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Theater an der Wien: Giuseppe Verdi „IL TROVATORE“

27.05.2013 | KRITIKEN, Oper

Comedia del Trovatore

Wiener Festwochen 2013
Giuseppe Verdi “Il Trovatore”
Theater an der Wien
Premiere 26.5.2013

Milchzähne für Verdis Dramatik

Gewiß, der Jubel war sehr groß, als die Künstler zum Schlussapplaus antraten, auch die Zustimmung zum Regieteam war reichlich, auch wenn sich genügend Protest dazumischte. Aber man konnte in viele ratlose Gesichter blicken, deren Besitzerinnen und Besitzer offensichtlich von dem angekündigten und mit geradezu artifizieller Akribie realisierten Ausflug mit Verdi in eine Comicwelt – wie es der Regisseur Philipp Stölzl nannte – mehr Unsicherheit als Freude mitnahmen. In einem zweiseitigen, nach hinten Spitz zusammen laufenden Raum mit kahlen Wänden und auf dem, in den Orchesterraum ebenso spitz auskragenden Bühnenboden lässt Stölzl die einzelnen Szenen mit quasi szenischen Überblendungen ablaufen, die dem Abend einen kompakt wirkenden Ablauf verliehen und in dem ein Stilmix von Comedia dell´Arte, ballettartigen Bewegungen und Pantomime ebenso beinhaltet war, wie auch Stilmittel von Videoclips. Und wer die heute ständig in Verwendung stehenden Straßenanzüge und Kleider im Mülltonnenlook satt hat, für den sollten eigentlich die Phantasiekostüme der Ursula Kudrna in ihrer Farbenpracht und den Zitaten aus allen Jahrhunderten und Zeiten ein Genuß sein! Ist ja nur für vier Vorstellungen und dann verschwindet alles nach Berlin. Die Welt des üblichen Steh-und Schreittheaters ist dann wieder gerettet für diejenigen, die sich – man darf sagen – zu unrecht über die hier gezeigte Art, Oper zu machen, mokieren.

Artur Rucinski als Luna und Marina Prudenskaja als Azucena

Natürlich kann man mit dieser Art von Wiedergabe Verdis musikalisch-theatralische Pranke nicht derart zur Geltung bringen, wie wir es in diesem Werk gewohnt sind, auch nicht die Psychologie der einzelnen Figuren. Da wird der dramatische Biss zu einer sanften Milchzahnreihe, sehr wohl aber kann man einen musikalischen Bilderbogen in einer äußerst präzisen, ideenreichen, farbigen und vor allem sehr witzigen Regie genießen, bei der auch die bekannte fettFilm mit Projektionen auf die Seitenwände für entsprechende Konnotation mit Bildzitaten von Magritte und Dalí sorgt. Es wird jedenfalls spannend, wie die Hauptrollensänger der Staatsoper in Berlin auf diese Inszenierung reagieren werden, kann man sich doch weder die Netrebko noch den Domingo sich verrenkend und herumstöckelnd vorstellen.

Das Wiener Ensemble für diese Aufführungsserie zeigte jedenfalls äußerste Spielfreude und es war ihm die Lust an der Bewegung anzumerken. Der Pole Artur Rucinski bot als Conte di Luna mit Zylinder, Stehkragen und Pluderhose auch die sauberste gesangliche Leistung des Abends, beim “Il balen del suo sorriso” strömte sein Bariton in herrlicher Kantilene. Eine riesige Halskrause zierte das Kleid der Leonora – an der Taille. Aber Carmen Giannastasio sang Koloraturen ebenso wie große dramatische Bögen ausgezeichnet und mit noch unverbrauchter Stimme. Ein Versprechen ist jedenfalls Marina Prudenskaja, ausstaffiert mit rotem Wallehaar und Harlekinskleid muß sie vor den Schüssen der riesigen Kanone zittern, die Luna auf die Zigeunerin richten lässt. Dem mit großem heldischem Aplomb von dem Koreaner Yonghoon Lee gesungenen Manrico mangelte es aber auch nicht an vielen gestemmten hohen Noten. Dass ein Manrico auch Verzierungen in der Gesangslinie seiner großen Arie zu singen hätte, diese aber unterschlägt, würde nicht so ins Gewicht fallen, verfügte er über mehr als ein nur kurz angetipptes hohes”C”. Und da wäre noch ausdrücklich Gábor Bretz als Ferrando mit schönem Bassmaterial zu erwähnen.

Dem Arnold-Schönberg-Chor ein Sonderlob für dessen ungemeine Spielfreude, Omer Meir Wellber sorgte für den Drive in der Musik dieser knalligen Oper, soweit sich die Musiker dazu inspirieren ließen, füllig-sinnliches war zu wenig aus dem Orchesterklang des RSO, des Radiosymphonieorchester Wien herauszuhören.

 

Peter Skorepa
(Alle Fotos: Mathias Baus)

 

 

  

  

 

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