht nur, dass er die Innenräume-Fotografien von anno dazumal mit ihren Klimts aufspürte – es war noch eine Welt der Schwarzweiß-Fotografie. Mit unendlicher Mühe wurden also die Werke innerhalb der Fotos farbig eingefügt, wodurch sie für den heutigen Betrachter einen besonderen Blickfang von außerordentlichem Reiz darstellen.

So wandert man hier mit dem Autor – um nur ein paar Beispiele zu nennen – durch die Villa von Sonja Knips in  Döbling, gestaltet von Josef Hoffmann, wo das zauberhafte Gemälde der Hausherrin in Zartrosa im zentralen Raum hing. Auch eine Klimt-Landschaft fand sich inmitten der geschmackvollen Hoffmann-Ausstattung, schließlich war Sonja Knips dem Maler  ganz besonders verbunden…

Man blickt in die Villa Henneberg mit dem Gemälde von Maria Henneberg in weißblauen Spitzen hoch über einem Kamin in ihrer von Hoffmann ausgestatteten Villa auf der Hohen Warte. Man ist in die (gleichfalls von Hoffmann eingerichtete) Wohnung der Familie Gallia in der Wohllebengasse eingeladen, wo auch Klimt oft zu Gast war, der das Gemälde der Hausfrau malte. Fritza Riedler begegnet man im Ausstellungsraum der Wiener Werkstätte 1907, der „Goldenen Adele“ im Klimt-Raum der Kunstschau 1908. Die „Danae“, die heute der Familie Dichand gehört, hing in der Villa Ast. 

Nur in einem Fall ist auch ein stolzer Besitzer zu sehen – der Schriftsteller Hermann Bahr, der die „Nuda Veritas“ erworben hatte (sie ist heute im Besitz des Österreichischen Theatermuseums in Wien und dort ausgestellt), ließ sich in seinem Arbeitszimmer mit seinem kostbaren Besitz fotografieren. Einen tragischen letzten Blick darf man in das Atelier werfen, wie es der Künstler bei seinem Tod hinterlassen hatte und wo noch die „Dame mit dem Fächer“ auf der Staffelei stand.

Das Buch ist im deutschen Prestel Verlag, allerdings vorerst nur in englischer Sprache erschienen. Bedenkt man das ungebrochene Interesse, das alles über Klimt Publizierte findet, zumal wenn das Gebotene so neu ist, sollte eine deutschsprachige Ausgabe nicht auf sich warten lassen.

Renate Wagner

 

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