Tim Theo Tinn‘s Einlassungen: „Plädoyer zur Kraft surrealer Inszenierungen“ Teil 4
Reflektiert Theater Gesellschaft? Fehlt surreale Werkimmanenz in Konzeptionen?
Der Mensch – auf der Suche nach dem besseren Ich – vom erdgebundenen Ego zum übergeordneten Sein – Selbstzerstörung oder Bewusstseinssprung?
„Phantasmen möglicher Zukunft oder tagesaktueller Morast“?
J.M.W. Turner: „Licht und Farbe – Der Morgen nach der Sintflut“
TTT‘s Musiktheaterverständnis ist subjektiv davon geprägt keine Reduktion auf heutige Konsens- Realitäten, Yellow-Press (Revolverpresse), Trash – Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände in Ort, Zeit und Handlung zuzulassen.
Bebilderung und Reproduktion heutigen Alltags gem. Konsenswelt erscheint blödsinnig. So kann Theater keine Initialzündung geben, da die alltägliche Konsenswelt hinreichend bekannt ist und Inszenierungen sich so im alltäglichen Morast bewegen. Warum soll man sich im Theater mit einer unfertigen Welt im Alltagstrott beschäftigen, wenn doch die Möglichkeit zum Phantasma besteht. Theater nach TTT bedeutet Affekte und Assoziationen (nach Eisenstein). Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind und ästhetisch künstlerische Überhöhungen.
Diesen Text schrieb TTT vor einigen Jahren, in dem Bewusstsein, dass die Menschheit ständigem Wandel unterliegt, ohne zu ahnen, dass dieser aufgrund aktueller Pandemie rasch unabwendbar werden wird. Damit müssen auch massive Veränderung der Bühnenwirklichkeiten einhergehen. Leider war TTT damals noch einem etwas abstrakten Stil verhaftet, so dass Kenntnisnahme nur in konzentrierten 10 Minuten sinnvoll ist.
Betrachten wir aktuelle Neuinszenierungen: Lohengrin in Berlin, Das verratene Meer in Wien, Falstaff in München, Simon Boccanegra in Zürich staunt TTT. Allesamt sind in keinen zukünftigen Phantasmen, an möglicher Welt nach pandemischer Katastrophe interessiert.
Alles bewegen sich uniform in gleichen Kostüm- Bühnenwelten heutigen Alltags, Bühnenbilder in Zürich und München sind fast gleich. Keine wagt auch nur einen Blick nach vorn, wollen also nicht über unsere derzeitige schwierige Konsenswelt in surreale Werkimmanenz gehen, ignorieren sogar die Gegenwart und bewegen sich in unverbindlicher Bezugslosigkeit oder Blödsinn (Berlin).
Viermal „bunte Vielfalt“ aktuell weltgrößter Musiktheater:
Lohengrin, Berlin, Foto Youtube
Das verratene Meer, Wien, Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Falstaff, München Foto: Wilfried Hösl/ Bayerische Staatsoper
Simon Boccanegra, Zürich, Bildquelle: Monika Rittershaus
Das ist Musiktheater im Plusquamperfekt, eine Vorvergangenheit, eine Zeit, die selbst nahe Vergangenheit und Gegenwart nicht berücksichtigen will. Das allein ist schon Trash, verdient eigentlich keiner rezensierenden Beachtung. Interessant ist der Wiener Weg, in Abweichung der Chefdramaturgen-Ausrichtung (der selbst inszeniert hat), nun in uralten Traditionen der Einheit von Ort, Zeit und Handlung nach Aristoteles. https://de.wikipedia.org/wiki/Drei_Aristotelische_Einheiten
Diesen Rückschritt hat es lange nicht gegeben. Das Werkt wird unbefragt in den simplen Gegebenheiten seines Ursprungs belassen, vom Blatt inszeniert. Nichtinterpretation wird programmatisch. Selbst TTT hat sich gegen grundsätzliche Zeit- und Ortstreue, nur für Handlungstreue ausgesprochen. So wird behauptete Systemrelevanz endgültig gegenstandslos.
