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SYRAKUS / Teatro Greco: ERACLE von Euripides

23.05.2018 | Allgemein, Theater


Copyright: Teatro Greco Syrakus

SYRAKUS/ Teatro Greco: ERACLE von Euripides am 20.5.2018

Euripides‘ Tragödie „Herakles“ ist nicht weniger seltsam als Sophokles‘ „Ödipus auf Kolonos“: Die Hälfte des Stücks wird einmal godotmässig auf den abwesenden Halbgott Herakles gewartet. dann erscheint dieser zwar,  metzelt aber fast seine ganze Famile nieder, kommt jedoch dennoch nicht nur ungestraft davon, sondern wird am Schluss auch noch mit großem Reichtum überhäuft (!). „Herakles“  wird daher nur ganz selten aufgeführt. Das Festival des Antiken Dramas in Syrakus unternahm heuer trotzdem erneut das Wagnis. Während der „Ödipus“ zum Triumph geriet, kann man das vom „Herakles“ wahrlich nicht behaupten. Ganz im Gegenteil : die Produktion wurde zum totalen Desaster.

Vollinhaltlich schuld daran: die sizilianische Regisseuse Emma Dante, die auf der Insel nahezu ein Monopol auf Opern-und Theaterinszenierungen besitzt. Ihre „Marke“, um nicht zu sagen: Masche: das „Spiel“ mit lokalen Mythen (das sich aber zumeist im Auswalzen banaler Klischees totläuft….sowie ein fanatischer, nahezu stalinistisch zu nennender Feminismus…Diese Marotten pflegt sie auch hier…bis zum Exzess.


Copyright: Teatro Greco Syrakus

Frau Dante hatte nämlich die superoriginelle Idee, alle Rollen mit Frauen zu besetzen – als „ausgleichende Gerechtigkeit“ dafür, dass in der Antike nur Männer auf die Bühne durften. Gut. Geschenkt. Kann man machen ( ist auch schon oft -zB. bei Shakespeare -gemacht worden). Aber man muss dabei das Konzept mit Leben erfüllen, man muss vor allem wissen, was man damit ausdrücken will.

Bei diesem „Eracle“ ist nichts davon zu merken. Frau Dante lässt halt alle Personen von Schauspielerinnen verkörpern, aber das wars dann auch schon. Bzw.leider noch nicht: denn sie zwingt ihre Geschlechtsgenossinen zusätzlich zu hemmungsloser Karikatur, Outrage und Schmiere, wie man sie sonst nur aus Abschlussarbeiten von Konservatorien kennt, bei denen die überschüssigen Mädels Burschen oder Männer mimen müssen. Es zieht einem die Schuh‘ aus, es rollen sich einem die Zehennägel hoch bei dem, was man sich da bieten lassen muss. Gipfel dieser Methode = ihr absoluter Tiefpunkt: die zentrale Figur des greisen Stammvaters der Herakleischen Sippe, Amphytrion, wird von einer ca. vierzigjährigen Frau gespielt, mit aufgeklebter Glatze (sowieso !) im Rollstuhl (Minimum !) sitzend. Die Gnädigste schreit und krächzt mit verstellter Stimme den ganzen lieben Abend so grauenhaft und laut herum (und das auch noch über Microport!), dass man sich selbst beim Villacher Fasching dafür genieren würde. Der nackte Horror. Absolut unerträglich.

Da hilft es auch nichts, dass Emmas Gatte ihr ein eigentlich sehr schönes Bühnenbild gebaut hat: einen südländischen Camposanto, also eine weissgekalkten Wand mit unzähligen Portraitmedailloms, in der – dem römischen Vorbild der „Colombaia“ folgend – die Toten vertikal übereinander eingemauert sind…


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Irgendwie wird man am Ende dieser grotesken Grottenbahnfahrt den Eindruck nicht los, dass Signora Dante – entgegen ihrem proklamierten Feminismus – Frauen eigentlich abgrundtief hasst, verabscheut und verachtet, denn sie stellt sie letztlich als animalische, gestörte, unzurechnungsfähige, hysterische Wesen dar, die ununterbrochen ihre langen Haare schütteln, rosa gekleidet sind und von unerklärlichen, tanztheaterähnlichen Anfällen geplagt werden…

Wie dem auch sei, das wirkliche, große, entscheidende Problem bei der Danteschen Masche ist, dass man aufgrund dieser ganzen aufmerksamkeitsheischenden sinnlosen Exaltiertheit vollkommen das Interesse an den handelnden Menschen, ihrer Geschichte, ihren Gefühlen und ihren Leiden verliert. Und darum geht’s doch in erster Linie bei der griechischen Tragödie, oder ?

Die Schauspielrinnen lassen wir diesmal lieber unerwähnt, denn in diesem Zusammenhang hatten sie von Anfang an nicht den Funken einer Chance.

Man kann also nur hoffen, dass Emma Dante nie wieder die Regie eines antiken Dramas anvertraut wird…

Robert Quitta, Siracusa

 

 

 

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