THEATERFEST NIEDERÖSTERREICH /
Nestroy-Spiele Schwechat:
DIE ZAUBERREISE IN DIE RITTERZEIT von Johann Nestroy
Premiere: 26: Juni 2025
besucht wurde die Generalprobe am 25: Juni 2025
Die Zauber-Ritter-Show
Das ist auch Nestroy? wird sich manch ein Besucher der diesjährigen Nestroy-Spiele Schwechat wundern. Aber ja, wenn auch ein sehr früher. Und wo sollte man nach Raritäten im Monsterwerk des Dichters (über 70 Stücke) schürfen, wenn nicht bei Festspielen, die seit mehr als einem halben Jahrhundert diesem Nestroy allein gelten?
„Die Zauberreise in die Ritterzeit“ ist ein frühes Nestroy-Stück von 1832, noch bevor der zu seiner Meisterschaft gefunden hatte. Aber Talent – das besaß er schon damals, wo er noch das Althergebrachte variierte. Nestroy bediente hier viele der damals üblichen Genres auf den Wiener Volkstheater-Bühnen. Zauberstücke mit Allegorien gab es ohne Zahl – hier sind es die Gegenwart mit Mutter Vergangenheit und Tochter Zukunft. Und wer das schlicht findet, soll nur an Analogien in Buch und Film denken, die sich heute Fantasy nennen und wo das Übernatürliche mit ähnlicher Selbstverständlichkeit behandelt wird.
Es gab damals Zeitreisen, hier wird eine unternommen, es gab selbstverständlich Ritterstücke, hier geraten die Biedermeier-Menschen in diese Vergangenheit, und es gab natürlich Besserungsstücke: Es war üblich im politischen System, dass die Menschen zur Einsicht kommen, so auch hier.
Und wenn die beiden Helden des Stücks, Onkel und Neffe Sapprawalt, sich gleich zu Beginn von ihrer Gegenwart angeödet zeigen, dann erinnern sie schon ein wenig an Nestroys Zerrissenen, den Herrn von Lips, dem das Leben auch nichts mehr bieten kann, weil er sich alles schon gekauft hat und nichts Neues auf ihn wartet. Wenn die oberflächlichen Sapprawalts sich für die Ritterzeit begeistern und meinen, damals sei das Leben spannend und interessant gewesen… dann nimmt Nestroy gedankenlose Nostalgie aufs Korn (die gibt es ja wohl noch immer, „die gute alte Zeit“).
Und folglich schickt die „Gegenwart“ sie in die Vergangenheit, um sie eines Besseren zu belehren. Dasselbe geschieht auch der Tochter des älteren Sapprawalt, Eulalie, die in der Gegenwart ihren Bräutigam so langweilig findet (sein Name, Herr von Geldsack, sagt schon, wie reich er ist – und das betont er auch dauernd). Einen Ritter zu heiraten, das fände sie herrlich. Als dann in der Ritterzeit genau das passiert, merkt sie – die durchaus emanzipierte Biedermeier-Zicke – , wie wenig Wert damals eine Frau hatte… ein Klacks echter Emanzipationsgeschichte (und Erkenntnis) im alten Nestroy.
Freilich weiß man, warum die frühen Nestroy-Stücke, also auch dieses, so selten (1981 einmal im Theater der Jugend) bis gar nicht gespielt werden. Neben durchaus viel Witz und ansatzweiser Zeichnung echter Charaktere gibt es auch viel Überflüssiges, und da hätte die Aufführung in Schwechat durchaus eine Menge streichen können.
Aber Intendant Christian Graf, der auf der Bühne schon wieder fehlt, weil der junge Sapprawalt ihm bestens zu Gesicht stehen würde, setzte eher auf Mehr als Weniger. Wenn aus dem Stück zwar ein paar handfeste Wahrheiten, aber nicht, wie so oft bei Nestroy, geradlinige Politik-Polemik herauszuholen ist, dann geht die Regie eben den anderen Weg. Graf baute den Hof von Schloß Rothmühle, wo seit Jahr und Tag sommers die Nestroy-Spiele stattfinden, zu einer Raumbühne um, das Publikum sitzt auf allein vier Seiten. Das ergibt weit mehr Spielmöglichkeiten als der übliche Guckkasten, hat aber auch die bekannten Akustik-Nachteile – Schauspieler, die mit dem Rücken zu einem stehen, versteht man nicht. Vielleicht sind deshalb alle ununterbrochen in Bewegung…
Das über die Maßen personenreiche Stück wird noch um eine Statistenschar aus Frauen und Männern für alles erweitert. Sie bauen nicht nur blitzschnell um, sie sind „Volk“ in Gegenwart und Vergangenheit, dienen auch schon einmal als Pferde für Ritter beim Turnier, sie erfüllen vor allem die reich mit Musik angereicherten Szenen mit perfekter Choreographie, so dass sich fast ein Musical-Effekt einstellt. Eine Mords-Show ist es jedenfalls, schnell, turbulent und immer wieder zu viel von allem.
Vor allem wenn es zum Blödeln in die alte Ritterzeit geht, so gut wie die Pradler scheint es bald, und man muss das Stück auch nicht ernst nehmen. Aber es so zu überborden statt es zu verschlanken – das bietet zwar viele Lacher, aber auch eine gewaltige Dosis Unübersichtlichkeit. Und es wird bei den Rittern eher länger als lustig. Aber, ehrlich gesagt, gelacht wurde schallend.
In der Nestroy-Rolle des jungen Sapprawalt tänzelt und zappelt Paul Graf vergnüglich durch das Stück, auf seine Art komisch souverän ist Manfred Stella als sein Onkel, und den Vogel schießt Michelle Haydn als schmollende, lamentierende, zankende Tochter Eulalie ab.
Als „Fee“ Gegenwart schlüpft Bella Rössler in viele Rollen, wobei man unmöglich alle Mitwirkenden aufzählen kann – Clemens Fröschl nützt die Möglichkeiten des Herrn von Geldsack, Urgesteine wie Franz Steiner ist vergnügt im Mittelalter unterwegs.
Es war vielleicht nicht der übliche scharfe, politisch anwendbare Nestroy, aber das Publikum nahm die Zauber-Ritter-Show, die Christian Graf mit handwerklicher Meisterschaft gezaubert hat, mit großem Vergnügen auf.
Renate Wagner