Das ist alles keine Kritik, sondern Rezeption gegenwärtiger Inszenierungs-Intentionen, mglw. ist das so ja auch richtig. Dann bleibt TTT beim Dali-Zitat: „Anders als beim Fußballspiel erzielt man in der Kunst beim Abseitsspiel die meisten Treffer!“ Wer riskiert? TTT macht mit bzw. weist den Weg!
Folgendes mit Bezug zu Verdi/Boitos „Conditio Humana“ und „Theatrum Mundi“ (s. Teil 2), letzte Fassung aus 2018:
„Wenn die Geschichte der Menschheit der klinische Zustandsbericht eines einzelnen Menschen wäre, müsste die Diagnose lauten: chronische paranoide Wahnvorstellungen, pathologischer Hang zu Mord und anderen extremen Gewalt – und Gräueltaten – verbrecherischer Wahnsinn!“(F. Tolle, 2005)
Ein Menschenleben: Geburt, Wachstum, Erfolg, Gesundheit, Vergnügen und Gewinn – Verlust, Misserfolg, Alter, Verfall, Schmerz, Tod. Was ist gut, was ist schlecht? Gibt es Ordnung/Unordnung? Bestimmt Realität das Ego? Führt Fiktion zum Sein (Geist wird Materie)? Bringt der Traum dem Träumer Bewusstheit? Gibt es Moral? Identifizieren sich Menschen nur mit ihrer physischen und psychischen Gestalt, entgeht ihnen das tiefinnere Wesen?
Shakespeare: „An sich ist nichts weder gut noch böse, das Denken macht es erst dazu!“ (Hamlet)
Dies ist eine Kernaussage zur gegenwärtigen Menschensituation. Das Denken geht immer über ein Jetzt, ein Hier, ein Sein hinaus, setzt auf Erinnerungen und Erwartungen, ist von subjektiven Empfindungen getrieben. Gedanken sind konditionierte Denkmuster versus unkonditionierter Bewusstheit. Verstand ist nicht auf die große Wahrheit ausgerichtet, sondern nur auf kleine Dinge des Lebens.
Worte resultieren aus Gedanken, sind nicht in der Lage Umstände und Wesenheiten über die bloße Etikettierung in breiter Tiefe auszuloten, geprägt aus Erwartung und Erinnerung (Zukunft und Vergangenheit). Das Phänomen der menschlichen Wahrnehmung erfolgt max. mit 10 % Ratio, der Rest ist Emotio, geprägt in beschränkter Entwicklung des einen Lebens. Diese Erfahrung wird in Managementschulungen vermittelt, erlebbar täglich in der Werbung und nicht zuletzt auch in der Politologie- bzw. Wahlforschung, ist Gegenstand jeder Verkaufsschulung – der Mensch ist nicht durch Verstand sondern durch Gefühle manifestiert
Nur wenige Menschen sind heute schon von einer einfachen Freude am Sein erfüllt, können diese auch kaum leben. Gehindert von Urtriebkräften unbewusster Identität: Begehren, Furcht, Angst, Stress, Negativität prägen die Zuflucht zu Lust und Leid. Unsere Wahrnehmungen sind auf das kleine Spektrum unserer Sinne ausgerichtet: was wir hören, sehen, riechen, schmecken, berühren. Der 6. Sinn bleibt noch diffus. (s. Teil 1)
Der einzige Übeltäter ist die menschliche Unbewusstheit, die nicht an die Kraft der Gegenwärtigkeit reicht. Noch sitzt die Menschheit in der eigenen Hölle – aber im evolutionären Impetus des Universums. Im Weltenplan ist vorgesehen, dass die Menschen sich zu bewussten Wesen entwickeln.
Unglücklichsein ist der Oberbegriff einer unbewussten Welt in Feindseligkeit und Verbitterung, in Gegnerschaft und Konflikten. Heute ist Gewalt überall. Die bisherige Menschheitsgeschichte ich eine Fallstudie des Irrsinns! Wird sie zur Geschichte des bloßen Seins in Liebe und Freude, Frieden, Glück, in Bewusstheit? Endet die Entfremdung der Menschen?
