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Thomas Fischer: GLADIUS

08.11.2020 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

Thomas Fischer
GLADIUS
Roms Legionen in Germanien
344 Seiten, Verlag C.H. Beck, 2020

Die Römer und die Germanen – eine fast ein halbes Jahrtausend lange, auch sehr kriegerische Geschichte. Ihren Höhepunkt erlebte die Auseinandersetzung zwischen dem Römischen Weltreich und germanischen Stämmen im Jahr 9 nach Chr. im Teutoburger Wald, als der Cherusker Arminius den römischen Oberbefehlshaber Varus in eine tödliche Falle lockte – und die Römer in der Folge beschlossen, Rhein und Donau als Grenze ihrer Expansionsbestrebungen in Richtung Norden zu sehen…

Darüber hinaus ist viel zu erzählen, und Thomas Fischer, emeritierter Professor für die Archäologie der römischen Provinzen am Archäologischen Institut der Universität zu Köln, tut es in einem Buch, das er bezeichnenderweise „Gladius“ nennt – denn von Schwertern ist im übertragenen, aber auch im konkreten Sinn reichlich die Rede. Und man kann sagen, dass der Autor wohl das Wissen eines ganzen Lebens hier ausbreitet.

Als Caesar Gallien eroberte und dem Römischen Reich als Provinzen einverleibte, war ihm die Existenz der ganz anders gearteten germanischen Stämme im Norden wohl bewusst, aber zu seiner Zeit hatte man noch kaum Kenntnisse über diese so verschiedenen Völker, die auch vielfach gar nicht sesshaft waren. Aber bald hatte man einen Grund, sich ausführlich mit den Germanen zu beschäftigen und in ihnen einen gefährlichen Feind zu sehen.

Das Römische Reich, das damals schon den ganzen Mittelmeerraum unter seine Herrschaft gebracht hatte, streckte seine Expansionsgelüste nicht nur nach Osten, sondern auch nach Norden. Wie man erleben sollte, schon unter der Herrschaft des Augustus, Caesars Großneffen, standen da gewaltige kriegerische Auseinandersetzungen an, die vor allem von den Stiefsöhnen des Augustus, Drusus und Tiberius, und dann von Germanicus, dem Sohn des Drusus, geführt wurden (letzterer, in der Geschichtsschreibung ein großer Heerführer und Sieger, steht nicht sehr in der Gunst des Autors).

Nachdem man die Niederlage im Teutoburger Wald weitgehend durch die Rückholung verlorener römischer Standarten „gerächt“ hatte, beschloß man, dass die germanischen Stämme sich nun gegenseitig selbst aufreiben sollten… Rhein und Donau blieben die Grenze gegen das Germanenland, von den Römern stark befestigt.

Aber so klar war die Lage nie: Immer dienten Germanen (und auch hoch geschätzt) im römischen Heer (was ihnen genauen Einblick in die römischen Kampftechniken vermittelte), immer wieder nahmen sie Stellungen in der römischen Gesellschaft ein – Arminius, der Sohn des Cheruskerfürsten, war in Rom aufgewachsen, erzogen und nach Meinung der Römer selbst zu einem solchen geworden, bis er bei seinen geteilten Loyalitäten seine Wahl traf.

Thomas Fischer zeichnet die Geschichte von Römern und Germanen bis zu Beginn der Völkerwanderung nach, wo es dann die Germanen waren, die den Spieß umdrehten. Einst wollten die Römer ihr Land, nun waren sie es, die in die Gebiete eines geteilten, geschwächten Weströmischen Reichs vordrangen und dort siedelten – die Westgoten in Spanien, die Burgunder in Frankreich, die Ostgoten in Italien, die Bajuwaren und Alemannen gründeten ihre Reiche.

Das Buch identifiziert nicht nur die einzelnen Germanenstämme in ihren Unterschieden, sondern schildert auch die einzelnen Römerprovinzen an den Grenzen (den Österreichern sind Raetien, Noricum und Pannonien besonders bekannt, die sie sich teilweise auf dem Gebiet der einstigen Monarchie ausbreiteten und heute noch reiche archäologische Funde liefern).

Man liest, wie die Germanen lebten, sich kleideten, wie sie kämpften – ganz anders als die Söldner-Berufsheere der Römer mit ihren genau strukturierten Kampfeinheiten, waren die einzelnen Germanen bewaffnet und fanden sich im Kriegsfall zu Heeren zusammen (wobei ihr größter Erfolg der Guerilla-Kampf und –Sieg gegen Varus war), Parallel erfährt man Genaues über Waffen und Kampftechniken der Römer.

Und darüber hinaus bietet das Buch noch in zahlreichen (durch kleineren Druck gekennzeichneten) Einzelkapiteln Spezialuntersuchungen, meist zu archäologischen Stätten (wo Römerobjekte in Germanengräbern der Wissenschaft oft Aufschluß zur Datierung gegeben haben), aber auch zu Sonderfragen wie etwa der Bewaffnung. Wie gesagt, das ist ein schier überwältigendes Kompendium von römisch-germanischem Detailwissen, das hier vor dem Leser ausgebreitet wird. Es erfordert Spezialinteresse. Wer dieses mitbringt, wird die allermeisten seiner Fragen beantwortet finden.

Renate Wagner

 

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