Susanna Neukam:
SCHWEIGEN IST SILBER, HERRSCHEN IST GOLD
Die Babenbergerinnen und ihre Zeit
264 Seiten, Amalthea Verlag, 2013
Die Habsburger werden, schon in Anbetracht dessen, dass sie eine so riesige Familie waren, vermutlich nie ausgeschlachtet sein. Sie haben die Babenberger, die schließlich die Grundlage dafür legten, was man heute als „Österreich“ bezeichnet, gänzlich überlagert. Umso interessanter, einmal ein Buch über die Frauen der Babenberger, die Markgräfinnen und Herzoginnen zwischen der Jahrtausendwende und dem 13. Jahrhundert, zu finden.
Allerdings hat Autorin Susanna Neukam, Interessensschwerpunkt: Mittelalter, die einzelnen Biographien in Kurzschilderungen an das Ende des Buches verbannt. Was sie unter dem Titel „Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold“ bietet, bedient vor allem den zweiten Teil des Untertitels: „Die Babenbergerinnen und ihre Zeit“.
Bei der Frage, wie die Frauen im Mittelalter wirklich lebten (wobei es natürlich nur um die höheren Stände geht), stößt die Autorin gleich zu Beginn auf alle nur denkbaren Widersprüche. Aber fest stand: Eine Ehe unter Adeligen wurde arrangiert und diente allein den „politischen“ Interessen beider Seiten. Was eine Braut an Mitgift mitbrachte (Summen, die oft nicht unerheblich aufzubringen waren), gewann sie für ihre Familie an Beziehungen, denn Ehemänner haben sich die Ehe oft mit Untreue gegen Verbündete, Seitenwechsel etc. verkauft. Man machte ein Geschäft mit Menschen, und beide Seiten wogen die Vorteile ab: Das war bei Adelshochzeiten wohl noch bis ins 19. Jahrhundert (und länger?) üblich.
Neben genauer Analyse von Ehe und Heirat (mit Schilderung, wie dergleichen vor sich ging), kümmert sich die Autorin auch um das Aussehen der Frauen, Kleidung, Schmuck und „Verkäuflichkeit“ (wer ein gewisses Alter überschritten hatte und nicht hübsch war, war schwer „unter die Haube“ zu bringen – ein Ausdruck, der von den Hauben herrührte, die damals nur verheiratete Frauen trugen).
Dass Frauen in erster Linie die Pflicht hatten, Kinder zu gebärden (vordringlich Söhne), ist in Adels- und vor allem Königshäusern lange unverändert geblieben, dass man sich um diese Kinder nicht kümmerte, sondern ihre „Aufzucht“ auslagerte, gleichfalls.
Dass es immer wieder Frauen gab, die ihre an sich eng gezogenen Grenzen dank ihrer Persönlichkeit oder von Glücksfällen wie Vermögen oder Machtzufall überschritten, kann auch vielfach gezeigt und bewiesen werden: Es gibt Witwen, die geradezu aufblühten. Am Ende dieses Streifzugs durch das adelige Frauenleben des Mittelalters steht naturgemäß der Tod – mit all seinen Ritualen.
Es hat im Lauf des Buches immer wieder zu Einzelfällen konkrete Beispiele gegeben, so liest man einiges dann bei den Biographien noch einmal, aber sei’s drum, dann merkt man es sich besser. Die Babenberger von Leopold I. bis Friedrich II. haben klug geheiratet, einige besonders gut, niemand besser als Leopold III., der mit Agnes von Waiblingen eine Kaisertochter und Kaisermutter bekam (Friedrich Barbarossa war ihr Enkel) und seine Familie damit in den engsten Kreis der Staufer brachte: ein Prestigezuwachs ohnegleichen. Die Kreuzzüge öffneten den Blick weit in den Osten (bis nach Ungarn hatte man immer schon geheiratet) – dann kamen bemerkenswerte Byzantinerinnen nach Wien, gleich drei an der Zahl. Liest man diese Kurzbiographien, so wird klar, dass man gerne noch mehr über die Damen erfahren hätte.
Besonders interessant sind jedenfalls die „Exkurse“, die die Autorin an gegebener Stelle immer wieder zu relevanten allgemeinen Themen der Zeit einfügt, meist mit Bräuchen verbunden, die durchaus nähere Erläuterung verdienen (etwa das Gottesurteil, das ja seinen Weg bis in Richard Wagners Opern gemacht hat…).
Renate Wagner