Wie werden sich die Menschen in ihrer fortschreitenden Evolution entwickeln? Schon immer kam es in der Menschheitsgeschichte zu utopischen Visionen, die aber noch mit Enttäuschungen und Katastrophen endeten. Ideale fanden ihre realen weltlichen Umsetzungen in totalitären Systemen (z. B. Kommunismus), in Unfreiheit, in Völker–und/oder Massenmorden, z. B. Kath. Kirche–Inquisition, Hexenverfolgung, (bis 5 Mio. Morde), Kinderschändung!
Die Menschheit hat mehr unter ihresgleichen gelitten als unter Naturkatastrophen. Im letzten Jahrhundert starben mehr als 100 Mio. Menschen durch Kriege, Massenvernichtung, Völkermord und es geht weiter. Das latente Unglücklichsein der Menschen begründet sich immer noch in der Rechtfertigung negativer Gemütsregungen wie Wut, Angst, Unruhe, Hass, Groll, Unzufriedenheit, Neid Eifersucht, Traurigkeit, Abscheu, Machttrieben.
Weiter Belege für die menschliche Funktionsstörung ist die beispiellose Gewalt von Menschen zu anderen Lebensformen und der Erde selbst: Zerstörung von sauerstoffproduzierenden Wäldern, von Fauna und Flora, Tierquälerei in der industriellen Landwirtschaft, Vergiftung von Flüssen und Meeren, Verschmutzung der Luft = die globale Selbstzerstörung der Menschen und der Welt.
Wir leben insbesondere seit dem letzten Jahrhundert im steigenden Wahnsinn, apodiktisch von großer Intelligenz getragen (Kernspaltung = Atombombe, blinde Ertragsmaximierung = Umweltzerstörung, Menschenverachtung, Kriege, Rassenwahn, usw.) Noch begründet unsere Konsumgesellschaft Fortschritt als unkontrolliertes Streben nach Wachstum, nach materiellem Mehr. Perfide wird dies in Formulierungen wie „negatives Wachstum“. Bei Krebszellen entlarvt sich diese Störung der unmaximierten Vermehrung als todbringende Selbstzerstörung.
Seit 1973 haben die Menschen die Hälfte der Tier- und Pflanzenwelt ausgerottet. Menschen haben in den letzten Jahrzehnten der Erde größere Wunden zugefügt als in der gesamten Zeit von Beginn der Menschheit bis zum zweiten Weltkrieg. Die Verdrängung des ökologischen Desasters in Massenmedien und Politik gibt zukünftigen Generationen kaum lösbare Probleme.
Jesus: „Denn siehe, das Reich Gottes ist Mitten unter uns!“ – zeigt auf, dass Hoffnung auf Besserung/Glück besteht! (TTT ist kein puristischer Konfessionsanhänger, hält Jesus aber für einen archaischen Weisen.)
Musiktheater ist Parallelwelt in der die ewigen Theaterthemen „Sein / Schein – Wahrhaftigkeit / Wirklichkeit“ ihre Urstände finden. Dunkle Mächte der Libretti werden von der Musik aus der zeitgebundenen Realität in überhöhtes zeitloses Sein, in Bewusstheit geführt, losgelöst vom Hier, vom Morgen und Gestern. Das kann nur über unserer immer unverständlicher werdenden Realität als Gleichnis im Theater mit dem nötigen Schuss Unterhaltung (Zadek) unter die Leute gebracht werden. Das kann also nur surreales Theater – über der Realität stehend, bleibt es in der Gegenwart, bleibt es auch bei den Dingen, die eigentlich keiner will.
Inszenierungen können mögliche Zeitenwenden antippen – vom erdgebundenen Menschen zum übergeordneten Sein. Ein Menschenbild kann im Theater das Leben mit äußeren und inneren Zielen reflektieren. Das äußere Handeln wird von veränderbaren weltlichen Motiven bestimmt, geboren von begrenztem Denken und emotionalen Prägungen eines Menschenlebens. Das innere Ziel/Handeln führt zum Sein, zur Bewusstheit, verbunden mit einer universellen Intelligenz: Der Mensch kann damit den Irrsinn unserer Zivilisation verlassen, ursprünglichen Zielen folgen. Damit wird eine Basis zu neuer Wirklichkeit, einer neuen Welt angelegt.
