
Die Entführungsszene, links James Roser als Rigoletto
Tiroler Festspiele Erl Sommer 2013
“RIGOLETTO”
Premiere 5. Juli 2013
Keine Frage, hier existiert nahezu ein Idealzustand eines fruchtbaren Ambientes für Festspiele. Ist man als Erstbesucher allein schon angetan von der makellos in die grüne Landschaft eingebetteten und gelungenen Architektur, besticht der Neubau (der heuer wegen der Passionsspiele auch im Sommer genutzt wird) durch seine sensationelle Konzertakustik, die einem das Feeling vermittelt, in einer riesigen Stradivari zu sitzen. Gustav Kuhn, der Festspielleiter, Maestro und Regisseur in Personalunion, unterstützt von einem Mäzen als Präsidenten, der seine Liebe zur Musik mit seiner Stiftung entsprechend monitär zum Ausdruck bringt, kann hier seinen Traum ungehemmt ausleben.
Dass dem Saal mit den so großzügigen Hör- und Sichtverhältnissen nur eine relativ kleine, schuhschachtelartige Bühne “angehängt” ist, läßt regieliche Phantasien nicht sonderlich zu, Auf- und Abtritte erfolgen wegen der geringen Tiefe seitlich, auch sind die Sänger gegenüber dem Orchester sehr oft im Nachteil, Kuhn läßt die Dramatik für Verdi nämlich in eindeitiger Weise aus dem Graben entstehen, wuchtige Orchestertutti genauso wie öfters auch gedehnte Phrasen in der Sängerbegleitung haben Vorrang durch präzise Klangvorstellungen ihres Chefs. Das Klangerlebnis ist zu vorderst dem Orchester vorbehalten, es hätte Sänger anderen Kalibers bedurft, um die Akzente für Verdi auf die Bühne zu verlegen.
- Sophie Gordeladze als Gilda
Doch darf man nicht alle Kinder mit dem Bad ausschütten, zwei Sänger hielten das Zepter für den Gesang hoch. Eine Gilda der Sonderklasse, Sophie Gordeladze mit glasklarer Tongebung, präzisen Koloraturen und dramatischem Aplomb, dazu noch mit ausgezeichneter Bühnenerscheinung. Ihre Neigung zu vibratoreichem Gesang war, bei aller Virilität des damit erzielten Ausdrucks, nicht zu überhören. Und ein Sparafucile, dessen Entwicklung an der Wiener Volksoper zu verfolgen war, Yasushi Hirano brachte seinen gut ausgebildeten und wohlklingenden Bass bestens zur Geltung. Für einen Mörder und Profikiller scheint er aber zu jung und unbedarft.
James Roser, der Australier in Tirol als Rigoletto, mußte ständig mit enervierenden Zepperlschritten auftreten, als “Fersengeher” sozusagen im Gegensatz zur Musik. Bemüht um Ausdruck fehlt im jedoch jegliche stimmliche Dramatik, weit entfernt von der, von Verdi für diese Partie geforderten Kantilene. Erst im Finale stellten sich mitreißendere Gesangsphrasen ein, die großen Ausbrüche etwa bei “Cortigiani” und “Un vindice avrei”, dem Racheduett, wurden allesamt verschenkt. Der zweite Problemfall war der Herzog des George Vincent Humphrey, einem Amerikaner, ausgebildet im Wesentlichen in Northern Carolina. Zunächst ein Opfer des Regieeinfalls, als Herzog eine schreckliche Parodie auf einen Herzog auf die Bühne stellen zu müssen, dessen Höhepunkt das Zücken eines Taschentuchs a la Pavarotti bei seinem “La donna é mobile” war, das im Übrigen mit keinem Applaus bedankt wurde. Dass er unter der weißen Perücke mit dem schwarzen Bart (!) sowieso aussah wie Helmuth Qualtinger in einer Opernparodie, dass sein Gesang jeglichen Schmelz oder seine Stimme gar eines ordentlichen Sitzes entbehrte, sein Spiel jegliche Glaubwürdigkeit als Herzensbrecher in Frage stellte, dass sollte einem solchen Festival nicht passieren.
Die Regie Kuhns beschränkte sich auf ein Arragement der Abläufe, der Auftritt des Chors vollzog sich immer in ritualisierten Formationen. Die nahezu leere Bühne belebte ein Ledersofa bei Herzogs, im Garten Rigolettos standen zwei abgedörrte Topfpflanzen und Obstkisten als Sitzbehelfe, bei Sparafucile ein immerhin mit Tischtuch versehener Esstisch. Eine schräge rote Spielfläche nahm das alles auf, Jan Hax Halama war für die minimalistische Ausstattung verantwortlich. Das Licht war nicht immer mit der Musik einig, Verdi hat immerhin die Blitze auskomponiert, die Rigoletto die Leiche erkennen lassen, Kuhn hat das negiert. Oberflächlich besehen waren die Kostüme von Lenka Radetzky mit schwarzen Anzügen und riesigen Halskrausen und Zylindern in ihrer Gesamtwirkung vielleicht attraktiv, näher besehen aber lächerlich. Die Damen trugen schwarzes Bodenlanges.
Von den Nebenrollen fielen noch Michela Bregantin als Maddalena und Johannes Schmidt als Monterone positiv auf, letzterer durfte im Rollstuhl zu seiner Hinrichtung fahren. Übles dürfte ihm da bei der herzöglichen Vernehmung zugestossen sein.
Fazit: Einem stimmlich nur durchwachsenen Solistenensemble und einer kaum auffälligen Regie steht eine dem Komponisten klanglich adäquate Wiedergabe durch das Erler Festspielorchester unter Gustav Kuhn gegenüber.
Viel Applaus gab es von einem sommerlich gelaunten Publikum.
Peter Skorepa
(Fotos: Festspiele Erl, Robert Parigger)