Thomas Hofmann
ABENTEUER WISSENSCHAFT
Forschungsreisende zwischen Alpen, Orient
288 Seiten, Verlag Böhlau, 2020
Thomas Hofmann, der sich für sein Studium das seltene Fach der Erdwissenschaften erwählt hat, leitet heute Bibliothek, Verlag und Archiv der Geologischen Bundesanstalt in Wien. Als solcher ist er der Hüter von Schätzen, die er nun unter dem Aspekt der wissenschaftlichen Forschungsreisen zugänglich macht.
Es geht da nicht um einzelne Forscherpersönlichkeiten und –leistungen, wie es sonst üblich ist, sondern fragt quasi querschnitthaft, welchen Problemen und Abenteuer die Reisenden in unbekannte Welten gegenüber standen.
Es ist ein sehr persönliches Buch, der Autor bringt sich selbst stets ein, gleich zu Beginn zuerst ein klassischer Fall, wie Wissenschaftler ihn erträumen. Dass nämlich jemand auf sie zukommt und ihnen Unterlagen eines Verstorbenen anbietet – und dass diese es wert sind, sich damit zu beschäftigen. Auch wenn einem auf Anhieb der Name „Pillewitzer“ nichts sagt. Doch dann stellt sich heraus, dass der gebürtige Oberösterreicher Wolfgang Pillewizer (1911-1999) etwa 1954 er die wissenschaftliche Gruppe der deutsch-österreichischen Himalaja-Karakorum-Expedition geleitet hat. Das Material aus seinem Nachlaß erweist sich als wahre Kostbarkeit.
Vieles findet Thomas Hoffmann in dem von ihm gehüteten Beständen der Geologischen Bundesanstalt. Da tauchen sie auf, jene gewissenhaften Wissenschaftler, die im Gegensatz zu jenen Kollegen, die Pharaonen ausgegraben haben, für die Nachwelt relativ unbekannt bleiben, obgleich sie in ihrem Fach Bedeutendes geleistet haben. Wichtigste Dokumente waren dabei Tagebücher, quasi die Quelle Nr. 1, denen der Autor ein ganzes Kapitel widmet – hier sind Details zu finden, die unersetzlich sind.
Weiters gibt es alte Fotos, Zeitungsausschnitte, Reiseberichte in Büchern, Landkarten, Konstruktionszeichnungen, aber auch Rechnungen und Werbeanzeigen können viel verraten. Das alles bietet nicht nur Forschungsmaterial, sondern auch ergiebige Bebilderung des abwechslungsreich gestalteten Bandes.
Es geht, wie gesagt, nicht um einzelne Forscher, sondern eher um Querschnitt-Themen, die sich ergeben, wenn Wissenschaftler zu Reisen aufbrechen: Menschliche und tierische Begegnungen, Katastrophen unterwegs, Überlegungen, mit welchen Tieren man in unwegsamen Gebieten am besten weiter kommt (Pferd, Yak, Kamel, wobei es in Tagebüchern drollige Darstellungen über die Schwierigkeiten mit den Viechern gibt). Verpflegung, Fortbewegung (ob im Schiff oder einen Ballon), Umwelt (ob Eis, Wüste, Ozean oder Hochgebirge).
Was kann nicht alles passieren: Wenn man in Erdbeben gerät oder in enorme Hitze oder an absolut unberechenbare Bergvölker Zentralasiens. Oder in die ultimative Kälte wie die Nordpol-Forscher, und auch vom bekannten Grafen Hans Wilczek lässt sich Entbehrungsreiches erzählen. Wie man sieht – neben den vergessenen Namen stehen auch berühmte.
Der Autor hat viele Fragen an die Vergangenheit, wo vor allem zu Kaisers Zeiten ununterbrochen Wissenschaftler ausgeschickt wurden, auch auf Kriegsschiffen, um nebenbei mit ihren Erkenntnissen etwas Nachhaltigkeit einzubringen. Womit haben sich die Menschen beschäftigt, wenn sie monatelang untätig unterwegs waren? Auch darauf gibt es Antworten.
Und schließlich die berechtigte Frage: Wie steht es um die Wahrnehmung dieser Leistungen durch die Nachwelt? Schlecht, muss man ehrlich sagen. Große Denkmäler für Wissenschaftler wird man in den seltensten Fällen finden. Gelegentlich ein paar Straßennamen. Ein Ehrengrab am Zentralfriedhof. Immerhin, für Emil Hollub (1874-1902, früh gestorben an aus Afrika mitgebrachtem Sumpffieber, Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof) hat seine Geburtsstadt Holice in Tschechien ein Afrika-Museum eingerichtet. Das scheint als eine respektable Würdigung.
So erfährt man vieles. Was dem Buch fehlt, ist Übersichtlichkeit, was es bietet, ist die Buntheit der Ereignisse und der Informationen.
Renate Wagner