Während aktuell Inszenierungen häufig dramaturgisch ins heute gerückt werden, quasi als Spiegel und Reflexion der Inhalte zu gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen, die Darsteller oft als normale Menschen in den Mittelpunkt dramatischer Konflikte gestellt werden (die damit mglw. nur an gegenwärtigen grundsätzlich maroden Zuständen gemessen werden), könnte man die Handlungsmuster auch aufbrechen, das anzustrebende Sein in Bewusstheit, die Möglichkeit des Bewusstseinssprungs deutlich vom Menschen als Untier (Assoziationsmontage nach Eisenstein) in überzeitlicher Optik abgrenzen und somit müssen wir uns in Welten begeben, die über der Realität stehen, also surreal sind. Mit jeder Inszenierung im hier und jetzt, in unserem Alltag beschwört man Dinge, die man doch gar nicht will.
Viele Handlungsstrukturen dramatischer Werke lassen sich in dieser Zuspitzung im dramatischen Höhepunkt deutlich kontrastieren: Darsteller sollten keine „normale Menschen“ sein, eher verfremdete Prototypen (s. Felsenstein), die ästhetisch stilisiert werden.
- h. auch in der praktischen Umsetzung können alle visuellen Möglichkeiten mit Maske, Kostüm, Licht in flustrativen Farbdramaturgien ausgenutzt werden (z. B. Neugebauer, Ponnelle – Theater der Affekte und Assoziationen = Eisenstein)!
Was sind Arien?
- Ausdruck eines höheren Ichs, in moralisch bewerteten Umständen?
- Deklamation von Gedanken in aller Subjektivität innerer Seelenzustände?
- Ausdruck des universellen Seins, des inneren höheren Selbst?
- Zusammenfassung von Gedanken, Zwiegespräch mit Wirklichkeit oder innerem Selbst?
- Pure Selbstgespräche?
Ist mehrstimmiger Gesang, Duette, Terzette usw, immer gemessen an der Wirklichkeit, Ausdruck subjektiver Realität? Natürlich nicht, Musiktheater bewegt sich akustisch immer außerhalb unserer Alltäglichkeit, steht drüber – ist surreal.
Große Komponisten offenbaren eine Welt, eine Parallelwelt im außerrationalen Sein, spiegeln uns in irrationalen Tiefen, geben einer begrenzten Wirklichkeit tiefe Wahrhaftigkeit, führen vom einfältigen Schein zum universellen Sein. Begnadete Komponisten sind in der Musik im erhabenen Selbst, im übergeordneten Sein. Daher spricht eine richtige Musiktheaterinszenierung überwiegend Emotio an, kann somit Inhalte über reiner Rationalität vermitteln. Wenn eine Inszenierung allerdings dazu zwingt, ständig Falsches, Blödeleien zu überdenken, weil nichts außer der Musik stimmt, zerstört das jedes sinnliche Erleben und akzeptierende Aufnahme.
Dadurch wird dies nicht als Wegweiser, sondern lediglich als Ausflug, als Stippvisite in ein mglw. schönes, gutes Gefühl benutzt, um danach unberührt zurückzufallen in ihr falsch reflektiertes, subjektives Ich.
Kann sich der Mensch aus der Gefangenschaft seiner unfertigen Persönlichkeit/Bewusstheit befreien, sich der völligen Erdgebundenheit entziehen?
Dieser mögliche Bewusstseinssprung ist das zentrale Thema aller großen Weisheitslehren seit über 2500 Jahren. Die Suche nach Glück, Moral, dem Guten ist ebenso Thema der Philosophie und später auch der Soziologie, Hirnforschung etc.
