Fotos: Perchtoldsdorf
THEATERSOMMER NIEDERÖSTERREICH / Sommerspiele Perchtoldsdorf:
SCHUBERT, FÜR IMMER UND EWIG
Schauspiel mit Musik von Peter Turrini
Uraufführung
Premiere: 27. Juni 2025,
besucht wurde die dritte Vorstellung am 29. Juni 2025
Schwarze Messe zu Schubert-Pop
Vorausgeschickt: Es hat natürlich nicht Turrini gebraucht, um das klassisch-süße Schubert-Bild zu zerstören, dafür hat schon Fritz Lehner mit seinem Fernseh-Dreiteiler „Mit meinen heißen Tränen“ gesorgt, Wahrscheinlich kennen die meisten Leute von heute die „Schwammerl“- und „Dreimäderlhaus“-Klischees gar nicht mehr. Das neue Narrativ erzählt von dem seelisch bedrückten Genie, und das bedient Peter Turrini in seinem „Schauspiel mit Musik“, kreiert für die Sommerspiele Perchtoldsdorf, namens „Schubert, für immer und ewig“. Sieht man genau hin, hat sich Autor Peter Turrini dabei allerdings stark bei seinem eigenen Libretto für die Oper „Schuberts Reise nach Atzenbrugg“ bedient, das er für Johanna Doderer geschrieben hat… Resteverwertung sozusagen.
Aber Turrini ist immer noch ein großer Name der österreichischen Dramatik, entsprechend groß war das Aufsehen, das Alexander Paul Kubelka – Intendant, Regisseur, Bühnenbildner in Personalunion – mit dieser Uraufführung erzielen konnte. Fraglich ist nur, ob man tatsächlich ein „Stück“ gesehen hat oder vielleicht nur ein Minimum an Dialogen, die in dem zweistündigen Abend faktisch eine Nebenrolle spielen.
Letztlich lässt sich die Erkenntnis von Turrinis „Stück“ darauf reduzieren, dass Schubert, das allseits anerkannte Musik-Genie, sich seiner unattraktiven Erscheinung so bewusst war, dass er vor lauter Minderwertigkeitskomplexen nur Pech bei den Frauen haben konnte. Gegen Ende erinnert sich Turrini daran, dass er ja als politisch kritischer Autor gilt und lässt Schubert in eine kurze Tirade gegen Habsburg und das Metternich’sche System ausbrechen. Das ist es auch schon – eine Essenz, die für zwei Sätze ausreichen würde.
Aufgeputzt, aufgemotzt, letztlich getragen wird der Abend von der Musik – da sitzt Performerin Clara Frühstück am Klavier, und Oliver Welter. bekannt von der Band Naked Lunch, bringt E-Gitarre und Gesang ins Spiel und soll auch der „Tod“ sein. Wie die beiden Schubert rocken, popen und swingen dröhnt durch den Hof der Burg von Perchtoldsdorf und bestückt – düstere Stimmung bevorzugt – den Abend mit Film-, pardon Theater-Musik, von den Interpreten als „unsere Essenz seiner Musik“ bezeichnet.
Die Inszenierung gibt sich von Anfang bis zum Ende geradezu angeberisch bedeutungsschwer. Durch das surreale Bühnenbild, schwanken Gestalten meist in Schwarz / Weiß, erwecken den Eindruck, hier werde eine Schwarze Messe gefeiert, und das soll es möglicherweise auch sein. Von Schubert selbst erfährt man nicht viel – Stephan Bieker wirkt optisch überzeugend, ist meist mit dem Komponieren oder Selbstzweifeln bezüglich seiner Wirkung auf die Weiblichkeit befasst. Mehr ist für die komplexe Persönlichkeit hier nicht drin.
Er umschwärmt Josepha von Weisborn (Lenya Gramß) erfolglos, weil er nicht imstande ist, sich zu erklären, so sehr ihn sein Freund Kupelwieser (nachdrücklich: Andrei Viorel Tacu) ihn auch drängt. Auf der „Landpartie“, die andeutungsweise unternommen wird, sind noch mit dabei der Librettist Tassié (Felix Oitzinger), eine Dame namens Louise Lautner (Lisa Schrammel), die in doppeltem Sinn einen Vogel hat, und, mit kräftigen Wiener Tönen (während anderen Darstellern das deutsche Idiom gelegentlich aus der Kehle quillt) die Fleischerstochter Dorothea Tumpel (Fanny Holzer) Sie alle haben hauptsächlich die Funktion, irrlichternd über die Bühne zu schweben. Jegliche tiefere Interpretation des Ganzen kann nur eine besonders wohlwollende Welt von Turrini-verehrenden Kritikern dem Stück aufpfropfen.
Am Ende weiß man nur eines sicher: Dass Schuberts Musik so stark ist, dass ihr auch die flockigste Interpretation, wie sie ihr hier zuteil wird, nichts anhaben kann.
Renate Wagner