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SYRAKUS/ Teatro Greco: EDIPO A COLONO von Sophokles

21.05.2018 | Allgemein, Theater

SYRAKUS/ Teatro Greco: EDIPO A COLONO von Sophokles am 19.5.2018

„Õdipus auf Kolonos“, Sophokles‘ letztes, erst posthum aufgeführtes Werk, ist nicht die populärste aller griechischen Tragödien und wird dementsprechend auch sehr selten gespielt (In Õsterreich war sie zuletzt vor vielen Jahren mit Bruno Ganz am Burgtheater bzw. mit Klaus Maria Brandauer bei den Salzburger Festspielen zu sehen). Und das ist auch nicht weiter verwunderlich, ist es doch wirklich ein sehr seltsames Stūck. Von einem Sterbenden geschrieben, handelt es von einem Sterbenden, nämlich vom alten und blinden Õdipus, der am letzten Tag seiner irdischen Existenz beim Eumenidenhügel in Kolonos Zuflucht sucht.

Seltsam ist es noch aus drei weiteren Gründen: Erstens ermangelt es eigentlich jeglichen tragischen Geschehens. Zweitens ist der Titel“held “ eine unglaublich unsympathische Figur: ein starrsinniger Greis, der in einer unfassbar brutalen Szene seinen eigenen Sohn verflucht und ihm den gewaltsamen Tod an den Hals wünscht, der aber drittens am Ende dennoch in einer eigenartig vorchristlichen Apotheose „spurlos“ verschwindet und somit sozusagen „in den Himmel aufgenommen wird“. So ein Konstrukt k a n n nicht populär werden.

Das traditionsreiche Antikenfestival im sizilianischen Syrakus hat sich jetzt dennoch wieder einmal darübergetraut und das Resultat war – um es gleich vorwegzunehmen: großartig. Zwar ist das Teatro Greco – nach dem in Epidaurus – das zweitbesterhaltendste und zweitschönste griechische Theater der Welt und somit ein Besuch daselbst immer beglückend, egal was man spielt. Aber viel beglückender ist es natürlich, wenn man gleichzeitig Zeuge einer rundum gelungenen Aufführung wird. Und „Edipo a Colono“ war so eine, vielleicht sogar eine der gelungensten an diesem Ort in letzter Zeit.


Copyright: Teatro Greco

Zu verdanken ist dieses eindrucksvolle Erlebnis dem griechischen Bühnenbildner und Regisseur Yannnis Kokkos, selbst nicht mehr der Jüngste. Er liefert hier eine meisterliche Arbeit ab.

MIt wenigen, prägnanten szenischen Elementen (ein riesiger Rückentorso, ein Zypressenhain, ein goldenes Tor, ein Wachturm, mehrere Steinbänke etc.) definiert er zuerst einmal souverän den Raum. Und dann hat er ein phantastisches Ensemble ausgewählt, das der in Italien weitverbreiteten Unsitte des pathetischen „Singens“ nahezu nie erliegt. Er führt seine Darsteller ind diesem zeichenhaften und poetischen Raum aber auch mit großer Liebe, Aufmerksamkeit und Präzison. Auch den Chor behandelt er kunstvollst, denn dieser agiert gleichzeitig individuell u n d choral (was schwer genug ist, wie man weiß).Tolle Kostüme, eine intelligente Musik und ein geniales Licht machen den Abend zu einem ungetrübten optischen wie akustischen Vergnügen.


Copyright: Teatro Greco

 

Durch diese perfekten Rahmenbedingungen kommen alle Protagonisten bestens zur Geltung: Massimo De Francovich (Ōdipus), Roberta Caronia (Antigone), Eleonora De Luca (Ismene), Sebastiano Lo Monaco (Theseus), Fabrizio Falco (Polyneikes) und vor allem auch Stefano Santopago, der seinen Kreon als sehr wiedererkennbare Studie eines aalglatten, verlogenen, zynischen Machtpolitikers anlegt.

Man bedauert sehr, dass diese wunderbare Tragödie schon nach 1h40 zu Ende ist. Aber als Trost möge gelten, dass man sie sich ja bis einschließlich 22.Juni noch einmal anschauen kann…

Robert Quitta, Siracusa

 

 

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