Der Mensch in seiner Normalität erzeugt Leiden, Unzufriedenheit, Qual! (Buddha)
Die „normale“ Geistesverfassung der meisten Menschen hat starken Anteil von Gestörtheit, Wahnsinn, Leben in Täuschung! (Hinduismus)
Die kollektive Verfassung der Menschheit ist der Zustand der Erbsünde = Verfehlen des Zieles des Menschseins! (christliche Lehre)
Philosophen bemühten sich mit dem beschränkten Instrument „Denken und Sprache“, die wirklich große universelle Wahrhaftigkeit des Seins rational zu ergründen und deskriptiv zu machen, versuchten zu ergründen, warum und ob der Mensch gut oder schlecht angelegt ist! Mit dem Dilemma des Denkens als winzigem Bruchteil des Bewusstseins. Philosophische Thesen (rudimentär):
Epikur (341-270 v. Chr.): widersprüchliche Natur der Menschen: Glück kann und muss aktiv hergestellt werden, entsteht nicht von allein
Nietsche (1844-1900): Mensch = Tier, bestimmt durch Triebe und Instinkte, primitivem Willen, eingeschränktem Erkenntnisvermögen. „Wir haben nie nach uns gesucht, wie sollte es geschehen, dass wir uns eines Tages fänden?“
Kant (1724-1804): „Dabei bestimmt unsere Aufmerksamkeit über unser Fühlen und Denken, sowie umgekehrt unser Fühlen und Denken unsere Aufmerksamkeit bestimmt“. Räumte ein: „Das Ich ist Gegenstand des inneren Seins, im Gegensatz zum äußeren Sein, dem Körper. Das einzig gute am Menschen ist sein guter Wille“. Wollen die Menschen gut miteinander auskommen, müssen sie diesen Willen befolgen – daraus = kategorischer Imperativ! Wenn der Mensch in der Lage ist, gut sein zu wollen, so soll er auch gut sein sollen
Schopenhauer (1788-1860): „Wir sind eben bloß zeitliche, endliche vergängliche, traumartige, wie Schatten vorüberfliegende Wesen. Der Mensch wird nicht durch Vernunft geführt und geleitet“. Moralisch ist: Welt in 2 Teile zu bringen: was er ächtet und was er achtet. Mensch ist ein moralbegabtes Tier, Moral ist angeboren, ethisches Verhalten ist ein komplexer Altruismus aus Gefühlen und Abwägungen. Es gibt kein moralisches Gesetz (gegen Kant), das zum Gutsein verpflichtet.
Descartes (1596-1650): Cogito Ergo sum. Ich denke, also bin ich (widerlegt u. a.von Sartre)
Rouseau (1712-1778): der Mensch ist von Natur aus Gut, wird aber durch unsere Einrichtungen böse. Angeborene Liebe zum Guten – Unsinn?
Huxley (1894-1963): Wille zum Guten oder zur Vernunft ist keine Eigenschaft der Natur. Der Mensch ist von Natur aus schlecht. Woher kommt dann das Gute?
Bentham (1748-1832): Glück ist gut, Leiden ist schlecht! Moral ist die Frage kultureller Sensibilisierung, weniger Abhängigkeit von abstrakten Definitionen des Menschseins als vom Erfindungszustand einer Gesellschaft.
Nach Hobbes (1588- 1679), verhält sich der Mensch gegenüber seinen Mitmenschen unmenschlich! („homo homini lupus“, Zitat des römischen Komödiendichters Plautus (254-184 v. Chr.)
Weiteres: Fähigkeit zum Guten ist ein urweltlicher Instinkt. Der Mensch ist weder gut noch schlecht – zu beidem fähig. Er ist eigentlich brav, friedlich und gut, trotzdem gibt es Lug, Trug, Mord und Totschlag. Woher kommt das Böse und moralisches Verhalten? Im Menschen ist Moral als überzeitliches Sein und Handeln angelegt, das Wissen um Besserung, Gewissen, Gutes und Glück.
Goethes Faust – Zitat: „Zwei Seelen wohnen Ach in meiner Brust!“ geht auf den Menschen in seiner Zerrissenheit zwischen hellen und dunklen Mächten ein
Der traditionelle Glaube resultiert i.d.R. aus dem Verstand, einem Denken, dass der Mensch in seiner Sozialisation nach seiner Geburt in aller Beschränktheit entwickelt hat, abhängig von Emotionen und Eindrücken, die nicht zum unverrückbaren überzeitlichen Sein gehören, sondern der gleichmachenden Gegenwart in aller Unfertigkeit entstammen. „Anpassung heißt Gratifikationsoptimierung!“ Ein Theorem der Soziologie ist ein Ärgernis bzgl. des sanktionierten Opportunismus!
Hiermit schöpfen Menschen die Legitimation für alle Untaten trotz besserer Ahnung. Eine variable Pseudomoral ersetzt überzeitliche universelle Werte. Die Antipoden sind Gut und Böse.
Heutige evolutionsbiologische Erklärungen des Lebenssinns: Anpassung und Mutation! Aber der Mensch ist nicht einfach Natur, sonst wäre er nicht in der Lage mit Hilfe der Technik die eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören- ein klarer Widerspruch von Anpassung als allgemeinem Lebensprinzip
Diese Kernthemen versuchen Wissenschaften also seit Jahrtausenden erklärbar zu machen – heute sogar so konkret, dass man in der Hirnforschung im Hirn den Ort der Moral mit Kernspinnt oder in aufgeschnittenen Hirnscheiben sucht. Aber auch Hirnforscher haben bis heute kein Zentrum für Moral im Gehirn gefunden. Was steuert unsere Fähigkeit von der Moral Gebrauch zu machen? Aktuelle Forschungsergebnisse der Hirnforschung: Mensch ist unfrei, Produkt seiner Anlagen, Erfahrungen, Erziehung!
Nicht taghelles Bewusstsein sagt uns, was zu tun ist, sondern nachtdunkles Unterbewusstsein.
Das „Ich“ mit den zugehörigen Pronomen, dieses trügerische Identitätsgefühl wurde von Einstein als „optische Täuschung des Bewusstseins“ bezeichnet. Diese illusorische Ich ist die Basis aller täuschenden Wirklichkeit.
Denken und Fühlen in der Entwicklung eines Menschenlebens bestimmen in Subjektivität und Relativität das individuelle Ego. Bewusstheit entspringt dem außerzeitlichen Sein im Hier und Jetzt, ist vorhanden, aber noch meistens unterdrückt oder unbewusst. Der Mensch und sein Ich/sein Ego sind nicht kongruent – wie konnte die Menschheit drauf so lange hereinfallen?
Ist gegenwärtig der Höhepunkt der menschlichen Evolution erreicht? Wissen um zentrale Moral hat stark zugenommen.
Glück für die Menschen ist mehr als schlichte Emotion, als abstrakte Vorstellung von Harmonie, Einklang, Intensität, Einheit, Freiheit und Sein!
Betrachten wir erdgeschichtliche Sprünge in neuen Seins-Ebenen. In einfachen Steinen ist und war die Entwicklung zum Diamanten / zu Edelsteinen angelegt, einfache Grünpflanzen entwickelten Blüten, aus kriechenden Viechern / Echsen wurden Vögel. Alles hat Wirkungen auf Menschen, die rationale Bereiche verlassen.
Diese Sprünge in eine völlig andere Seins-Ebene werden mit diversen Erklärungen durch Menschen ausgestattet –aber dies war keine planvoll strukturierte Entwicklung!
Nutzt der Mensch seine Chance eine erlösende Seins-Ebene zu erreichen bzw. kann er überhaupt diesen Sprung bewirken, oder wird es irreversibel evolutionsweise geschehen, aus einer Fügung im Weltenplan?
Das Untergehen der Sowjetunion ist ein Beispiel für eine mögliche Seins-Wende, ebenso wie die Auflösung des gegenwärtigen weltbeherrschenden Banksystems.
Internationalen Wirtschaft bietet heute noch ein Umfeld, wo das Zitat von Hobbes/ Plautus noch archaische Urstände feiert, somit könnte Theater ganz besonders intensiv zu vorgenannten Themen reflektieren.
Deshalb ist es nötig, dass Theater sich wieder ihren Themen widmen, sinnlos verbockte Blödheiten sind gemeine Verletzungen des Menschrechts. Intendanten, die das zulassen sind dem notwendigen Zeitgeist im Jahre 2020 nicht gewachsen!
Tim Theo Tinn –17.12. 2020
TTT‘s Musiktheaterverständnis ist subjektiv davon geprägt keine Reduktion auf heutige Konsens- Realitäten, Yellow-Press (Revolverpresse), Trash – Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände in Ort, Zeit und Handlung zuzulassen. Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind.
Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinsstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). TTT kann man engagieren.